Der Potsdamer Platz

Meteoritenschauer bitte hierher! Seit Monaten kein Tageslicht, die Temperaturen nur Mikrograde über dem Gefrierpunkt. Ein nadelfeiner Nieselregen macht ein Leben im Freien zum Kampf ums Überleben. Der eisige Nachtwind weht Papierfetzen, leere Kaffeebecher und anderen Unrat über leere Straßen. Ein U- Bahnhof klafft wie ein riesiger Höllenschlund aus dem Erdreich, würde ihm ein Werwolf entspringen, ich wäre nicht verwundert. Die Erde nach dem Menschen? Nein. Das ist die Neue Mitte Berlins, der Potsdamer Platz. Wer heute von der nicht allzu malerischen Leipziger Straße in den Westen will, der verlässt Berlin für einen kurzen Alptraum, um in der Potsdamer Straße musisch von Philharmie und Nationalgallerie wachgeküsst zu werden. Dornröschen hatte wenigstens den Prinzen. By the way, die Grimms wohnten auch gleich hier ums Eck und der Tiergarten im Norden des Potsdamer Platzes gewährte ihnen Muße und Inspiration. Von Westen kommend empfängt uns der eiserne Gustav Hartmann, als Schutzpatron aller Taxifahrer sah einst stolz nach Westen, wandte jedoch im Laufe der Jahre seinen Blick vom Grauen und blickt nun selten zurück über die Schulter, den Anblick des Bösen gewahr, wider des Vergessens, schüttelt er das von Tauben besudelte Haupt. Was gibt es dazu noch zu sagen? Teure Restaurants, die überteuert Convenience auf den Teller bringen, teure Geschäfte, die teuren Ramsch aus Fernost verhökern, teures Kino, das mit öden Produktionen und teurem Junkfood die Meute verfettet und verblödet, natürlich in 3D. Hoch-, Tief- und Breitblöd. Teure Hotels, die an Spaniens Küste keiner mehr genehmigen würde, durften hier noch in die Landschaft gekackt werden. Legoland zieht den Kleinen das Taschengeld aus den frischgebügelten Hosentaschen. Die Macher wissen exakt, wieviel sie von den Knirpsen nehmen können. Hm, ist eigentlich nichts besonderes, all das gibt es heute in jedem Einkaufcenter überall in der Welt. Frag mal die chinesischen Touristen, an welchem Tag ihrer 3 tägigen Weltreise sie in Berlin waren. „This picture is maybe taken in Berlin“. War mehr drin, so könnte man meinen. Einmal hatte ich eine Ladung australischer Archtektinnen im Taxi, die waren ganz versessen darauf, die Wunder des Potsdamer Platzes zu besichtigen. Nicht einmal zu einer Kritik lassen sie sich hinreißen, so begeistert sind sie vom berauschenden Gefühl wohlverdienter langer Weile. Im Februar wird dann allen zum Graus noch der rote Teppich ausgerollt. Stars und Sternchen aus Hollywood, Bukarest und Teheran lassen sich vom Volk bewundern. Berlinale. Filmfest mit Weltruhm. Damen mit tiefem Dekolleté trotzen vom plötzlichen Winter überrascht den Unwirren des Wetters, sie zeigen dem gierigen Cineasten handwerklich gekonnt, was in der Pornoindustrie nur unter Zuhilfenahme von Eiswürfeln erreicht wird, den Dauernippel. Schnell ist der Spuk dann wieder vorbei und der P. taucht wieder hinab in seine Öde. Die tiefhängenden Wolken zeigen sich wie immer unbesorgt, die Wolkenkratzer von Benz und Bahn reichen nicht an sie heran und so tief wie die Planer des P. kann keine Wolke sinken. Immerhin sind diese Monolithen aus Glas und Eisen hoch und dicht genug, um der Sonne den Zutritt zu verwehren. Vielleicht will die auch gar nicht hierhin scheinen. Habe ich den Potsdamer Platz vor Augen, weiß ich, wieviel die Berliner Freiheit am Tempelhofer Feld wert ist. Neulich berichtet mir mein geschätzter Kollege Tagfahrer von einer Meldung. Meteoriten störten den Funkverkehr. Gibt es doch noch Hoffnung für den Potsdamer Platz? Nein. Tscheljabinsk heißt der betroffene Ort. Das läge in Sibirien. So ist das im Leben. Trifft auch immer den Falschen...

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