Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.

Dieser Satz machte Walter Ulbricht unsterblich und prägt bis heute nachhaltig die politische Kultur in Deutschland.
Wann immer unsere gewählten Volksvertreter Ehrenwörter abgeben, „brutalstmögliche Aufklärung“ versprechen, „keine Erhöhung der Merkelsteuer!“ fordern oder ein „einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem“ in Aussicht stellen, wann immer sie Rettungsschirme aufspannen, „unsere Freiheit am Hindukusch“ verteidigen oder mit Panzerlieferungen die Demokratiebewegung in der arabischen Welt befördern wollen – der alte Spitzbart winkt vergnügt von seiner Wolke und zeigt sich zufrieden mit seinen gelehrigen Schülern. Dabei teilt er gewiss nicht immer ihre weltanschaulichen Grundsätze, aber ihrer bedenkenlosen Durchsetzungskraft zollt er seinen vollen Respekt. Geht irgendwo in diesem Land ein größeres Bauprojekt in Planung, übernehmen die Neo-Ulbrichts sofort die Regie. Egal, ob es um ein Endlager für Atommüll, einen unterirdischen Bahnhof oder um einen Flughafen geht, nie hat jemand die Absicht, eine Mauer zu errichten. Ihr politisches Wirken ist immer da gefordert, wo es starke wirtschaftliche Einzelinteressen zu Lasten der Allgemeinheit durchzusetzen gilt. Unter dieser Prämisse wurde vor den Toren Berlins mit Milliardensummen aus öffentlichen Haushalten ein neuer Großflughafen aus dem Boden gestampft. Von allen diskutierten Möglichkeiten zementierte der All-Parteien-Einheitsblock – gegen jedes Expertenurteil und gegen tausendfachen Bürgerprotest – den schlechtesten Standort: Schönefeld! Vor Gericht erstritten die visionären Zukunftsplaner die Zulassung für einen Regionalflughafen ohne Nachtflugbetrieb. Auf Grundlange dieser Entscheidung versenkten sie den Grundstein im teuer erworbenen Acker. Beim Richtfest feierten sie dann sich selbst und Berlin-Brandenburg International.
Zu der charakterlosen Geschichtsvergessenheit einen solchen moralischen Schwarzbau auch noch „Willy Brandt“ zu taufen, können nur Sozialdemokraten fähig sein.
Alle Verantwortlichen waren sich da längst einig, dass man sich am Ende des Tages erst mit einem internationalen Drehkreuz, plus weiteren Ausbauoptionen, zufrieden geben wird. Natürlich ist es bei einem derartigen Projekt üblich, dass man kurz vor der Fertigstellung darüber nachzudenken beginnt, wie das Ganze künftig betrieben werden soll. Und selbstverständlich fielen unsere politischen Leistungsträger aus allen Wolken, als plötzlich bevorzugte Westberliner Wohnlagen in das Blickfeld der Flugroutenplaner gerieten. Eine Woge der Empörung brandete durch die Hauptstadt. Klaus Wowereit erkannte sofort einen Angriff auf den Vertrauensschutz seiner Bürger und mit kräftigem politischem Nachdruck wurden umgehend wieder geordnete Verhältnisse herbeigeführt. Entlang der alten Demarkationslinien wurde die deutsche Hauptstadt ein weiteres Mal geteilt. Freilich braucht sich niemand im Berliner Südosten darüber beklagen, denn schließlich wurde denen vor zwanzig Jahren die Freiheit geschenkt, sich jederzeit am ruhigen Wannsee vom Müggelsee-Fluglärm zu erholen. Doch was tun die undankbaren Untertanen? Sie rotten sich jeden Montag auf dem Friedrichshagener Marktplatz zusammen, um gegen wirtschaftlichen Aufschwung, billiges Reisen, Arbeitsplätze im Überfluss und den Fortschritt im Allgemeinen zu demonstrieren. Und nun? Das Geld ist weg, der Flughafen ist so gut wie fertig, und den gewaltigen Neubau abzuräumen, wie es Ulbricht einst mit dem zerstörten Stadtschloss tat, das traut sich dann doch keiner. Somit ist jetzt der rechte Zeitpunkt gekommen, über alle Parteigrenzen hinweg gemeinsam zu schauen, was man für die Menschen bewegen kann. So kurz vor den Wahlen zeigen sich alle aufgeschlossen, hilfsbereit und einsichtig. Ja gewiss, auf jeden Fall wäre Sperenberg eine Alternative gewesen. Hätten sich doch nur mehr Bürger dafür engagiert! Heute lässt es sich leider nicht mehr so genau klären, wie es zur Fehlentscheidung für Schönefeld kam, nur so viel ist sicher: Vor allem die anderen tragen die Schuld daran. Womöglich ärgert es Walter Ulbricht doch ein wenig, dass dieses moderne Sinnbild der alten Teilung nicht seinen Namen tragen wird, aber – und da ist er sich ganz sicher – zu der charakterlosen Geschichtsvergessenheit einen solchen moralischen Schwarzbau auch noch „Willy Brandt“ zu taufen, können nur Sozialdemokraten fähig sein.

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