Auf zum Kreuz des Südens

Zu Besuch in Brandenburgs Tropical Island
Osterferien im Schnee, zweihundert Jahre Winter. Genug ist genug! Ich brauch Meer, ich brauch Sonne, ich brauch Strand, ich brauch Volleyball spielende Nixen mit oben ohne, nur zum Anglotzen, der fachkundige Leser weiß, wovon ich reden tu …
Der ehemalige Zeppelinhangar in Brandenburg
Foto: Marcin via Adobe Stock
Frau und Kinder wollen auch mal raus. Mallorca ist weit und teuer, der Müggelsee zu kalt und zu gefährlich, da bleibt nur eins: mein Tropical Island, Perle der Südsee, Oase im Brandenburger Oedland. So oder ähnlich steht es vielleicht im Baedicker. Ganz freudig erregt von der spontanen Idee werfe ich Buddelzeug, Strandhaubitze und Sonnenhut in den Kofferraum, Bob Marley und Peter Tosh in den CD- Player. Jetzt geht’s los.
Draußen sind‘s noch minus 5°. Macht nichts. Die Heizung auf 10, so kann man schon die Fahrt in Badehose und Hawaihemd bestreiten … Oder doch besser die Spendierhosen? Etwa 35 km Autobahn, vorbei an BER und SXF. Ja, fast vergessen, danke für die tolle Insel, Herr Manfred Stolpe, Cargolifter ist ja auch so eine Investment-Pleite. Ein Name, der, fast vergessen, beide Projekte verbindet. Schuld ist wieder mal die CDU. Typisch. Blinker rechts, nächste Ausfahrt Staakow, Landkreis Bermudadreieck. Nicht mehr weit und sie erhebt sich des Brandenburger Waldes wie Phönix aus der Asche. Je näher man kommt, umso deutlicher werden die Dimensionen. Hier hat der Führer also die Kuppelhalle vom Speer bauen lassen. 107 Meter hoch ist das Vieh. Soundso viele Fußballfelder hoch mal breit mal tief. Vom Parkplatz sind es nur noch 5 km zu Fuß. Die Kfz-Zeichen zeigen: Aus der ganzen Welt fährt man nach Brandenburg Süd. Vor dem Eingang stehen sie auch schon in großer Zahl, Hamburger, Schwaben, Frankfurter von Main und Oder. Viele führen stylish den obligaten Rollkoffer, da ist sogar die Rheinische Grillfraktion mit komplettem Equipment und dem Brutzeler. Ob das wohl erlaubt ist? Ob schon einer auf die Idee kam, im Camper vorzufahren? Eine freundliche Dame teilt die Schlange an den Kassen, man bekommt einen Chip zum Bezahlen, abgerechnet wird am Ausgang. Soviel Kredit gibt’s jedenfalls nicht bei der Volksbank. Und auch nicht beim Spätverkauf meines Vertrauens. Wir haben die Garderobenschränke 8915-20. Fühlt sich voll an, jedoch bei einigen Millionen Kubikmetern bleibt wohl genug Luft zum Atmen. Das Überflüssige im Schrank, das Nötigste im Sack geht’s auf Entdeckungsreise. Drei Flamingos, ein Pfau, ein Becken mit Karpfen, reichlich vergilbte Palmen sollen hier wohl den Eindruck von Tropen erwecken. Wir folgen dem Pfad zur Lagune, der reichlich enttäuschende Strand ist voll, so voll, dass man beim Laufen auf anderer Leute Körperteile treten muss.
Nixen sehe ich keine, aber reichlich hartleibige mit C-Klasse-Tattoos auf weißer Haut.
Weiter geht’s zum Südseeparadies, auch hier kein Millimeter Platz zum Niederlassen. Auf jeder Liege ein Handtuch, wenigstens das scheint wie in Mallorca. Nach 90 min. Suche finden wir endlich zwei freie Plätze in einem der zahlreichen SBRestaurants. Nochmal 90 min. Anstehen für eine Tasse Bohnenkaffee. Alles auf den Chip. Jetzt die Kinder suchen. Die sind schon im Wasser. Schwimmen können sie ja beide und untergehen bestimmt nicht. In den badewannengroßen Becken sind mehr Menschen als Wasser. Beruhigend: Bei Inkontinenz steigt der Wasserspiegel. Angebote gibt‘s reichlich. Die „tolle Atmosphäre“ ist inklusive, Sauna, Spa und Fitness kosten extra. Jetzt mal Mittachbrot. An einem der Buffets were ich fündig, bediene mich an Frühlingsrolle, häufe Reis und halbgares Gemüse auf den Teller. Das Bezahlsystem erschließt sich mir nicht und bevor der Fraß Eiszapfen bekommt, pirsche ich mich aus dem Gefahrenbereich. Hab ich‘s ihm gegeben, dem alten Beutelschneider, Humanoidos Kleptomanis, auf Deutsch gesagt. Und mit aller Sorgfalt hüten wir unseren Sitzplatz, es lauern zu viele, die scharf drauf wären. Den Kindern macht´s nichts aus, was tut man nicht alles für die lieben Kleinen. Die tummeln sich, erobern sorgenfrei den Rutschenturm und das Spieleland Tropino. Auch hier gilt: Was ein wenig Freude macht, ist inklusive, was ein wenig mehr Freude macht, kostet extra. Es geht gegen Abend, der Dom leert sich, da bekommen wir einen Flecken Sandstrand zum Fünfe-grade-sein-Lassen, aber nach kurzer Zeit fröstelt es einen auf dem mäßig durch Strandsand bedeckten Winterboden. Auch hier hat man gespart, eine Fußbodenheizung gibt es nicht. Eng kalkuliert und doch zu teuer. Wie üblich in Brandenburg. Wenigstens haben wir jetzt einen Platz mit Übersicht und Dauerhaftigkeit und können auf Streifzug durchs Eiland pirschen. Meine Herzdame verzehrt eine Caipi an der Raucherbar, irgendwo im Himmel der Kuppel. Mit steigendem Pegel steigt auch die Stimmung.
Suff ist eben wie die Zeit, heilt alle Wunden.
Gegen Acht finden wir eine freie Bank. Jetzt wird‘s gemütlich, fast romantisch. Abenddämmern, das letzte bisschen Tageslicht entschwindet über der Halle blickgeschütz am Horizont und ich hol mir noch ein Bier auf Kosten des Hauses. Gegen 10 verlassen wir die Insel mit gemischten Gefühlen, löhnen 155 Euronen für einen Mix aus ‘nem bisschen Zoo, Rummel und Schwimmbad und schwer verdaulichem Analogfood aus dem Kühlregal. Ich bin am Ende, aber eigentlich noch gar nicht fertig mit Tropical Island. Es gäbe noch so viel zu lästern. An einem anderen Tag am Stammtisch offenbaren die Freunde, sie wären auch schon dagewesen und auch nur mäßig begeistert. Darin sind wir uns einig. Bleibt nur eine Frage, rein theoretisch: Wenn man den Stöpsel zieht, ob Tropical Island rechtrum oder linksrum im Abfluss verschwindet?

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