Ruhig mal einen Reisenden aufhalten

Grün, behaupten Farbpsychologen, hat eine beruhigende Wirkung. James Croft müsste demzufolge der entspannteste Mann von ganz Köpenick sein. Er ist seit dem 31. März 2010 Greenkeeper im Stadion An der Alten Försterei und Herr über alle fünf Rasenplätze. Dass er täglich im Freien arbeitet, sieht man ihm an. Geboren ist James nördlich von London, aufgewachsen ist er in Portsmouth. Seitdem ist er viel herumgekommen, hat in Deutschland gearbeitet, in Polen und zuletzt in Bulgarien. Ein Reisender, „a traveller“ sei er, sagt er über sich selbst.

Nach der Stadionrenovierung und dem Einbau der Rasenheizung hatte sich der Verein entschlossen, den Bereich der Rasenpflege in professionelle Hände zu geben. Ein englischer Greenkeeper ist dabei beinahe schon ein Klischee. James ist Diplom-Greenkeeper und hat zusätzlich Golfplatzmanagement studiert. Eine vergleichbare Ausbildung gibt es in Deutschland nicht, und Rasen mit Heizung darunter ist ohnehin eine eher wissenschaftliche Angelegenheit. Die Grünflächen werden beständig gemäht, gedüngt, gewässert und im Winter mit Folien vor Frost geschützt. Während sie bespielt werden, sollen sie möglichst feucht sein, um das Verletzungsrisiko für die Spieler zu minimieren. Das macht die Grasnarbe so empfindlich. Die herausgefetzten Grasbüschel müssen in den Spielpausen sofort wieder befestigt werden.

Neben diesen notwendigen Arbeiten hat James den Ehrgeiz, sein Stadion für die Kamera gut aussehen zu lassen. Üblicherweise wird Fußballrasen so gewalzt, dass er in zwei Richtungen liegt und sich vier Meter breite Streifen in hellerem und dunklerem Grün ergeben. Diese Streifen sind lediglich eine Empfehlung der Liga, zwingend vorgeschrieben sind sie nicht. „Das gefällt mir nicht, ich mache, was ich gerne haben möchte“, dachte sich James. Seitdem gibt es Kreise, Diagonalen, Schachbrettmuster. Manchmal bestellt sich Präsident Dirk Zingler persönlich ein Muster. Es gibt Fans, sagt James, die sehen sich, wenn sie ins Stadion kommen, zuerst den Rasen an. Und auch die Kollegen begutachten das untereinander: „Kuck mal, was James schon wieder gemacht hat.“

Dem Rasen in der Alten Försterei hat die Arbeit von James sichtbar gut getan. Sein Rasentagebuch, für das er einmal im Monat Fotos macht, belegt das. Das Pflegeprogramm ist intensiver geworden. Es sind neue Geräte dazu gekommen, die die Regeneration des Rasens beschleunigen. James‘ Aufgabe ist es, den Rasen möglichst das ganze Jahr über in bespielbarem Zustand zu halten, damit so wenig wie möglich ausgetauscht werden muss. Das ginge schon, meint er, nur sei Fußball leider eine Sportart, die zur falschen Jahreszeit gespielt wird. Umgekehrt hat James die Arbeit am Stadionrasen ebenfalls gut getan. „Ich hasse Fußball. Ich spiele Golf, ich bin Golfer. In der Schule habe ich Rugby gespielt. Fußball war für die nicht so starken Männer, Fußball ist Schauspielerei.“ Das war, bevor er nach Köpenick wechselte.

Kannte er anfangs niemanden, hat er sich inzwischen „acclimatised“, eingewöhnt. Zum Geburtstag haben sie ihren „James Clooney“ über die Videoleinwand gegrüßt. Er stand draußen am Mittelkreis, die Leute haben applaudiert. Beim traditionellen Drachenbootrennen fährt er für die Stadionbetreibergesellschaft. „Wir müssen nur die Geschäftsstelle schlagen, sonst keinen! Aber die haben echt eine starke Mannschaft.“ Lange hat er in Hotels gewohnt. Mittlerweile hat er drei Spielertrikots und richtet seine Wohnung in Köpenick ein. Gerade hat er Küchenschränke gekauft. Vielleicht wird der Reisende ja doch sesshaft.

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