Soziale Geometrie
Das Festival „Kunst am Spreeknie“ gab es 2007 zum ersten Mal. Das ist bereits zehn Jahre her. Das ist Erfolg. Denn Erfolg misst sich nicht nur an Innovation, Kreativität, Leistungsvermögen, sondern vor allem auch an Beständigkeit und einem guten Gefühl für alle. Wenn es diese Faktoren nicht gäbe, gäbe es dieses Fest an diesem eher spröden Standort nicht mehr. In einer Zeit, in der für Kunst nicht viel übrig ist, schaffen es 2017 wieder Leute, dieses Mal um den Griechen Spyros Acheimastos, ein Festival am Industriestandort in Schöneweide, also keinem traditionellen Ort für die bildenden Künste, auf die Beine zu stellen. In den Reinbeckhallen am südöstlichen Ufer der Spree mitten im Herz von Europas längstem Industriepark (AEG-Stadt) zeigen Anfang Mai neben den ausstellenden Künstlern auch ansässige Künstler in ihren Ateliers ihre Novitäten.
Spyros Acheimastos kommt aus Athen, er ist Festival-Planer und war schon für die „Transmediale“ und die interdisziplinäre „Forecast“ Plattform aktiv. Während die „Transmediale“ im Haus der Kulturen der Welt (HWK) bereits eine Institution ist, ist die „Forecast“-Plattform noch sehr jung. Hier geht es um Wissenstransfer. Seit 2015 können Vorreiter, Vordenker unterschiedlichster Disziplinen ihre Ideen und Konzepte vorstellen und in einem bestimmten Zeitraum umsetzen.
Spyros ist ein Avantgardist. Er studierte in Griechenland und an der Universität in London Kunst- Administration. Sein Leben hat Projektcharakter. Nichts wiederholt sich, alles ist immer neu, mit einem Anfang, einer Geschichte, einer Herausforderung und einem Ende. „Kunst am Spreeknie“ ist sein erstes Festival in Schöneweide als Projektmanager. Was ihn an der Anlage in Schöneweide fasziniert? „Es ist ein sehr schönes Gebiet mit einer großartigen Industriearchitektur in unmittelbarer Nähe zur Spree, darin steckt viel Gestaltungspotential.“ In London gibt es an den Seitenarmen der Themse ähnliche Areale, denen Künstler ihre Unwirtlichkeit nahmen. Die Künstler des Berliner Festivals sehen auch das Potential, brüchige Stadträume inspirieren sie, reizen, beflügeln. Die Aussteller kommen aus aller Herren Länder: aus Chile, Spanien, Dänemark, Griechenland. Ihre Heimat ist derzeit Berlin. In Vorbereitung auf das Festival hat Spyros kleine Videos mit den Künstlern gedreht, in denen sie ihre Haltung, ihr Konzept für die Ausstellung zu erklären versuchen. Die Videos kann man sich auf der Facebook-Seite des Festivals ansehen. Zu den ausstellenden Künstlern gehören Sophie Erlund, Felix Kiessling, Ignacio Uriarte, Raul Walch, Stephen Kent, Vanessa Enriquez, Ossian Fraser, Gonzalo RA, Jennifer Oellerich, Florian Schmidt, Nadine Fecht, Francisco Rozas, Juan Varela, Panagiotis Margaritis.
„Die Mission des Festivals besteht darin, die Veränderungen im Feld der schönen und angewandten Künste innerhalb der digitalen Revolution aufzuzeigen, die unsere Umwelt, unsere sozialen Formen und unsere Subjektivität verformt haben. Ziel ist, neue künstlerische Tätigkeiten zu finden, neue Sprachen zu formulieren und durchzusetzen und zeitgenössische Kunst im urbanen Kontext anzupreisen.“ Zusätzlich erhoffen sich die Festivalmacher, Impulse innerhalb des Festivals, zwischen lokalen Produzenten, Künstlern, Designern, Musikern und Architekten zu geben und kreative Aktivitäten und Kulturereignisse für den Bezirk zu setzen.
Das diesjährige Festivalmotto „Social Geometry“ nimmt Bezug auf den Versuch des amerikanischen Soziologen Donald Black, Strömungen sozialer Morphologie innerhalb der postmodernen Gesellschaft zu messen. Blacks Modell stellt soziale Phänomene mithilfe eines Clusters aus geometrischen Linien und Formen dar. Die daraus hervorgehenden multidimensionalen, geometrischen Strukturen verdeutlichen reelle Sphären, in denen sich das gesellschaftliche Leben abspielt, zeigen jedoch auch neue Arten geographischer Räume.
Parallelprogramm: Sybille Bergemann-Ausstellung, Gruppenausstellungen und Offene Ateliers
April- 7.Mai 11:00-18:00, Reinbeckhallen, Reinbeckstraße 9
www.kunstamspreeknie.org