Die Schauspielerin Steffi Spira

Kein Fahnenappell für Schaukelpferde
Steffi SpiraGedenktafel für eine kommunistische Mimin? Nein! – sagten im vergangenen Dezember die verwaltungspolitisch vereinigten Köpenicker und Treptower Bezirksparlamentarier der Fraktionen von SPD, CDU, FDP und NPD und hielten damit Einheitsfront gegen einen Antrag der hiesigen BVV-Fraktion der Linken, die den sensiblen Bürgerseelen der Köpenick-Treptower einen Erinnerungsort an eine gewisse Steffi Spira zumuten wollten. Immerhin: Diese Frau hatte es vor einiger Zeit auf den realsozialistischen Schauspielbühnen und Leinwänden der DDR zu volkstümlicher Beliebtheit und sogar für einen Moment auf eine andere, die große Bühne der Weltgeschichte gebracht, als sie am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz vor einer Million Protestierern den Legende gewordenen Satz der abdankenden SED-Führung hinterdrein rief: „lch wünsche für meine Urenkel, daß sie aufwachsen ohne Fahnenappell, ohne Staatsbürgerkunde, und daß keine Blauhemden mit Fackeln an den hohen Leuten vorübergehen.“ Da war die Frau Spira würdige 81 Jahre alt und hatte ein aufregendes Leben bereits hinter sich. Als Tochter des Schauspielerehepaars Lotte und Fritz Spira war sie in Wien geboren worden. Ihr Vater, eigentlich am Wiener Konservatorium zum Operettensänger ausgebildet, gehörte zu den schauspielerischen Pionieren des Stummfilms, wo er bereits 1910 in dem Streifen „Pro Patria“ auftrat und sich später, dann auch sprechenderweise in so bedeutenden Leinwandwerken wie „Liebe und Trompetenblasen“, „Spitzenhöschen und Schusterpech“ oder „Rasputin, Dämon der Frauen“ hervortat. Seine jüngere Tochter, Steffi , eiferte Vater, Mutter und der ebenfalls schauspielerisch auf Bühne und vor Kameras umtriebigen Schwester Camilla nach, besuchte die Schauspielschule und erhielt mit 17 Jahren bereits ihre erste Bühnenanstellung. Engagiert war die Spira damals schon für Land und Leute, wollte sich dem sozialen Elend, das sie auf Straßen und Plätzen zu erspähen glaubte, ihre Kraft entgegensetzten. „Schon in der Schule fi el ich auf, als ich Reden gehalten habe. Ich bin kein zurückhaltender Mensch“, sagte sie später von sich selbst. Und so fi el ihr Redetalent auch der renommierten Berliner Volksbühne auf, wo sie ab 1928 Hauptmann und Brecht zum Besten geben durfte. In diesem Umfeld fand sie den Weg in die KPD und ihren Mann, den Dramaturgen Günter Ruschin. Unter Gustav von Wangenheim, dem späteren Intendanten des Deutschen Theaters in Berlin, wurde Steffi Spira zur Mitbegründerin der Theatergruppe „Truppe 31“. Zu dieser Zeit lebte das Künstlerehepaar Spira-Ruschin in der sogenannten Künstlerkolonie am Südwestkorso rund um den damaligen Laubenheimer Platz, dem heutigen Ludwig-Barnay-Platz. Dort war seit 1927 im Auftrag der Bühnengenossenschaft und des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller ein Häuserensemble eigens für Bühnenkünstler, Schriftsteller und Journalisten entstanden. Der überwiegend „linken“ Gesinnung ihrer Bewohner wegen wurde die Siedlung als „Roter Block“ populär. Ein jähes Ende fand dieses Leben, als 1933 die Nationalsozialisten begannen, eine neue Ordnung über Deutschland zu bringen. Steffi Spira, nicht allein als Kommunistin gefährdet, sondern ihrer jüdischen Herkunft wegen den neuen Machthabern doppelt verhasst, emigrierte 1933 in die Schweiz. Es folgte nun Exilleben von 14 langen Jahren. Dabei verstummte die Schauspielerin nicht. Im Gegenteil: In Paris gründete sie das Kabarett „Die Laterne“ mit und brachte Brecht- Stücke auf die Bühne, darunter die Uraufführung der „Gewehre der Frau Carrar“. Im September 1939 wurde Steffi Spira verhaftet und im Frauenlager Rieucros interniert, ihr Mann Günter im Lager Le Vernet eingesperrt. 1941 gelang dem Ehepaar gemeinsam mit ihrem damals achtjährigen Sohn Thomas die Ausreise nach Mexiko. Dort führten sie mit namhaften Emigranten wie Anna Seghers und Egon Erwin Kisch ihren kommunistischen Kampf gegen Hitler-Deutschland fort. Erst 1947 kehrte die Familie wieder nach Deutschland. „Ich wollte gar nicht unbedingt nach Deutschland zurck“, sagte die Spira einmal. „Diese ekelerregende Feigheit, immer anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben“ machte ihr neben vielem anderen ein schales Gefühl. Da sie aber „immer der Idee gefolgt, nie den Menschen“ war, straff te die schauspielende Kommunistin ihre Kräfte und packte mit an, wo es nun galt, in der neuen deutschen Republik dafür zu sorgen, dass diese zumindest eine sozialistische werde. Und dafür tat sie das Beste, was sie konnte: Sie redete und deklamierte in Berlin sowohl am Schiff bauerdamm wie am Deutschen Theater und der Volksbühne, wo die Spira unter Wolfgang Langhoff unter vielen bekannten Rollen dem Publikum zur unvergessenen Freude auch die Mutter Wolff en und die Frau Hassenreuther gab. Für großes DDR-Kino sorgte Steffi Spira mit ihrem Auftritt als kommunistische Frauenrechtlerin Clara Zetkin in Kurt Maetzigs Proletarierepos „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“. Doch der DEFA-Film steckte sie in den folgenden Jahren in ein anderes Fach: Etwas beleibt, wie sie war, bot sie die ideale Projektion für alternde Tanten und Mütter, für Bäuerin und Wirtsweib, spielteMärchenfi lme ebenso wie Sozialrevolutionäres. Hinter den Kulissen mischte sich die Spira immer wieder, wo es ihr möglich war, in kulturpolitische Fragen. In Adlershof lebte sie fast zwanzig Jahre; nur einen Katzensprung entfernt ihre Freundin Anna Seghers. Man kochte und philosophierte zusammen, traf sich am Friedhof zum gemeinsamen Spaziergang. Wie die Schriftstellerin Seghers beobachtete auch Steffi Spira genau und kritisch. Ihren ganz persönlichen Ritt durch die erlebte Geschichte, den „Trab der Schaukelpferde“, veröff entlichte bereits 1984 der Berliner Aufbau Verlag. Hält sie hierin noch die Fahne der Partei treu in die Höhe, prangert und geißelt allein Faschismus und Klassenfeind, so konnte ihr Hang zur politischen Aufrichtigkeit mit zunehmenden Jahren nur mit einer unüberwindlichen Distanz zur Staatspartei und ihrer Politik einhergehen. Als Steffi Spira den Demonstranten auf dem Alexanderplatz im November 1989 zurief: „Aus Wandlitz machen wir ein Altersheim“, sprach sie gelinde aus, was viele in diesen Tagen weitaus revolutionärer dachten. Der Arroganz der Macht zum Trotz hatte Steffi Spira zum 40. Jahrestag der DDR, wenige Wochen zuvor, aus ihrem Küchenfenster bereits eine rote Fahne mit Trauerflor gehisst. Als sie 1995 starb, attestierte ihr selbst der im Kalten Krieg gestählte Tagesspiegel in einem Nachruf: „Sie lebte einen Kommunismus des Herzens.“ Diese Erkenntnis vor Augen, müssen sich heute auch die Wilmersdorfer Witwen mit der erinnerungstechnischen Gegenwart der Steffi Spira abfi nden, denn seit dem Juni des Jahres 2009 erinnert ganz bescheiden eine kleine Gedenktafel am Haus in der Bonner Straße 9, in der ehemaligen Künstlerkolonie in Wilmersdorf, an die Taten der kommunistischen Schauspielikone Spira, die hier von 1931 bis 1933 lebte. Was den Wilmersdorfer Witwen zugemutet wird, bleibt – der BVV Treptow-Köpenick sei Dank – dem geschichtssiegenden Bürger in Treptow-Köpenick also erspart. Nicht jedoch dem hiermit herzlich gegrüßten Leser des revolutionären Maulbeerblatts.

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