… die Phoenix kriegt was erzählt: von Anja Schulze

anja Persönliche Gespräche im Südosten Berlins Teil V: Anja Schulze, Fotografin 1. Was ist für sie typisch Friedrichshagen? Manchmal denk ich, kein Bewohner Berlins liebt seinen Ort so sehr wie die Friedrichshagener. Da ist einfach dieser liebenswerte Patriotismus – jeder scheint einfach nur verliebt in seinen Wohnort hier. 2. Was lesen sie gerade vor dem Schlafengehen? ‚Krieger des Lichts’ von Paolo Coelho. Leider komme ich nicht so oft zum Lesen. Entweder ist noch was am Laptop zu tun oder ich komme so spät nach Hause, dass ich nur noch ins Bett falle. 3. Von den materiellen Dingen, die sie besitzen - auf was könnten sie sofort verzichten? Auf ganz vieles… Das kommt dann aber auch immer auf die Situation an – im Urlaub, zum Beispiel, könnte ich sofort auf mein Telefon verzichten. Ansonsten auf meine Fernseher. Auf mein Radio nicht – das läuft bei mir ständig im Hintergrund. 4. Welchen Gegenstand würden sie auf jeden Fall aus ihrem brennenden Haus retten? In der Situation dann macht man wahrscheinlich sowieso was anderes… Na gut, ich habe ja nur zwei Hände – also in die eine Hand würde ich Fotoalben von Urlauben und früheren Jahren nehmen, die sonst einfach völlig weg wären. In die andere Hand - meinen schwarzen Plüschpanther Panthi. 5. Einsame Insel. Wen nehmen sie auf gar keinen Fall mit? Da fällt mir wirklich niemand ein, der so abscheulich wäre. Ich glaube, wenn man sich die Zeit nimmt und jemanden nicht zu schnell in eine Schublade packt, dann kann man mit allen gut auskommen. Zumindest für eine gewisse Zeit. 6. Was tun sie um wieder ‚aufzutanken’? Sonne tanken. Allein mit einem Buch, mit einem Kaffee oder mit Freunden. Hauptsache Sonne. 7. Zeitmaschine. In welche Zukunft oder Vergangenheit reisen sie und wen wollen sie dort treffen? Die 20er Jahre mit der typischen Kleidung und den edlen langen Zigarettenspitzen faszinieren mich sehr. Treffen würde ich gern Romy Schneider aber eher später in ihrem Leben. Ich finde sie war eine der schönsten und spannendsten Frauen der Filmgeschichte. 8. Welches Lied könnten sie immer wieder hören und mitsingen? Es fällt mir wirklich schwer mich für eines zu entscheiden. Es gibt da einfach ein paar Meisterwerke - z.B. Michael Jackson ‚The Lost Children’, Oliver Cheathams „Saturday night“. Auch Sade ist eine meiner absoluten Lieblingsmusikerinnen. 9. Was war ihr Lieblingsessen als Kind? Kartoffeln, Rotkohl und Hähnchenkeule. Generell hat immer meine Mutter gekocht. Wenn aber was Besonderes war, wie Weihnachten oder Ostern, hat mein Vater gekocht. Das war dann auch leckerer. Wahrscheinlich war da einfach weniger Routine drin als bei meiner Mutter, die ja jeden Tag kochen musste. 10. Woran glauben sie? Ich bin nicht religiös. Wert hat, wenn man liebt. Das ist auch das Einzige was wirklich glücklich macht. Egal ob das dein Partner, deine Kinder oder andere Menschen sind. Ich glaube, das ist auch das Einzige, was einen Menschen positiv verändern kann. 11. Was bringt sie zum Lachen? Sarkasmus – mein eigener und der von anderen. 12. Beschreiben sie sich mit nur einem Wort. Leise. Das sagen andere. Es fällt mir schwer, was preiszugeben von mir. 13. Haben sie ein Mantra? Der Weg ist das Ziel. Wenn ein Ziel erreicht ist, ist es vorbei. Wie man dahin gekommen ist, ist viel entscheidender – das ist beim Kennenlernen von Menschen so, bei persönlichen Zielen, aber auch im Job. 14. Was möchten sie in den nächsten 10 Jahren erreichen? Glücklich sein. Morgens aufstehen und mich auf jeden Tag freuen und abends ins Bett gehen und das Gefühl haben, das alles so ist, wie es sein soll. 15. Von all ihren schlechten Angewohnheiten – was ist ihre liebste? Ungeduld – weil ich dann sofort was anpacke. 16. Wen bewundern sie am meisten? Menschen, die komplett ausgeglichen sind (oder zumindest scheinen), egal was drum herum passiert. Solche, die sich nicht ständig Gedanken darüber machen, was sie erreicht haben, was sie besitzen, wer sie sind… Ich glaube so ein Urvertrauen bekommt man nur in der Kindheit. Wenn man ständig alles hinterfragt und sich selbst ständig in Zweifel zieht, beeinflusst das auch alles andere. 17. Was treibt sie an? Mir ist Anerkennung wichtiger als Geld. Für mich zählen auch ästhetische und interessante Projekte mehr, als solche die finanziell vielleicht lohnender wären. Wir sitzen im Garten hinter ihrem Atelier. Um uns herum zwitschern die Vögel so laut, dass ich Sorge habe, Anjas Stimme auf dem Band später nicht mehr zu verstehen. Sie ist eine dieser angenehmen Personen, die wenig und leise reden, die aber mit allem, was sie aussprechen, auch was zu sagen haben. Die Sorge hätte ich mir sparen können – ihre Stimme kommt auf dem Band genauso eindeutig und klar rüber, wie ihre Aussagen im persönlichen Gespräch. Und wieder habe ich das Glück, einem Menschen gegenüber zu sitzen, der nicht nur in seinen Wohnort verliebt ist, sondern auch in das was er jeden Tag tut. In Anjas Fall – die Fotografie. Auch hier scheint alles ganz eindeutig und klar zu laufen. Direkt nach der Ausbildung zur Fotografin eröffnet sie 2005 ihr Atelier in der Bölschestrasse und baut sich Schritt für Schritt über die Jahre ihren Kundenstamm auf. ‚Ich hatte gar nicht so viel Angst dabei. Ich habe mir einfach gedacht, das wird schon gehen.’ Unterstützung von der Familie gab es schon, aber in ‚geregelten Bahnen’. Ihre Eltern sind mit der Berufswahl zwar einverstanden, aber den Schritt in die Selbstständigkeit finden sie doch zu unsicher. ‚Finanziell habe ich mich nur auf mich allein verlassen und habe penibel darauf geachtet, keine Schulden zu machen. Wenn ich was verdient habe, gab es halt eine neue Lampe oder etwas für die Einrichtung des Ladens. Sonst nicht. Ich glaube, viele haben einfach zu viel Respekt vor dem wirtschaftlichen Aspekt der Selbstständigkeit. So schwierig ist das gar nicht.’ Für Anja Schulze ist Fotografie etwas sehr persönliches. Daher ist es ihr auch wichtig, dabei ‚in die eigene und nicht die fremde Tasche zu wirtschaften’. Das Einzige was sie unterschätzt hat ist, dass die Freiheit der Selbstständigkeit auch die Ungewissheit des Verdienstes mit sich bringt. Es gibt eben keinen geregelten 8-Stunden Tag und in schlechten Zeiten gibt es viel Arbeit und trotzdem wenig Geld. Das muss man aushalten lernen. Woran sie sich nicht gewöhnen kann und nun nicht mehr braucht, ist der Arbeitsanfang um 6 Uhr früh. Als Selbstständige genießt Anja auch die Freiheit von 11 bis in die Nachtarbeit zu kreieren. Ihre Hauptauftraggeber sind Firmen und Kitas. Auch bei wiederkehrenden Events (wie dem Friedrichshagener Dichter.dran Fest im September) ist sie die offizielle Frau mit der Kamera. Laufkundschaft gibt es im Atelier weniger, außer um die Weihnachtszeit herum. Interessant bei ihrer Arbeit findet sie vor allem Sänger und Schauspieler vor ihrer Kamera zu haben – Menschen eben, die den Auftritt gewohnt sind und sich entsprechend bewegen. Auch generell sind ihr ‚Menschen lieber als Eierbecher. Das Kreative kommt beim Mensch vor der Kamera’. Ein Bild braucht Zeit, die man sich nehmen muss. Irgendwann kommt dann das Bild. Schwieriger ist es, Freunde und Familie zu fotografieren. ‚Ich habe das Gefühl die kennen mich, und sind gehemmter. Vielleicht ist das ja auch gar nicht so. Ich würde mich eigentlich auch lieber von jemandem fotografieren lassen, der mich nicht kennt.’ Bei Kindern mag sie am liebsten das Fotografieren ohne Eltern – die Kinder sind dann einfach entspannter. Ein wenig erschreckt es sie schon, wenn sie ihre Runde durch die Kitas von Friedrichshagen macht und Mädchen im Alter zwischen 4 und 6 sich schon ganz bewusst in Pose setzen und da etwas nachahmen, was sie all ihre Natürlichkeit und Spontaneität verlieren lässt. Den jungen Frauen, die sich in Modezeitschriften ihre Vorbilder suchen, möchte sie immer wieder versichern, dass auf diesen Fotos nichts echt ist. Sie selbst hat als junges Mädchen bereits im Kinderzimmer mit Laken und Kerze ihre ersten Fotoaufnahmen gemacht. Dabei war damals wie heute klar, dass sie sich hinter der Kamera wohler fühlt als davor. ‚Bei meinem Lieblingsfoto von mir habe ich die Kamera vor dem Gesicht.’ Anja Schulze scheint genau diese in sich ruhende Gelassenheit zu haben, die sie bei anderen bewundert. Alles scheint schon so zu sein, wie es sein sollte. Naja, gesünder zu leben, nimmt sie sich immer wieder mal vor – drei geregelte Mahlzeiten am Tag, weniger Kaffee und Zigaretten, nicht immer bis spät nachts arbeiten. ‚Man schiebt die Freizeit ja immer so vor sich her, dass wenn sie dann mal da ist, man mir ihr nur schwer, was anzufangen weiß.’ Aber diese persönlichen Verbesserungsvisionen tragen wir ja alle mit uns herum. Gibt es sonst noch Pläne und Wünsche? Es wäre natürlich schön, nicht mehr Miete zahlen zu müssen, sondern Eigentümerin des Ateliers zu sein. Und größer dürfte es natürlich auch sein das Atelier. Und sonst? Friedrichshagen soll es auf jeden Fall bleiben. ‚Wenn schon Deutschland, dann Friedrichshagen.’

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