Spanische Wurzeln, kosmopolitische Blüte

Aurora Lacasa wurde in einem Krankenhaus mit einer außergewöhnlichen Adresse geboren: Es steht vis à vis der weltberühmten Kathedrale Notre Dame in Paris. Ihre Eltern arbeiteten in Spanien als Journalisten. Die Familie musste flüchten: von Spanien nach Frankreich, von Frankreich nach Ungarn und von Ungarn in die DDR. Seit 1956 ist Aurora Lacasa nun in Berlin/ Brandenburg verankert. Von 1974 bis 1995 lebte sie mit Frank Schöbel und den gemeinsamen Töchtern Dominique und Odette in Köpenick. Heute ist sie mit ihrem neuen Mann im Barnimer Land zu Hause.

Am 24. März wird die Sängerin, die mit Frank Schöbel und den gemeinsamen Kindern die beliebte Schallplatte „Weihnachten in Familie“ aufnahm, 70 Jahre. Der AMIGA-Tonträger gehört mit 2.1 Millionen verkauften Exemplaren (siebenfach Platin) zu den meistverkauften Tonträgern der DDR. Wir sprachen mit ihr über ihre spanischen Wurzeln, ihr Leben auf der Flucht, exotische Stullenbrote und ihre Zeit in Köpenick.

Jeder sieht, dass Du Spanierin bist. Was ist typisch spanisch an Dir? Ich glaube nicht, dass man es sieht. Aber typisch ist, dass ich spanisch spreche wie auch französisch, da ich die ersten vier Jahre meines Lebens in Paris verbracht habe. Typisch ist, wie ich koche, es ist eine Mischung aus diesen beiden Ländern. Was bedeutet Euer Familienname Lacasa? „La Casa“ ist das Haus – sinnbildlich – und es ist ein Name, der aus der spanischen Provinz Aragon kommt, der Heimat meines Vaters. Deine Eltern waren Spanier: Deine Mutter war Katalanin und dein Vater kam aus der Nachbarprovinz Aragon. Die Eltern flohen aus Spanien nach Frankreich, nach Paris, wo Dein Vater aktiv in der Resistance war. Was weißt Du noch über die Zeit Deiner Eltern im Untergrund? Mein Brüderchen und ich waren damals sehr klein und deshalb weiß ich nur vom Erzählen, was damals geschah. In dieser Zeit, die man auch den „Kalten Krieg“ nannte, verfolgte die französische Polizei erneut die spanischen Kommunisten, wenngleich sie alle am Kampf um die Befreiung Frankreichs in der Resistance teilgenommen hatten. Deshalb musste mein Vater unsere Wohnung verlassen, um eine Zeitlang in der Illegalität zu leben. Mama war sehr bedacht darauf, dass wir nichts von den ständigen Durchsuchungen und Vernehmungen durch die französische Geheimpolizei mitbekamen. Selbst die seltenen Besuche meines Vaters blieben vor uns verborgen, denn oft wurden wir Kinder auch gefragt, ob denn der Papa da sei. Diese Zeit war für meine Mama eine sehr schwierige Zeit, voller Entbehrungen. 1951 warst Du gerade vier Jahre alt, als die Familie Paris verließ und nach Budapest ging. Du wurdest zum Flüchtlingskind. Warum Ungarn? Ende 1950 wurde der ständige Sitz des Weltbundes der Jugend (WBDJ) in Paris von der französischen Regierung aus Frankreich verbannt. Der WBDJ nahm seinen Sitz in Budapest, Ungarn, und mein Vater als Vertreter der spanischen Jugend nahm seine Arbeit in Budapest wieder auf. Kurze Zeit später flog auch meine Mama mit meinem Bruder Ernesto und mir nach Budapest, wo die Familie wieder vereint und vorerst in Frieden leben konnte. Was hast Du außer der ungarischen Sprache in Ungarn gelernt, was Du in keinem anderen Land gelernt hättest? Da Kinder bekanntlich sehr schnell lernen, war das bei uns auch so. Wir wurden eingeschult und ich ging zum Klavierunterricht. Doch meistens spielte meine Lehrerin und ich durfte dazu tanzen. Und: In keinem anderen Land hätte ich so leckere „Mohn-Nudeln“ gegessen. Das ist eine Spezialität, die es auch statt mit Mohn mit geriebenen Walnüssen gibt. Lecker, aber viele, viele Kalorien! Du bist in Budapest zur Schule gegangen. Woran erinnerst Du Dich noch genau? Ich erinnere mich an Schulbänke, die man hochklappen musste und in der ich meine Schiefertafel, Hefte und die tollsten Buntstifte der Welt (die mir mein Papa aus Berlin von einer Dienstreise mitgebracht hatte) verstaute. Und in den Pausen hatte ich in einer Stullenbüchse aus Metall die leckersten Weißbrotstullen mit ungarischer Salami und einer frischen Paprikaschote darauf. Wie haben Dich Deine Eltern erzogen? Da meine Eltern selbst nie eine unbeschwerte Kindheit und Jugend hatten, hatten sie manchmal schon einige Schwierigkeiten, wenn ich tanzen oder zu einer kleinen Fete gehen wollte. Aber ich hatte wunderbare und sehr liebevolle Eltern, von denen ich mich immer sehr geliebt gefühlt habe. Und ich glaube, das ist das Wichtigste! Worüber habt Ihr gelacht? Gelacht haben wir vor allem über meinen jüngeren Bruder, Ernesto. Er konnte gut imitieren, Witze genial erzählen, was er bis heute noch kann. Oder wenn meine Mama „Ernesto“ rief. Dann kamen entweder beide, mein Papa und mein Bruder, oder keiner von beiden, denn beide hießen Ernesto. 1956 musstet ihr erneut fliehen und diesmal aus Ungarn in die DDR. Der Aufstand in Ungarn brachte viele unklare und auch gefährliche Situationen, vor allem für Ausländer. So wurde der WBDJ zeitweise nach Berlin verlegt und mit ihm die Mitglieder und ihre Familien. Die erste Station war in Ziegenhals bei Königs Wusterhausen. Als dann der WBDJ wieder zurück nach Budapest sollte, entschieden sich meine Eltern dafür, in der DDR zu bleiben. Was war spanisch in Deiner Zeit in der DDR? Zu Hause sprachen wir französisch oder spanisch. Auf der Straße sprachen wir mit unseren Freunden und in der Schule natürlich deutsch. Unsere Eltern vermittelten uns immer, mit der Kultur und Lebensart des jeweiligen Landes respektvoll umzugehen. Dazu gehörte zuallererst, die Sprache des jeweiligen Landes zu erlernen. Wie kam es, dass Du in Köpenick sesshaft geworden seid? Ich lernte 1974 Frank kennen, der zu dieser Zeit schon länger in Köpenick wohnte. Ich sollte ihn auf einer Tournee nach Kuba begleiten und das Konzert zugleich auf spanisch moderieren. Ich lernte ihn lieben und zog zu ihm nach Köpenick. Dort sind auch unsere Töchter in den Kindergarten und in die Schule gegangen. Für mich ist Köpenick nach wie vor einer der schönsten Bezirke Berlins. Aurora, Du bist ein absoluter Familienmensch, Du hast Dich sehr um Deine beiden aufwachsenden Mädchen gekümmert, später hast Du Deine Eltern bis zu deren Tod aufopferungsvoll gepflegt. Dominique und Odette sind lange erwachsen, sie leben in Eurer Nähe. Ist das heute wichtig für Dich? Ich denke, die meisten Mütter kümmern sich um ihre Kinder und das habe ich eben auch getan. Meine Eltern waren immer für mich da und so war es für mich eine Herzenssache, für sie in schweren Stunden da zu sein. Meine Töchter sind zwei wundervolle Menschen, die ihren Weg gehen, Dominique als Sängerin und Odette als Bühnen- und Kostümbildnerin. Ihre Nähe ist mir sehr wichtig und wir genießen jeden Moment miteinander. Du bist eine Naturliebhaberin. Wie hast Du es mehr als zwanzig Jahre in der Stadt ausgehalten? Köpenick ist ein sehr grüner Stadtbezirk, mit der Wuhlheide, dem Köpenicker Forst. Wir haben im Allende- und Märchenviertel gewohnt. Wenn man jünger ist, sucht man nicht so die Ruhe, sondern mehr das pulsierende Leben der Stadt. Heute liebe ich die Stille und den Zauber der Natur, den Garten, die dörfliche Ruhe und das entschleunigte Leben auf dem Lande. Wann warst Du zum letzten Mal in Köpenick? Das war Anfang diesen Jahres. Ich besuchte, gemeinsam mit meiner Freundin Barbara Thalheim, mit der ich seit mehr als 50 Jahren befreundet bin, einen guten Freund, Dr. Michael Greulich. Hast Du jemals das Gefühl gehabt, ein Flüchtling zu sein? Nein, niemals. Wer oder was hat Dir dieses Gefühl gegeben? Alle um mich herum! Wenn man die Gepflogenheiten eines Landes akzeptiert, wird man als „Ausländer“ auch kein Problem bekommen. Ich finde, dass eine bunte Welt der Kulturen nur ein Vorteil für jedes Land sein kann. Was würdest Du gern sofort an unserer Welt ändern, wenn Du es könntest? Ich würde Konzerne in die Pflicht nehmen, Steuern zu zahlen wie wir alle es müssen. Keine Kinderarbeit, und Frauen sollten den gleichen Lohn bekommen wie Männer. Reichtum sollte gerechter verteilen werden, ohne Gleichmacherei. Ein bedingungsloses Grundeinkommen fände ich gut, um das Leben zu entschleunigen, das würde ich unterstützen, damit der Mensch menschenwürdiger und ohne Angst leben kann. Der Mensch sollte arbeiten, um zu leben und nicht leben, um zu arbeiten! Wir wünschen Dir einen schönen Geburtstag!

holob titel gestaltung illustration Editorial

Hundert Jahre Maulbeerblatt

Zur besseren Orientierung steht an dieser Stelle ausnahmsweise mal nicht nur Vollquatsch geschrieben, sondern im Wesentlichen eine Art auszugsweiser Ausblick...

Zeitreisen

Heinrich Trull auf Feindfahrt

Heinrich Trull selbst sprach später weder gegenüber seiner Familie noch Freunden über seine Tagebücher, die in jenen Jahren entstanden waren...

Maulbeertipp

Bald nun ist Valentinstag

Doch leider ist Valentin nur der fiese, kleine Bruder vom Weihnachtsmann. Er weckt Erwartungen, die so hoch sind, dass sie...