Broken Glass

Kiezspaziergang durch Spindlersfeld
Auf der Suche nach Köpenicker Spektakularitäten raste ich bei einer Schale heißer chilischarfer Thai-Suppe in der Suppenbar meines Freundes Langelüttich am Rathenauplatz im schönen Weide. Aus einer Plauderei beginnt er eine Erzählung über den Großvater, der bis zum Eintreffen der Russen im April 1945 Generaldirektor der Spindlerschen Wäschereibetriebe war, deren Gründer, Wilhelm Spindler seiner, namensgebend Pate stand für den Ortsteil, der einst – städtlich besiegelt – als Köpenicker Feldmark im Verband der Gemeinden verbleiben sollte.
Ich haste den Drahtesel peitschend über den Kaisersteg nach Treptow und weiter die Oberspreestraße nach Spinne, um dort das soeben akustisch Erfahrene in Visuelles zu wandeln. Zuerst nehme im die Spindlersche Villa in Augenschein, nichts mahnt in der un- und mittelbaren Umgebung des holzverkleideten Gebäudes an den Orts- und Firmengründer, geschweige denn an den Großvater, dessen Witwe als Großmutter LaLüs noch bis zum Ende Honecker- Deutschlands hier residierte. Ein neues Namensschild ziert den Briefkasten. Nach einem Exkurs ans villenbebaute und damit beeindruckende Spreeufer am Auslauf der Ernst-Grube- Straße gehe ich auf Spurensuche in die Ottomar- Geschke-Straße. Grauenerregend starrt mich die Vergangenheit aus den zerschlagenen Fenstern des roten Klinkerbaus des einstigen VEB Rewatex an, ehemals größter Wäschereibetrieb Europas. Einst voll regen Verkehrs, täuscht die Bald-Ruine eine Stille vor, die Unheimliches ahnen lässt. Tagträumend zucke ich von einem Fingerstreich getroffen zusammen. Hinter mir vernehme ich eine Männerstimme. Das Szenario sei beeindruckend, sagt sie, die einem unrasiertem Mann mittleren Alters gehört. Dieser eine Flasche äußert preiswerten Schnapses bei sich führende Herr unterbreitet mir Schlücke anbietend den Vorschlag, hier mal zur Geisterstunde aufzutauchen. Der olle Wilhelm – so nennt mein neuer Freund den alten Spindler und berichtet mir, nachdem wir uns bei reichlich Molle mit Otto in seiner Stammkneipe, die nun wieder, nach mehreren traditionsgemäßen Namensänderungen, Zur Tankstelle heißt, niedergelassen haben – wäre zu seinen Lebzeiten ein feiner Kerl gewesen, jetzt sei er aber sauer, den Köpenicker Obrigen wolle er es für ihre Nichtwürdigung heimzahlen, schließlich hätte er, der Unternehmer, sich mehr für seine Arbeiter eingesetzt, als es selbst linke Politiker täten, hätte ordentliche Wohnungen bauen lassen, deren Vielfalt noch heute das Stadtbild mitprägt, ein Stadion gestiftet, einen Ruderverein gegründet und die Bleiverglasung fürs Köpenicker Rathaus bezahlt. Leider wäre ein für Rache zweckdienlicher Pakt mit dem Leibhaftigen in Krisenzeiten terminlich nicht zu realisieren, da gäbe es Wartenummern, und so warte des Wilhelm Spindlers untoter Geist auf eine eigene Gelegenheit. Vom WC der Kneipe zurückkehrend gähnt mich vom Platz, an dem mein finsterer Begleiter saß, entspannte Leere an. Die Wirtin ruft mir zu, Willy hätte alles bezahlt, bevor er ging. Ich verlasse vorerst Spindlersfeld mit einem kalten Schauer im Nacken und in Vorfreude auf eine neue Suppenüberraschung bei meinem suppenkaspernden spindlersfeldophilem Freund Langelüttich, mit dem das Erfahrene auszutauschen ich vor Aufregung brenne, bevor sein Chili Feuer in mir entfacht.

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