Weder Fisch noch Fleisch

hirschgarten Hirschgarten Wie soll man einen Kiez beschreiben, der als Ortsteil eines Ortsteiles gilt? Mir drängt sich der Gedanke an Zinses- Zins auf und der Hinweis darauf, das man beim Unterzeichnen eines Vertrages mit einem windigen Geschäftemacher immer das Kleingedruckte beachten soll, mögen die Augen auch schmerzen. Im Rausch von (18)70-71 entstand hier typisch für unseren fast 800 Jahre alten Bezirksteil mitten im Grünen eine gediegene Villenvorstadt, deren Bewohnern die Nähe zur Hauptstadt wichtig und egal zu gleich sein mag. Unerwähnt im Berliner Ortskundekatalog ist Hirschgarten aber im Gegensatz zu vergleichbaren Ortsteil- Teilchen mit einer eigenen Bahnstation ausgerüstet, und wenn man diese zum Aussteigen benutzt, lädt das Teilchen gleich zu den bösen Tieren in den Wald oder ins nahe gelegene Erpetal zum Spaziergang ein. Viel Action und Naherholungsversorgung findet man hier nicht, dafür aber die Ruhe und Besinnlichkeit, die uns stressgeplagten Großstadtbewohnern gerade im Frühling wieder neue Kraft für den Alltag gibt. Man schlendert unweit der Bahntrasse auf abgelegensten Straßen gemütlich durchs Grüne, vorbei an den baulichen Zeugnissen vergangener Größe bis zur Hauptstadt Hirschgartens und kann von dort aus wieder die Bahn mit Fahrzielen aller Direktionen besteigen. Außerhalb der Betulichkeit für Geist und Seele bietet Hirschgarten auch ein Stück Berliner Jugendkultur, wie es im Rest des Bezirkes nur selten zu finden ist, das „Rote Rathaus“ Köpenicks setzt von jeher mehr auf den Ausbau der ruhigen Stunden für pensionierte Hochfinanzler und Polit-Promis. ABC-Rocks aber lädt die Kids und Teens und die selbst ernannten Jugendlichen in den Mittdreißigern zur kreativen Werkschau, zum Theatern und Rocken oder Lärmen bei verschmerzbaren Preisen in ein Herrschaftshaus am Ende der Hirschgartenstraße. Längst vergessene Berühmtheit erlangte Hirschgarten in grauer Vorzeit, als sich hier die Erpler niederließen, eine Spezies, die – glaubt man den Überlieferungen – nicht von dieser Welt sein kann. Äußerlich entsprechen diese Kreaturen im Entferntesten dem männlichen Wildgeflügel und weiterhin anzunehmen ist auch, dass unsere possierlichen Flatterschwimmer ihren Namen von diesen Scheusalen erhielten, der Unterschied liegt nicht allein im mordbrennerischen Sinnen der Erpler denn auch in ihrer enormen Größe, die Spannweite kann bis zu 12 m betragen. Aus dem Schnabel klaffen Hauer wie die eines Säbelzahntigers und mit ihren krallenbewährten Schwimmflossen sind diese Monster durchaus in der Lage, einen menschlichen Brustkorb zu öffnen. Leider sind die Erzählungen sehr verhalten, denn erstens ist, wie sich ein jeder vorstellen kann, ein Zusammentreffen mit diesen Biestern oft mit dem Ableben des Waldbesuchers verbunden, und hat jemand es doch überlebt, so spricht er im Nachhinein oft nur noch im Fieberwahn und derlei Personen wurde in unserer Geschichte nicht immer Glauben geschenkt, das halten andere Kulturen doch besser. Leider dünnen die Überlieferer solcher Geschichten nach und nach aus, den alten Kamellen schenkt die folgende Generation dank permanenter medialer Unterhaltung und dem ganzen modernen Teufelskram kaum noch Beachtung und Lesen verkommt zur Freizeitbeschäftigung für intellektuelle Randgruppen. So bleibt der einzig lebende Beweis für die Existenz der Erpler die jeher befolgte Tradition, dass in Hirschgarten beizeiten die Bürgersteige hochgeklappt werden.    

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