Katastrophe mit Katze und Krone

Als Katte den Kopf verlor um einen Prinzen
Die Rollen sind klar verteilt: Ein despotischer Vater. Versoffen und plump, wahlweise die Knute oder den Säbel schwingend. Ein musischer Sohn. Tagträumend und vielbelesen, ein Musenknabe.

Friedrich_und_Katte

Die Vorgeschichte

Den einen, Friedrich Wilhelm I., nennen sie später den „Soldatenkönig“, den anderen, den Sohn, Friedrich II., „Philosoph von Sanssouci“. Wohl ist kein Verhältnis im Leben des späteren König Friedrich, den Zeitgenossen und Nachwelt häufig auch den Großen nannten, so anteilnehmend – und wirklichkeitsfern beschrieben worden wie der Konflikt zwischen dem preußischen Kronprinzen und seinem König-Vater.

Zweifelsohne hat der junge Friedrich gelitten unter dem scheinbar so kraftstrotzenden Herrn Vater, dessen Passionen gerne reduziert worden sind auf Tabakskollegium, Lange Kerle und Jagdgemeuchel. Doch vieles davon ist nicht mehr als Legende, üble Nachrede. Aber mit dieser Art eher minderschweren Vergehen halten wir uns in Köpenick nicht auf.

Hier geht es um Kopf und Kragen – und zwar um den Kopf des Prinzen Friedrich. Denn der sollte fallen, getrennt vom zierlichen Prinzenleib durch das Schwert des Henkers. Den wollte der König einbestellen. Nicht weil der Sohn renitent war. Sondern weil er, der Sohn Friedrich, sich in seiner Pflicht als Offizier vergaß. Und da machte sein Vater keinen Unterschied vor dem Gesetz in Rang und Namen. Und das Gesetz lautete bei Fahnenflucht und Majestätsbeleidigung bis zur Todesstrafe.


Die Tat

Der Thronfolger Friedrich ist im Jahr 1730 18 Jahre alt. Er hat bis dahin eine standesgemäße Ausbildung erhalten, ist auf das Leben als Monarch vorbereitet. Doch gewillt, an den ersten Höfen Europas eine gute Rolle zu spielen, scheint er nicht. Die hochfliegenden Heiratspläne seiner Mutter sorgen ebenso für politischen Sprengstoff wie die außenpolitischen Ambitionen des König Friedrich Wilhelm.

Offensichtlich will der seinen Sohn vorbereiten, dem Staat Preußen ein neues Gewicht in der großen Politik zu geben. Doch dieser Sohn sträubt sich. Zu Gast beim Starken August in Sachsen interessiert er sich mehr für die Gräfin Ozelska und den Flötisten Quantz. Dem eingedenk stellt der König ihm den Oberstleutnant von Rochow als militärischen Lehrmeister zur Seite, die Flausen der Musenröcke vom militärischen Prinzenrock zu wischen. Selbst ein Oberstleutnant im Regiment des Königs, reist der Kronprinz im Sommer 1730 nach Süddeutschland. Im Gepäck „die bittere Erfahrung …, daß ein feindlich gesinnter Vater das schlimmste auf Erden ist“.

Dem gilt es zu entfliehen. Koste es, was es wolle – und sei es Krone oder Leben. Da es nicht so leicht ist für einen preußischen Offizier, der Fahne zu entfliehen, hat der Komplotteur Friedrich Fluchtgenossen gesucht und gefunden. In Potsdam startete die Reisegruppe des Kronprinzen. Die Route führte über Leipzig und Meuselwitz nach Altenburg, Saalfeld und Coburg. Karten besorgte man sich unterwegs. England war das Ziel, über Amsterdam nach London.

Dem Hades, der Wusterhauser Trutzburg des Vaters, entfliehen, leben wie auf Kythera – oder zumindest wie es vermeintlich die Sachsen in Dresden taten, mit Tanz und Lebensfreude. Abflug: Lerchennest, altfränkischer Bauernhof bei Steinsfurt, Rhein- Main-Gebiet; Lager der Reisegruppe. Termin: 5. August 1730, nachts halb drei Uhr. Das war Hochverrat.

Und die Flucht misslang nicht, weil sie verraten wurden: Der Prinz selbst hat das Misslingen verschuldet. Und nimmt schwere Schuld auf sich. Dem Staat gegenüber, dessen erster Diener er einst sein wird – auch. Denn sein Fluchtversucht wird zu einem politischen Skandal ersten Ranges. Viel mehr aber trägt er Schuld am leidigen Schicksal seines Freundes und Fluchthelfers: Hans Herrmann von Katte, Leutnant der Gens d’armes.

Die beiden kannten sich spätestens seit 1729. Da hatten sie gemeinsam Unterricht erhalten in Mathematik und Mechanik. Nun konnten sie sich ausrechnen, welchen Preis sie für Freundschaft und Freiheit zu zahlen verurteilt werden würden.


Der Prozess

Und der Preis war hoch. So hoch, dass es schon den Zeitgenossen der beiden schien, der Aufstieg Preußens beginne mit einer Tragödie klassischen Ausmaßes: Flucht, Gefangennahme, Gericht, Tod. Die Bühne zum vorletzten Akt des Dramas wurde in Köpenick errichtet, genauer gesagt berief der König Friedrich Wilhelm I. das Kriegsgericht zu Aburteilung der Verschwörer genau dort ein: ins Schloss Köpenick.

Im freskoverzierten Wappensaal, auf dessen Dache der Legende nach die Kegelkugeln gerollt worden sein sollen, sollte das muntere Köpferollen vorbereitet werden. Zum 25. Oktober 1730 befahl der König 16 Offiziere unterschiedlicher Dienstgradklassen, vom Kapitän bis zum Generalleutnant, als Richter zur Aburteilung des Kronprinzen und seiner Mitverschwörer.

Die Richter trugen stolze Namen märkisch-preußischer Geschichte: Da saßen ein von Itzenplitz und ein von Lüderitz, ein von Podewils, ein von Einsiedel und ein von Dönhoff. Ihr Präses war der Generalleutnant Achaz von Schulenburg. Die Tatbestände: Majestätsbeleidigung, als höchstes aller Staatsverbrechen, und Fahnenflucht – beides schien bewiesen. Doch die Richter machten es sich alles andere als einfach. Sie rangen über Tage mit der Urteilsfindung.

Am 29. des Monats teilten sie dem König mit, über den Kronprinzen nicht zu urteilen. Für sie war er „persone sacra“. Für den Katte verlangten sie nach dem Militärrecht die mildere Strafauslegung: lebenslange Festungshaft statt Hinrichtung, wie sie der König gewollt. Der schäumte ob der Renitenz und des Corpsgeistes seiner Offiziere, wies beide Urteile wutschnaubend mit den Worten zurück:

„Sie sollen Recht sprechen und nit mit den Flederisch vorüber gehen.“


Das Urteil

Friedrich Wilhelm I. kassierte das Urteil am 2. November und machte von seinem Recht als oberster Richter des Staates Gebrauch, das Strafmaß zu ändern. Für Hans Hermann Katte bedeutete dies den Tod.

Am Morgen des 6. November 1730 wurde das Urteil vollstreckt. Auf dem Festungswall von Küstrin fiel das Haupt des Offiziers von den Gens d’Armes.

„Mein Prinz, ich sterbe mit tausend Freuden für Sie!“,

soll er dem am Fenster der Festung stehenden und vom Vater zum Anblick dieses grausigen Schauspiels gezwungenen Kronprinzen zugerufen haben. Übermannt vom Anblick des nahen Todes seines Freude überfiel den Prinzen Friedrich eine Ohnmacht.


Die Nachgeschichte

Der Nachgang des Schauspiels, das auf Schloss Köpenick in einer ganz entscheidenden Szene seine Aufführung fand, ist weitgehend bekannt. Der zu Festungshaft verurteilte Kronprinz beugte sich dem väterlichen Königswillen, fand zur Staatsraison und zu einer Rechtsauffassung, die in Vielem maßgebend für die Entstehung der heutigen Gesetzesbücher in unserem Land werden sollte.

Vielmehr aber ist das Schauspiel in Erinnerung geblieben.

„Über dies Kriegsgericht und das durch dasselbe gefällte Urteil finden sich infolge regelmässiger und oft ausschließlicher Benutzung der als Quelle dienenden Memoiren … immer noch Irrtümer verbreitet, die den Ergebnissen einer strengeren historischen Forschung bis diesen Tag getrotzt haben.“

Solcherlei hielt Theodor Fontane jedoch nicht ab, seinen Blick auf die Ereignisse dem geneigten Leser mitzuteilen. So resümiert der Dichter und gibt im „Oderland“ Kapitel seiner Märkischen Wanderungen seine Sicht auf „Die Katte-Tragödie“ ebenso wieder, wie sein schreibender Kollege Franz Kugler in seiner einmalig pittoresken „Geschichte Friedrichs des Großen“, mit den Bildern Menzels und dem Kapitel siebzehn: „Ist denn Fritz auch ein Soldat? Nun, das ist ja gut!“ Gut und schon gar nicht wohl konnte das tragische Geschehen der Familie von Katte sein.

Und so kursierte lange das Gerücht, der Generalleutnant Hans Heinrich von Katte, Vater des gerichteten Kronprinzenfreundes, und andere Offiziere hätten damals beim König um Abschied nachgesucht. Einen solchen Protest gab es jedoch nicht.

Was es gab, war die Gunsterweisung für seinen treuen Offizier, wie sie der Soldatenkönig verstand. Denn die Herren von Katte saßen seit vielen Generationen im Jerichower Land, hausten dort im sogenannten Kattewinkel und waren treue Gefolgsleute ihrer Landesherren. Den Schwarzen Adlerorden, die höchste militärische Auszeichnung, erhielt der Vater des Fahnenflüchtlings im Jahr nach dessen Exekution. Mit diesem Orden am Kleid ließ er sich zur letzten Ruhe betten.

Und noch zuvor bezeugte ihm der Sohnesfreund die Ehre: Zum König Friedrich II. geworden, erhob der vormalige Kronprinz den Vater seines Fluchthelfers in den erblichen Grafenstand. Das war beinahe auf den Tag genau ein Jahrzehnt, nachdem die jungen Offiziere Friedrich und Hans Hermann dem Preußenland zu entkommen gesucht hatten.

Das am 6. August 1740 ausgestellte Grafen-Diplom beschreibt sich als „ein getheilter Schild, oben … liegt Unsere Königliche Crohne und Zepter auf einem rothsammittennem Küßen … siehet mann eine davonspringende Katze mit einer gefangenen Mauß in der Schnautze …“

Dem Schicksal scheinen Hüte und Kronen gleich, es spielt eben gerne mit uns: Katz und Maus.


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