Ein Pfarrer auf dem Kriegspfad

EinPfarreraufdemKriegspfad Unser Oberhäuptling gräbt das Kriegsbeil aus. Schon im Januar hat er bei der Münchner Sicherheitskonferenz mehr Verantwortung gefordert, wie es so schön heißt, wenn es um Militäreinsätze geht. Vorarbeit hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier geleistet, als er darüber sinnierte, dass die „Kultur der Zurückhaltung“ keine „Philosophie des Heraushaltens“ sein dürfe. Und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte bei der Gelegenheit Einsätze in Afrika angekündigt. Gauck selbst war vor einem halben Jahr vorsichtiger und hat seine Haltung noch in Fragen gekleidet: „Tun wir, was wir können, um unsere Nachbarschaft zu stabilisieren, im Osten wie in Afrika?“ Mitte Juni ist er deutlicher geworden, die norwegische Ministerpräsidentin hat ihm bei einem Staatsbesuch die Steilvorlage gegeben: „Deutschland muss sein Verhältnis zur Welt normalisieren“, sagte sie. Auf diesen Satz hat Gauck nur gewartet. Darauf in einem Interview angesprochen, das er anschließend einem deutschen Radiosender gab, erwiderte er: „Deutschland sollte seine gut begründete Zurückhaltung, die in früheren Jahrzehnten geboten war, ablegen zugunsten einer größeren Wahrnehmung von Verantwortung.“ Etwas umständlich formuliert, meint aber: Man solle „den Einsatz militärischer Mittel als letztes Mittel nicht von vornherein verwerfen“. Und weiter: „In diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen.“ Dabei gehe es aber nicht um „Dominanzgebahren“ – Deutschland sei ja inzwischen eine verlässliche Demokratie – sondern um „ein Ja zur aktiven Teilnahme an Konfliktlösungen im größeren Rahmen – im Verbund mit der EU und der NATO“. Und zum Schluss findet Gauck, es brauche „international Kräfte, die Verbrechern oder Despoten, die gegen andere mörderisch vorgehen, stoppen.“ Großartig, dass es unser Staatsoberhaupt ist, das daran erinnert: Ein normales Verhältnis zur Welt kann Deutschland nur haben, wenn es gegen den Rest der Welt Kriege führt! Super, dass Herr Gauck es mal wieder offen ausspricht! Gemeinsam mit der UNO durfte die Bundeswehr ja schon in Bosnien und Afghanistan ein paar Übungen absolvieren. Friedensmissionen, Schulen bauen, Brunnen bohren – das war doch ein Anfang. Aber nun ist Deutschland zu einem ebenso geachteten wie gefürchteten demokratischen Staat herangereift und muss jetzt auch auf eigene Faust „aktive Konfliktlösungen“ vorantreiben. Richtig so, Herr Gauck! Es muss erlaubt sein, die „gut begründete Zurückhaltung“ aufzugeben. Frankreich und England, die wir wirtschaftlich längst angehängt haben, holen ihre Panzer auch aus der Garage, wenn es ihnen passt! Im Schutz der Verbündeten bei EU und NATO sollte es auf alle Fälle mal möglich sein, den Despoten dieser Welt zu zeigen, wo der Hammer hängt. Ja, und als Sieger könnten wir selbst mal Ansprüche erheben und Forderungen stellen. Nicht immer nur blechen, während sich die anderen amüsieren! Aber im Ernst – ist es nicht peinlich, dass Herr Gauck genau die Begründungen derjenigen benutzt, die er selbst als Spinner bezeichnet. Na gut, auch ein Politiker muss die Gelegenheit eingeräumt bekommen, ein bisschen herumzuspinnen. In Gaucks Metier spricht man dann gerne von der politischen Vision, von dem staatsmännischen Weitblick, von diplomatischem Fingerspitzengefühl. Und wenn keiner mitkriegt, dass man seine Ideen bei diesen Spinnern klaut, ist doch alles geritzt. Machen Frank-Walter und Ursula ja auch nicht anders. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass markige Sprüche in Deutschland allemal besser ankommen, als dieses pazifistische Gewäsch des CDU-Friedenskämpfers Jürgen Todenhöfer: Krieg sei Krieg. Ein Soldat sterbe auch im Kugelhagel, den Demokraten abfeuern. Frauen und Kinder seien auch Opfer, wenn sie von Bomben aus westlich-demokratischen Waffenschmieden getroffen werden. Vielleicht hätte Todenhöfer den Gauck auf seiner Facebook-Seite nicht auch noch als Dschihad-Kämpfer abbilden sollen, so mit Turban, Rauschebart und Kalaschnikow. Die Reaktion aus FDP und Union folgten prompt: „Politischer Geisterfahrer“, „völlig abgedreht und orientierungslos“, „arrogant und herablassend“.Damit ist klar: Polemik, die sich für den Frieden stark macht, will in diesem Land zum Glück keiner hören. Und ein Militäreinsatz, der von demokrati-schem Boden ausgeht, ist immer ein guter Krieg. Warum sollte man ihn also als letztes Mittel von vornherein verwerfen?Ebenso frei von der Leber weg redet Gauck davon, den „Osten und Afrika zu stabilisieren“. Dass die die Bevölkerung dort nur auf die ordnende Hand der Deutschen wartet, ist wohl mal ausgemachte Sache. Wenn schon die Norweger die Deutschen zu neuer Stärke ermutigen, dann können es sicherlich auch Russen und Ukrainer kaum abwarten, bis in ihren Straßen wieder deutsch gesprochen wird. Und in Ländern wie Namibia, einst Deutsch-Südwest, kann Gauck sich bestimmt genauso befreite Menschen vorstellen, die deutschen Panzern zujubeln. Bedenken sind überflüssig: Dass griechische Zeitungen Angela Merkel wegen ihres Spar-Diktats in der Finanzkrise in SS-Uniform abbildeten – macht nix! Wenn die „unschuldigen Menschen“ spüren, dass mit dem Einmarsch der Demokraten die Dinge wieder ins Lot geraten, verstummt der Protest. Oberhäuptling Schlauer Fuchs spricht zwar nicht mit gespaltener Zunge aber er ist natürlich klug genug, nicht gleich mit der ganzen Wahrheit herauszurücken: Denn in Wahrheit geht es um Rohstoffe, ums Erdöl. Öl und Energieversorgung – das war übrigens Thema bei Gaucks Norwegen-Besuch. In Russland und Afrika schlummern ebenfalls Rohstoffe, aber Machthaber, die sie nicht freiwillig rausrücken – das sind Despoten! Schon bei Gaddafi hätte man so gern im größeren Rahmen an der aktiven Konfliktlösung teilgenommen. Aber es werden sich zukünftig sicher zahlreiche Gelegenheiten bieten.

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