Es geht nicht ohne

Zu meinen guten Freunden zähle ich einen studierten Informatiker, den ich schon seit der Schulzeit kenne. Mit seiner dicken Brille, seinem eher unsportlichen Äußeren, seiner zurückhaltenden Art und seinem Kleidungsstil fern jeglicher Modetrends, dafür gespickt mit Anspielungen auf diverse Science-Fiction- Werke wie Star Wars und Star Trek, erfüllt er eindrucksvoll die gängigsten Klischees seiner Berufsgruppe.
Besonders auffällig ist seine scheinbar fehlende Sozialisation. Er selbst spricht oft davon, dass er andere Menschen generell zwar dulde (sehr nett von ihm, wie ich finde), ihn es aber auch nicht großartig kümmern würde, wenn er mal auf einer einsamen Insel landen sollte oder er eines Tages aufwacht und sich plötzlich in einer Geisterstadt wiederfände. Vorausgesetzt natürlich, sein High-End-Rechner samt Internetzugang funktioniert dann immer noch. Sobald er solche kühlen Gedanken äußert, fühle ich mich für einen kurzen Augenblick privilegiert, dieses licht-und menschenscheue Wesen studieren und an seinem Alltag teilhaben zu dürfen. Ähnlich muss sich die Gorillaforscherin Dian Fossey gefühlt haben, als sie endlich von den Silberrücken in der Gruppe akzeptiert wurde. Wenig später verfliegt die Faszination jedoch. Spätestens, wenn er wieder anfängt in pausenlosem Fachchinesisch über mögliche Sicherheitslücken auf meinen elektronischen Geräten zu philosophieren oder mir seine ausgeklügelten Prinzipien der ordentlichen Dateien-Benennung minutiös vorträgt. Als ich ihn einmal fragte, warum er in seinem Letzter- Mann-auf-der-Erde-Szenario überhaupt noch einen Internetanschluss bräuchte, wenn sonst niemand mehr da ist, der Leben ins Netz bringt, antwortete er sogar durchaus plausibel. Männer, die um das Jahr 1990 herum geboren wurden, haben in Deutschland laut Statistischem Bundesamt eine Lebenserwartung von rund 72 Jahren. Da er als Sportabstinenzler und chronisch übermüdeter Frischluftfeind einen nicht gerade lebensverlängernden Stil führe, rechne er persönlich mit 70 Jahren. Sollte die Welt morgen von sämtlichen Menschen getilgt werden, blieben ihm demnach noch 45 Jahre, die er zu füllen hätte. Allerdings müsse man davon einige Jahre abziehen, weil vor allem die medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet sei und ohne funktionierende Supermärkte und dergleichen auch die Nahrungsaufnahme beziehungsweise Lebensmittelvielfalt deutlich eingeschränkt würde. Alles in allem wären vielleicht 30 Jahre als letzter Mensch realistisch, wenn auch nicht wahrscheinlich. Von diesen 30 Jahren würde ein normaler Mensch rund ein Drittel schlicht verschlafen. Da mein Informatiker-Freund sich selbst ebenso wenig als normal ansieht, zieht er lediglich fünf Jahre ab.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich reagieren würde, wüsste ich, dass ich der letzte Mensch auf der Erde bin.
Weitere fünf Jahre gehen für die Essenszubereitung inklusive einer möglicherweise notwendigen Jagd auf Tiere in einer ohne Zivilisation wiedererstarkten Natur und die lästige Körperhygiene drauf. Damit kommen wir auf maximal 20 Jahre Netto-Lebenszeit. Und nun kommt der für ihn spannende Punkt: Zwei Forscher der University of Leicester haben im vergangenen Jahr grob ermittelt, wie viel DIN-A4-Blätter es bräuchte, um das gesamte Internet auszudrucken. Ihr Ergebnis: 136 Milliarden Seiten. Und seitdem sind es eine ganze Menge mehr geworden. Nimmt man diesen alten Stand, müsste er jährlich 6,8 Milliarden Seiten lesen, um am Ende alles gesehen zu haben – über 18 Millionen Seiten täglich! Selbst nach Abzug der Webseiten, deren Sprache er nicht versteht, gäb es mehr als genug Stoff, als dass es noch anderer Menschen bedürfe, die das Internet weiter füllen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich reagieren würde, wüsste ich, dass ich der letzte Mensch auf der Erde bin. Doch wahrscheinlich würde ich nach absehbarer Zeit wahnsinnig werden. Insofern verspüre ich ein Stück weit Bewunderung für meinen Freund, der völlig unbeeindruckt sein Ding durchziehen würde. Trotzdem fragte ich ihn, ob er denn in dieser gedachten Situation wirklich so rein gar nichts vermisst. „Doch, eigentlich schon“, antwortete er nach einigem Zögern, „meine Mutter und ihren Eintopf.“ Und das hat für mich etwas wahrlich Tröstliches: Selbst im Leben des größten PC-Freaks gibt es Platz für wenigstens eine Frau.

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