Viel Lärm um nichts?

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Oder wie der Senat mal eine Verordnung zum Naturschutz schrieb

Ich weiß nicht, was ein Rapfen ist, wie ein Kamm-Molch aussieht oder wie sich die Grüne Mosaikjungfer fortpflanzt. Aber sie alle sollen dort leben – rund um und im Müggelsee. Und das sind nur vier von insgesamt 24 Tierarten, die als besonders schützenswert eingestuft werden und daher im neu erklärten Naturschutzgebiet einen Rückzugsraum finden sollen. Die als schützenswert aufgelisteten Pflanzenarten und Lebensraumtypen noch gar nicht mitgezählt.

Die Wellen schlugen hoch, seit die Verordnung zur Erklärung zum Landschafts- und Naturschutzgebiet „Müggelsee und Fredersdorfer Mühlenfließ“ in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt eingesehen werden kann. Denn damit verbunden sind zukünftig auch allerlei Auflagen, von denen Anwohnende, Gewerbetreibende und v.a. Wassersportvereine starke Einschränkungen fürchten.

So wurde in der Berliner Presse passend zum Wahlkampf munter getitelt: „Am Müggelsee regiert bald der Naturschutz“ (B.Z.) oder „Der Müggelsee macht dicht“ Berliner Kurier.

Eine kleine Blitzumfrage zur Naturschutzverordnung beim Müggelsee-er Badepublikum vor Ort hat v.a. Folgendes ergeben: „Verordnung? Noch nie gehört.“, „Keene Ahnung, weeß ick nich.“, „Nicht mehr baden? Wer sagt dit?“ Gut informierte Menschen allerorten also.

Aber worum geht es denn eigentlich und warum soll überhaupt geschützt werden? Hier hilft ein Blick in die Verordnung: Um die Lebensräume bestimmter wild lebender Tier-und Pflanzenarten und die Eigenart und Schönheit der eiszeitlich geprägten Landschaft als Erholungsraum von besonderer Bedeutung für die Allgemeinheit zu erhalten.
Klingt doch plausibel. Natur schützen ist immer gut. Soll die Lachmöwe auch mal geschützt lachen dürfen. Und als Laie denkt man sich, endlich keine nervig lauten Motorboote mehr. Doch der Teufel steckt wie immer im Detail.

Schaut man sich die Verordnung etwas genauer an, wird zwischen Landschaftsschutzgebiet und Naturschutzgebiet unterschieden. Das Landschaftsschutzgebiet betrifft die gesamte Fläche des Großen Müggelsees samt Uferbereich. Bestimmte Aktivitäten sollen hier verboten bzw. genehmigungspflichtig sein. Für das Naturschutzgebiet, das ca. 1/3 der Gesamtfläche umfasst, gelten noch strengere Auflagen. (Link zur Karte).

Die gute Nachricht ist also: Nicht der GANZE Müggelsee wird zum Naturschutzgebiet erklärt, sondern ist größtenteils Landschaftsschutzgebiet. Wir dürfen uns in den dafür ausgewiesenen Gebieten weiterhin von der reichen Unterwasservegetation Brust und Bauch kraulen lassen.

Die Liste verbotener Handlungen für beide Schutzzonen ist lang, aber genau betrachtet sind uns viele vorgeschriebenen Verhaltensweisen nicht neu und lang bekannt: Radfahren nur auf den ausgewiesenen Wegen, nicht zelten, den eigenen Müll mitnehmen, das Auto nicht einfach im Wald parken, nicht durch Licht oder Lärm stören, Hunde an enger Leine führen usw., haben wir alles im Heimatkundeunterricht schon mal gehört. Die Umsetzung ist ja gemeinhin eine andere Sache.

Den stärksten Gegenwind gab's von den Wassersportvereinen. Denn wirklich negative Auswirkung hätte die Verordnung auf die Ausübung beliebter Wassersportarten wie Segeln, Rudern oder Kanu, wofür der Müggelsee beliebt und bekannt ist. Beispielsweise sind zukünftig Sportwettbewerbe genehmigungspflichtig. Ein Vorgang, der, wie man sich vorstellen kann, etwas bis sehr bürokratisch werden könnte. Vereine befürchteten also, ihre Veranstaltungen nicht mehr durchführen zu können und schlugen Alarm. Die Reaktion kam prompt noch vor Abschluss des Anhörungsverfahrens: In einer Pressemitteilung teilte der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt Andreas Geisel mit, dass der Müggelsee als Sportstätte erhalten bleibt. Und die erforderlichen Genehmigungen dürften laut Herrn Geisel vom Bezirksamt Treptow-Köpenick „bei einer landschafts- und naturverträglichen Durchführung der Veranstaltungen problemlos erteilt werden“. Weiter heißt es: „Ebenso wird ein Rückbau von Wassersportstegen am Großen Müggelsee und im Bereich „Die Bänke“ nicht generell angestrebt, sondern nur in seltenen Ausnahmefällen bei deutlich überwiegendem Naturschutzinteresse. ... Auch Tourismus und Naherholung am Müggelsee (Hotel Müggelsee, Event-Gelände Rübezahl, Stern- und Kreisschifffahrt … das Sitzen in vorhandenen Biergärten) sind weiter möglich wie bisher und erfahren ... keine Einschränkung.“

Alles also nur heiße September-Luft? Alles nur halb so Wildschwein? Die Praxis wird es zeigen. An der Reaktionen von Presse und Betroffenen merkt man v.a. die Befürchtung, dass Naturschutz über - ja, über was eigentlich gestellt werden soll? Über unser ganz persönliches Freizeitvergnügen? Wäre es wirklich so dramatisch, wenn keine Partyboote mehr auf dem Müggelsee fahren dürften? Muss man wirklich Gastronomie auf einem Hausboot anbieten, wenn rund um den Müggelsee ausreichend gastronomische Angebote gibt? Wassersportarten sind an den dafür ausgewiesenen Stellen weiterhin erlaubt, laut der Aussage von Herrn Geisel sogar ausdrücklich erwünscht. Und an der Uferpromenade in Friedrichshagen kann nach wie vor das Feierabendbier konsumiert werden.

Beliebte Ausflugsregionen wie der Müggelsee und Müggelberge leben vom Tourismus, leiden aber auch darunter, wenn es zu viel wird. Warum nicht bestimmte Gebiete davon unberührt lassen?

Und die Motorboote? Die dürfen sowieso weiter um die Wette fahren, denn: der Müggelsee ist eine Bundeswasserstraße und damit für die bestimmungsgemäße Nutzung freigegeben. Die Partypeople dürfen dann halt beim Motorboot fahren nicht so laut reden, damit wir hören können wie sich Moorfrosch und Großer Feuerfalter im naturnahen Trockenrasen leise „Gute Nacht“ sagen oder war es doch ein Flugzeug aus Schönefeld, das eben unser banges Ohr durchdrang? Es bleibt spannend im bodensauren Eichenwald.

Bis zum 16.9. kann hier noch eingesehen und ggfs. Widerspruch eingelegt werden, Bürgerbeteiligung ist erwünscht.

Foto: Matthias Vorbau


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