Ichräumnichauf

Das Genie beherrscht das Chaos. Wenn das stimmt, dann müssen wir uns ernsthafte Sorgen um den Genius unseres Kindes machen. Zwar herrscht eindeutig und zuverlässig Chaos vom allerfeinsten im Kinderzimmer. Aber von Beherrschen kann nun wirklich keine Rede sein. Kuscheltiere, Legosteine, Knete und Kissen bilden ein fröhliches Durcheinander. Mehrmals am Tag werde ich empört befragt, wo sich denn der Teddy Erik oder das Fillypferd Lotus befinden. Ganz ehrlich: ich habe keine Ahnung. Und so genau will ich es auch gar nicht wissen. Denn irgendwann entwickelt Spielzeug ein echtes Eigenleben. In Kinderbüchern wird das genau beschrieben. Da passiert Erstaunliches, gerade nachts. Plüschhasen gehen mit einem fliegenden Koffer auf Weltreise, um Briefe aus Indien oder Transsilvanien zu schreiben. Zahnfeen kommen ins Zimmer geschwebt und suchen im Dunkeln verzweifelt nach ausgefallenen Milchzähnen. Aber wie finden, in der Unordnung? Ein besonderer Chaos-Hort ist das Hochbett. Darunter sammeln sich Dinge an, die entweder in einem Wurmloch auf Nimmerwiedersehen verschwinden oder aber irgendwann beginnen zu riechen. Das liegt daran, dass das Mädel zwar grundsätzlich die Notwendigkeit eines Unterwäschewechsels verinnerlicht hat, den Transport der Wäschestücke vom Kinderzimmer ins Badezimmer zur Schmutzwäschetruhe allerdings nur äußerst ungern bewältigt. So entsteht mit schöner Regelmäßigkeit ein beeindruckendes Gebrauchtschlüpferdepot. Das fällt erst gar nicht auf, aber irgendwann gehen eben die Schlüpfervorräte zur Neige und dann ist nicht etwa Polen offen, sondern der Po blank. Aufräumen wäre theoretisch eine Maßnahme. Sie lässt sich nur extrem schwer durchsetzen. Ich habe es wie Gerhard Schröder versucht. Mit Fordern („Falls das heute wieder nicht klappt, dann können wir morgen leider nicht zum Kindergeburtstag gehen.“) Und auch mit Fördern („Wenn du hier aufgeräumt hast, dann darfst du nachher fernsehen.“) Wütende Antwort Kind: „Ich bin doch nicht deine Dienerin!“. Oder (mit Augenaufschlag) „Mama, kannst du das nicht machen?“ Nö. Ich muss mich um den Rest der Wohnung kümmern. Wie es da aussieht….!

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