Von Morallöchern und Arschaposteln

MBB92_Alf Es war einmal ein Planet, auf dem lebten genau zwei Arten von Lebewesen: Arschlöcher und Moralapostel. Arschlöcher sahen ihre Lebensaufgabe darin, zu gewinnen. Jeder für sich, alle gegen alle. Moralapostel hatten immer auch das Glück der anderen im Sinn und erwarteten dasselbe vom Rest der Welt. Ergo waren Arschlöcher für sie einfach nur unangenehme Individuen, denen man lieber aus dem Weg ging. Die Arschlöcher hingegen verzichteten gern auf die Gesellschaft dieser langweiligen Nörgler und trafen sich lieber mit Gleichgesinnten zum ausgelassenen Kräftemessen. Für die Moralapostel war die Sache klar: Wir alle teilen uns diesen Planeten und müssen irgendwie mit einander auskommen. Das geht nur mit klaren Regeln, die auf Rücksicht und Mitgefühl basieren. Wer sich darüber hinwegsetzt, ist eine Gefahr für jede Gemeinschaft. Doch die Arschlöcher kritisierten, dass diese Regeln vor allem die Interessen der Moralapostel vertraten. Eine bessere Welt verdient diesen Namen nur, wenn sie auch die Ansprüche der Arschlöcher berücksichtigt. Sie sahen sich nämlich durchaus als nützliche Triebfeder des Fortschritts. Denn ohne Leistungsdruck keine Leistung. Zu viele Regeln erzeugen Mittelmaß und Stagnation. Kurz: Die Arschlöcher wünschten sich eine Welt ohne Moralapostel und umgekehrt. Ständig kam es zu Konflikten, doch keine Seite konnte die andere wirklich besiegen. Zwar war jedes Arschloch dreimal stärker als ein Moralapostel. Doch Letztere konnten sich besser koordinieren und so als starke Gemeinschaft punkten. Irgendwann kam einer auf die glorreiche Idee, den Planeten in zwei gleich große Länder aufzuteilen. Das ist natürlich ein Riesenaufwand und scheint nicht wirklich durchführbar. Doch sie haben es tatsächlich durchgezogen. Denn mit der Aussicht auf ein Leben unter ihresgleichen nahmen viele die Strapazen gern in Kauf. Eigentlich hätte jetzt alles ganz einfach funktionieren sollen. Die Arschlöcher müssen sich nicht mehr an nervige Vorschriften halten, es gilt das Recht des Stärkeren. Und die Moralapostel müssen ihre Regeln nicht mehr vehement durchsetzen, weil sich eh jeder vonganzem Herzen daran hält. Doch leider wurde keine der beiden Seiten auf Dauer glücklich damit. Die Arschlöcher mussten feststellen, dass selbst die größten von ihnen nicht ausschließlich von Arschlöchern umgeben sein wollen. Jeder durchlebt mal Phasen, wo er müde, krank und schwach ist. Und dann ist es sehr deprimierend, wenn alle nur darauf warten, dich aus dem Rennen zu schubsen. Die Moralapostel dagegen litten an einer gewissen Farblosigkeit ihrer perfekten Welt. Und manch einer wünschte sich insgeheim, dass mal wieder jemand ausbricht und verrückte Dinge tut, über die dann alle reden. Und es gab noch etwas: Während das Leben im kleinen Rahmen tadellos funktionierte, gingen die Vorstellungen bezüglich der globalen Zukunft weit auseinander. Plötzlich war sehr oft gar nicht mehr so einfach zu bestimmen, was „für alle“ gut ist. Und die gewählten Obermoralapostel schauten mit einer gewissen Portion Neid auf die Arschloch-Welt, in der „richtig“ und „falsch“ so einfach, natürlich und klar auf der Hand lagen. Für ein Arschloch ist richtig, was ihm selber nützt. Im besten Fall nützt er damit auch der Gemeinschaft, weil durch die harte Konkurrenz jeder zu Höchstleistungen angestachelt wird. Und: Macht ein Arschloch einen fatalen Fehler, ist nur er selbst der Leidtragende. Trifft ein Moralapostel eine falsche Entscheidung, schadet er ALLEN! Also dauerte es nicht lange, bis sich Moralapostel und Arschlöcher wieder genüsslich auf den Planeten verteilten, um sich gegenseitig auf die Ketten zu gehen. Denn man darf eines nicht vergessen: Nicht alle Arschlöcher waren stark, und nicht alle Moralapostelschwach. Und nur in einer gemischten Gesellschaft waren die schwachen Arschlöcher nicht automatisch die Verlierer, da sie wenigstens die Moralapostel übertrumpfen konnten, die ja durch ihr selbst auferlegtes Mitgefühl immer ein wenig im Nachteil waren. Und nur in einer zumindest ansatzweise arschlochkompatiblen Gesellschaft waren die starken Moralapostel nicht ausschließlich in der Geberrolle. Die ultimativen Gewinner des neu organisierten Zusammenlebens war am Ende eine kleine Gruppe schwacher Arschlöcher, die sich als Moralapostel verkleidet hatten.


Warning: Trying to access array offset on value of type bool in /mnt/web123/e2/58/51482358/htdocs/maulbeerblatt/wp-content/themes/porto/inc/functions/post.php on line 296

Warning: Trying to access array offset on value of type bool in /mnt/web123/e2/58/51482358/htdocs/maulbeerblatt/wp-content/themes/porto/inc/functions/post.php on line 298

Warning: Trying to access array offset on value of type bool in /mnt/web123/e2/58/51482358/htdocs/maulbeerblatt/wp-content/themes/porto/inc/functions/post.php on line 299

Warning: Trying to access array offset on value of type bool in /mnt/web123/e2/58/51482358/htdocs/maulbeerblatt/wp-content/themes/porto/inc/functions/post.php on line 296

Warning: Trying to access array offset on value of type bool in /mnt/web123/e2/58/51482358/htdocs/maulbeerblatt/wp-content/themes/porto/inc/functions/post.php on line 298

Warning: Trying to access array offset on value of type bool in /mnt/web123/e2/58/51482358/htdocs/maulbeerblatt/wp-content/themes/porto/inc/functions/post.php on line 299
Schachecke

Dauerregen!

„Wie ungerecht ist das Leben. Erst freut man sich auf Ferien und dann regnet es unaufhörlich.“ So oder so ähnlich...

Zeitreisen

Nur Fliegen ist schöner

Im Jahr 1919 wurde Beate als drittes Kind des Landwirts Otto Köstlin auf Gut Wargenau in Ostpreußen geboren. Bereits ihre...

Unterwegs

Die Spree – Ein Flussreport

Nichts liegt näher als für den Auftakt einer Reihe von Flussportraits in einem Friedrichshagener Heftchen die Spree näher vorzustellen. Jeder...