Vergebliche Liebesmüh’

Ein Blick auf die Erziehung preußischer Kronprinzen im friderizianischen Zeitalter
Die Welle von Publikationen zum Fridericus-Jahr neigt sich ihrem Ende zu: zu Friedrichs 226. Todestag am 17. August sind noch einmal zahlreiche Ausstellungen eröffnet worden – dem Buchmarkt jedoch dürfte inzwischen sein Überangebot bewusst geworden sein. Da trifft es sich gut, dass in den abschwellenden Hype noch ein schmales Bändchen Eingang gefunden hat, das sich der Vater-Sohn-Beziehung zwischen Soldatenkönig und Kronprinz allein aus der Perspektive der pädagogischen Vorgaben für die Bildung und Erziehung der Kontrahenten nähert.

Die Berliner Historikerin Eva Ziebura hat sich die im Brandenburgisch-Preußischen Hausarchiv erhaltenen väterlichen Anweisungen für die körperliche, geistige und charakterliche Bildung sowohl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (später der „Soldatenkönig“) wie des Kronprinzen Friedrich (später „der Große“) vorgenommen und deren Absichten wie auch deren Verwirklichung analysiert. Ihr Fazit: weder bei Kronprinz Friedrich Wilhelm noch bei Kronprinz Friedrich sind die Wünsche des jeweiligen Vaters hinsichtlich der charakterlichen Formung des Sohnes in Erfüllung gegangen – und die Autorin liefert auch schlüssige Erklärungen dafür. Bei Friedrich Wilhelm war dessen ungebärdiges Wesen nach neuesten Erkenntnissen durch einen genetischen Defekt bedingt, den die Medizin heute als Porphyrie kennt: eine seltene Stoffwechselkrankheit, die in Schüben auftritt und psychische wie physische Anfälle auslöst. Das Krankheitsbild wurde im 18. Jh. von den Ärzten als Gicht diagnostiziert, was ihnen die Historiker bis in die letzten Jahre auch unbesehen abnahmen.

Bei Friedrich war es das elterliche Umfeld, das den Charakter verbiegend wirken musste: seine gebildete und musische Mutter hatte sich in ihrer Ehe mit dem groben Gatten so eingerichtet, dass sie ihm Unterwerfung suggerierte, hinter seinem Rücken aber kontinuierlich intrigierte. Der in einer solchen Atmosphäre aufwachsende Friedrich war dementsprechend an die Maske des Heuchlers gewöhnt, der nur vorgeblich den väterlichen Intentionen brav nachkam.

Diese Maske blätterte dann rasch ab, als der seelisch verletzbare Pubertierende 1725 durch seine Versetzung nach Potsdam direkt unter die Aufsicht seines Vaters kam, der schnell feststellte, dass ihm in der Familie bzgl. der Vorlieben und Abneigungen seines Ältesten Theater vorgespielt worden war. Und der nun entsprechend reagierte – nämlich mit wütender Strenge! Friedrich II. hatte bekanntlich keine Kinder – 2012 wird nun auch unverblümt gesagt, weshalb dem so war! So konnte er die in seiner Jugend erfahrene Unbill einer extrem harten väterlichen Hand nicht an einem eigenen Nachkommen abarbeiten.

Das hielt ihn aber nicht davon ab, seit 1740 seine Macht als Familienoberhaupt auszuspielen, um bei seinem legitimen Nachfolger (dem nächstjüngeren Bruder August Wilhelm, geb. 1722) mit harschen Befehlen dessen Leben zu regulieren und dessen Neigungen zu missachten: er verordnete ihm ebenso eine Zwangsehe wie sie ihm selbst einst verordnet worden war, hielt in von den Staatsgeschäften fern und beleidigte ihn öffentlich als Schwachkopf und Trottel – einem Makel, mit dem dieser „Prinz von Preußen“ titulierte Thronfolger bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1758 leben musste.

Im Alter rückblickend, konnte Friedrich mit dem Kujonieren seines Bruders allerdings mitnichten zufrieden sein: dessen Ältester, der seit 1758 nun die Rolle des Kronprinzen ausfüllte, war nach des „Alten Fritz“ eigenen Worten „sittenlos... einem ausschweifenden Leben hingegeben.“ Er ahnte zurecht, dass mit diesem Nachfolger auch nicht der Staat zu machen sein werde, der seinen pädagogischen Absichten entspräche.

Eva Ziebura, Kein Mitleid mit den Söhnen,
Stapp Verlag Berlin 2012,
96 S., 17 Abb., 9.80 €
ISBN 978-3-87776-045-1


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