Mi’kmaqs Land

Mit dem Canoe unterwegs auf Kanadas Gewässern
Niemand weiß mit Bestimmtheit zu sagen, wie viele zusammenhängende Wasserflächen es im Dreieck zwischen South Shore, Yarmouth und den Acadian Shores sowie dem Fundy Shore und dem Annapolis Valley in Süd-Neuschottland tatsächlich gibt, nur gut sechs Flugstunden von Frankfurt und eine Mietwagentour von weiteren drei Stunden ab Halifax, der Hauptstadt Nova Scotias, entfernt.
„Das alles ist uraltes Indianerland“, sagt Andrea Wegerer. In den maritimen Provinzen Kanadas seien die Mi‘kmaq der dominierende Stamm gewesen, lernen wir. Man vermute, dass sie schon vor dem 16. Jahrhundert von Norden her eingewandert seien, sagt die aus Ulm stammende junge Deutsche. Mi’kmaq, das bedeute soviel wie Verbündete. Zusammen mit ihrem Freund und Verbündeten Tim Atkins hat sich Wegerer mitten in der Wildnis, nur etwa sechs Kilometer vom Kejimkujik- Nationalpark vor 14 Jahren preiswert ein größeres Stück Land gekauft, genau dort, wo der wildromantische Mersey-River in den stillen Harry-See mündet. Davor, etwas im Wald versteckt, fügen sich heute urige Holzhäuser harmonisch in die naturbelassene Wildnis.
„Die Indianer haben sich damals mit ihren robusten Canoes die unzähligen Gewässerflächen entlang bis hinunter zur Eastcoast bewegt“,
auch auf dem Mersey River seien sie unterwegs gewesen, erklärt Andrea Wegerer, das sei inzwischen längst nachgewiesen. Geschickte Kanubauer sollen die Mi‘kmaq gewesen sein. Funde haben bewiesen, dass ihr Kanu aus Birkenrinde bestanden hat, acht bis zehn Fuß (2,45 m – 3,05 m) lang war und so geräumig gewesen sein muss, dass ein einzelnes Boot einen vollständigen Haushalt von fünf oder sechs Personen mit schwerem Gepäck aufnehmen konnte. Anfänger können bei Andrea und Tim ihre Paddel- Fähigkeiten testen, bevor sie sich dem Abenteuer Kejimkujik mit seinen über 25 Seen und zahlreichen gewundenen Flussläufen stellen. Sie erkunden zunächst den Mersey-River mit seinen moderaten Strömungen flussaufwärts, dort, wo er gut beherrschbar ist. Auch wir begeben uns zuerst auf dem schwarzen, geheimnisvoll schimmernden Fluss an Bord eines der wackligen, schlanken GfK-Kanadier. Nur ein paar Stunden dauert es, bis die Zivilisation achteraus liegt und wir eins sind mit der uns umgebenden Natur. Stille, von altem Laub und dunkler Erde schwarz gefärbte Seen mit Schilf, kleinen Teichrosen und undurchdringlichem Wald wechseln sich ab mit schnell strömenden Fluss-Passagen und machen binnen kurzem empfänglich für die ungewohnten Geräusche ringsumher. Da gluckst, piepst, schnarrt und tiriliert es aus sumpfigen Wiesen, dichtem Unterholz und von den Wipfeln alter Baumriesen. Direkt vor uns scheint ein Kolibri in der Luft zu stehen. Libellen lassen sich auf dem Bug unseres Paddelbootes nieder. Und auf einem abgestorbenen, halb aus dem Wasser ragenden Baum sonnen sich Seeschildkröten, nur eine Kanulänge entfernt. Doch Vorsicht vor Strudeln: Sie können von Wasserpflanzen, aber auch von dicht unterhalb der Wasseroberfläche ruhenden abgestorbenen Bäumen oder Gesteinsbrocken rühren. Gurgelnd sucht sich das dunkle Wasser wenig später seinen Weg in den ein paar Meter tiefer liegenden stillen See, Stromschnellen bildend und die versteckte, geballte Kraft des Flusses nur ahnen lassend. Nach zwei Paddel-Tagen auf dem Mersey River bei Andrea und Tim fühlen wir uns sicher genug für den nahen „Keji“, wie die Einheimischen den Kejimkujik-Nationalpark liebevoll nennen. Viele Wassersportler machen es wie wir und nutzen die Blockhäuser der Deutschen als Basislager für ausgedehntere Paddel-Touren in das knapp 400 Quadratkilometer umfassende naturgeschützte Gebiet. Andere sind mit Boot und Zelt unterwegs. Bei Jakes Landing im Westen des Areals mieten wir uns zu moderaten Preisen einen Kanadier. Auch die Mehrtages-Paddler mit eigenen Booten nutzen gern die Einsatzstelle am rechten Zipfel des 40 Quadratkilometer großen Kejimkujik-Lake als Startpunkt für ausgedehntere Törns. Ihre Paddelboote sind teilweise so voll beladen, dass mittschiffs nur ein handbreiter Freibord bleibt. Auch wir begeben uns nun auf die Spuren der Mi’kmaqs genannten Ureinwohner, die hier jahrhundertelang lebten und dessen Nachfahren heute sorgfältig die Traditionen pflegen. Unberührter Wald, moderate Felsformationen und unzählige miteinander verbundenen Wasserflächen umfangen den Bootsbesucher, kaum dass er ablegt und seine Paddel ins klare Wasser sticht.
Informationen zu Kanadier- oder Kajaktouren in Maitland Bridge / Caledonia am Fluss Mersey und auf dem Henry-See für Anfänger und Familien bei Andrea Wegerer und Tim Atkins: www.merseyriverchalets.com. Der Kejimkujik-Nationalpark für fortgeschrittene Paddler im Netz: www.pc.gc.ca. Flüge nach Halifax: während der Saison direkt in 6 bis 7 Stunden ab Frankfurt. Matt Müncheberg wohnt in Berlin-Friedrichshagen und bereist als Journalist und Fotograf mit dem Schwerpunkt Wassersport die Welt. Aktuell erhältlich ist sein neues Bordbuch Berlin 2009.

Claaßens Kolumne

be berlin

Weil ich schon da war. Aber ganz so einfach ist nun wieder auch nicht. Wer schon einmal bei Dunkelheit in...

maulbeerblatt ausgabe 87 Editorial

Ein kleiner Zeitvertreib

Wer auch immer einst die Zeit erfand, muss ja ziemlich seltsam drauf gewesen sein. Irgendein zauseliges Hutzelwesen vielleicht, das uns...

Stadträtin für Weiterbildung, Schule, Kultur und Sport Cornelia Flader Interview

Kultur mit Plus

Foto: Matthias Vorbau Frau Flader, Sie und Ihr Team hatten sich für 2018 viel vorgenommen. Stichwort Schulsanierung und -erweiterung mit modularen...