Der Spreepark und seine Geschichte Teil 4

„Ein Krebsgeschwür im Plänterwald“
Nachdem die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz 1998 beschlossen hatte, dass der Plänterwald zu schützendes Naturschutzgebiet sei, fühlten sich die Wittes als Betreiber des Spreeparks gegen die Wand gefahren. Der Versuch, „den VEB Kulturpark in einen Freizeitpark moderner Prägung umzugestalten“, schien damit vom Senat sabotiert zu werden, denn, so schrieb die Spreepark GmbH 2001, „es sei nie vorgesehen gewesen, den Plänterwald ein Jahr nach Vertragsunterzeichnung zum Landschaftsschutzgebiet umzuwandeln“. Dass der Senat etwas gegen den Spreepark hatte, kann man auch einer Äußerung des damaligen Stadtrats Christian Muhs entnehmen: „Der Freizeitpark ist ein Krebsgeschwür im Plänterwald.“ Die Wittes mussten nun den Rummelplatz wieder verkleinern, was wieder immense Unkosten bedeutete – der Bau des 10 Mio DM teuren Geisterschlosses wurde gestoppt, und mehr Parkplätze bekamen sie nach wie vor nicht. Mit der Umweltkeule hatte der Senat nun eine hübsche Ausrede, mit der er Wittes Parkplatzanträge immer wieder elegant abschmettern konnte. Umweltschutz kommt schließlich immer gut, und Umweltschutz ist ein schönes Totschlagargument, weil man darüber nicht diskutieren kann – wer es versucht, hat gleich den Ruf weg als einer, dem das Wohl der Natur schnurz ist. Die Parkplatzprobleme und die problematische Verkehrsanbindung des Geländes waren für Witte aber wesentliche Faktoren dafür, dass von Jahr zu Jahr weniger Besucher ihren Weg zum Spreepark fanden. Da ihm der Senat nicht nur nicht half, der Besuchermisere entgegenzutreten, sondern ihm mit der Naturschutz-Schiene auch noch in den Rücken fiel, rutschte der Spreepark bald mehr und mehr in die roten Zahlen – neue Attraktionen, Reparaturen an den alten und auch Werbung fraßen eine Menge Geld, das nicht wieder reinkam. Und so wird sich Witte irgendwann gedacht haben: „Wozu reiß ich mir hier eigentlich den Arsch auf? Wenn das denen wurscht ist, was mit dem Rummel passiert, dann sollen sie sich ihren Spreepark doch achtern reinschieben!“ Die Presse stürzte sich dann 2002 wollüstig auf die Mär von Norbert Wittes „Flucht“ nach Peru – „heimlich“ habe er sechs Fahrgeschäfte verschifft, und überdies hätte er noch 30 Mio Schwarzgeld aus dem Spreepark im Gepäck, die ihm in Lima als Aufbaukapital dienen sollten. Woher aber hätte Witte so viel Geld haben sollen? Außerdem: Wenn er dieses Geld besessen hätte, hätte er doch gar nicht abhauen müssen! Und wie, dies fragt sich auch Christopher Flade, der Archivar der Homepage www.berliner-spreepark.de, will man sechs Rummelplatz-Fahrgeschäfte „heimlich“ über die Grenze „schmuggeln“? Wie will man eine derart große Aktion in Nacht und Nebel quasi unbemerkt und illegal deichseln? Wie kommen die Medien überhaupt auf „Illegalität“ und „Flucht“? Wovor hätte Norbert Witte „fliehen“ sollen? Er war ja nicht mal der Unterzeichner des Spreepark-Vertrages, das war seine Frau Pia. Und wenn es eine Flucht gewesen wäre, dann hätte er vermutlich auch nicht zwischen Peru und Berlin pendeln können. Der Luna-Park in Lima war für die Wittes die Chance, die sich ihnen für einen Neuanfang bot. In Berlin saß das ganze Projekt im Senatssumpf fest, da ging nichts mehr. Und so griffen sie nach dem Strohhalm aus Peru. Hätte die Sause dort funktioniert, hätte sich Witte bestimmt engagiert auch um den Berliner Rest bekümmert; so jedenfalls schätzt man ihn auch im Film ACHTERBAHN ein: als einen zwar risikofreudigen, aber auch tatkräftigen,sympathischen und zupackenden Mensch. Doch sie funktionierte nicht. Die Karussells steckten in Peru ein Dreivierteljahr im Zoll fest. Als man sie endlich rausbekam, wurden – obwohl Witte ja ebendeshalb keine Einnahmen gehabt hatte – auch noch Standgebühren von ihm verlangt dafür, dass sie so lange im Zoll hatten rumgammeln dürfen. Und dann stellte sich raus, dass sie tatsächlich rumgegammelt hatten, denn sie gingen ziemlich schnell kaputt – ein neun Monate langes Rumstehen in geschlossenen Containern in feuchtheißer Umgebung ist für Karussellteile eben auch nicht gesund. Und in Berlin wurde seit 2002 kein Handschlag mehr getan. Eine Anfrage des MBB beim zuständigen Stadtrat im Bezirksamt Treptow-Köpenick, Reiner Hölmer, ergab, dass das „Bebauungsplanverfahren 9-7 (Spreepark)“ seit 28. Mai 2002 laufe, es hätte seither mehrere Interessenten gegeben, doch bisher sei nichts unterschrieben und also auch nichts fix. Auf Deutsch: Große Eile scheint man damit nicht zu haben. Den Namen Witte erwähnte Hölmer kein einziges Mal, stattdessen verweist er auf die „Liegenschaftsfonds GmbH“, der es obliege zu klären, ob der Interessent Verfügungsberechtigter über das Baugrundstück werde und – weit wichtiger – ob er die finanzielle Absicherung der Gesamtentwicklung leisten könne. Ach, und klar: die Neunutzung käme nur auf dem Gelände des ehemaligen Spreeparks plus des denkmalgeschützten Eierhäuschens in Frage, dürfe auf keinen Fall das umliegende Land tangieren, da dieses den „Status Wald“ innehabe. Wer ist denn überhaupt „Verfügungsberechtigter“ des Baugrundstücks? Sind das noch die Wittes? Wurde denen nicht schon längst gekündigt? Nein, schrieb die taz am 2.4.09, denn genau davor schreckt Berlin zurück: Wenn man Norbert Witte den Vertrag kündigt, dann muss die Stadt für die rund 11 Mio Schulden aufkommen, für die sich die Spreepark GmbH damals der Deutschen Bank gegenüber verbürgt hatte. Und Witte? Das Insolvenzverfahren, das die Spreepark GmbH damals gegen ihn angestrengt hatte, wurde eingestellt, da bei ihm nichts zu holen ist. Jedenfalls müsse, so sagte die Liegenschaftsfonds GmbH letztes Jahr, erst die Übernahme der Altschulden geklärt werden. Und bis dahin – Däumchendrehen, Kaffeetrinken und dem Unkraut beim Wachsen zugucken. Immerhin scheint es jetzt mal einen Interessenten zu geben, der alle Voraussetzungen erfüllt: Er ist reich, er wird den „Status Wald“ des Plänterwalds nicht antasten und er wird auch darüber hinaus keinen Lärm und wenig Dreck machen. Die Kleist Projekt Development GmbH hat ihr Projekt „Lost Worlds“ vorgestellt, eine Art Dino-, Mythen- und Antike-Park, wo man in mehreren Museen das Leben früher studieren kann. Anscheinend haben die Präsentationen, die im Sommer ‘09 stattfanden, dem Senat gefallen; allerdings betonte Hölmer, dass „die Klärungen bis zum heutigen Tag nicht abgeschlossen“ seien. Also: Unterschrieben ist noch nix. Und wann was unterschrieben wird, weiß kein Mensch. Am liebsten wäre es ihnen wohl sowieso, wenn nochmal acht Jahre verstrichen und nochmal und nochmal, bis wirklich der ganze ehemalige Spreepark inklusive Riesenrad restlos unter dem Moos und Gestrüpp verschwunden wäre. Dann müsste man den Senatssumpf nicht mehr ausheben, weil der dann sowieso verjährt wäre, und obendrein könnte man sich noch Ruhm und Ehre von der Umweltschutzfraktion abholen, weil man dann ja wirklich mächtig viel für das Naturschutzgebiet Plänterwald getan hätte. Und die Naturfraktion fordert ohnehin, dass man auf dem Areal gar nichts mehr bauen, sondern es Mutter Erde zurückgeben solle.

Lebensräume

Diagnose Betonkrebs

Im Gegenteil: Bald wird sich der Verkehr an einer der meist befahrenen Brücken Berlins stauen. An der Salvador-Allende-Brücke, einer Patientin,...

Zeitreisen

Sollte der greise Dichter hier wohnen?

1946: Station eines sonderbaren Zuges mit Gerhart Hauptmann in Müggelheim Wer den Müggelheimer Ludwigshöheweg hinauf geht bis zu dessen Mündung in...

Glosse

Leben und Nebel lassen

Gedanken im Nebel Was Hundebesitzer, Bäcker und Nachtschwärmer bereits bemerkt haben, ist nun auch bei mir angekommen: Der Herbst steht nicht...