Mission Impossible

Superalf jagt die Faschisten
In hohem Bogen sah ich den Golfball durch die Luft fliegen, direkt auf den Kopf eines jungen Mannes zu, der gerade die andere Straßenseite entlanglief. Shit happens. Doch nein! Nicht heute! Nicht, wenn ich in der Nähe bin! Denn ich bin ein Superheld und habe geschworen, meine Kräfte zum Wohle der Menschheit einzusetzen.

Blitzschnell sprang ich durch die Luft, ergriff das Geschoss lässig mit der linken Hand und landete genau vor dem jungen Mann, der kurz stehen blieb, mich verdutzt ansah und dann sofort weiter lief. Einen Augenblick lang war ich schon verärgert, dass er sich nicht wenigstens bedankt hatte. Aber wer weiß, ob er die Gefahr überhaupt registriert hatte. Wer weiß, was ihn beschäftigte und wohin er so eilig lief. Nein, als Superheld gehöre ich zu den Guten und helfe wo ich kann, auch wenn ich nichts zurück bekomme.

„Ey, du Blödmann!“ schrie mich plötzlich jemand von der Seite an. „Tickst du nicht mehr richtig? Wir hätten ihn fast gehabt! Jetzt ist er weg.“ „Ach, dann habt ihr den Ball geworfen?“ fragte ich. „Ja, natürlich! Dieser Gauner hat gerade meine Schaufensterscheibe eingeschlagen! Und du Arschloch hilfst ihm bei der Flucht! Moment mal, ihr steckt bestimmt unter einer Decke! Na warte, dich kriegen wir!“

„Oh mein Gott! Ich wusste doch nicht, dass ER der Böse ist! Unter diesen Umständen helfe ich natürlich Euch!“ In Sekundenbruchteilen errechnete ich seine derzeitige Position und sprang mit einem gewaltigen Satz über 3 Häuserblocks, landete genau hinter ihm und streckte ihn mit einem Spock-Griff zu Boden.

Als er wieder zu sich kam, schrie er mich an: „Lasst mich in Ruhe, ihr dreckigen Faschisten!“ Ich bekam einen Schreck. Hat der mich eben einen Faschisten genannt? Ausgerechnet MICH, den Superhelden, der ihm eben noch das Leben gerettet hatte? Ach nein – er denkt lediglich, ich wäre einer von denen, die den Golfball nach ihm geworfen hatten. „Was?“ fragte ich ihn – „Das sollen Faschisten gewesen sein? Seit wann haben Faschisten Läden mit Schaufenstern? Und seit wann spielen sie Golf?“

„Keine Ahnung! Aber diese Typen haben Ausländer verprügelt. Sowas machen Faschisten!“ „Ja, das klingt plausibel.“ erwiderte ich. „Aber wir werden der Sache jetzt auf den Grund gehen. Sag mir, wo der Laden ist, und dann stellen wir sie zur Rede.“ Der junge Mann lachte: „Wo lebst du denn? Mit Faschisten kann man nicht reden!“ Doch ich hatte ihn bereits auf meine Schultern gesetzt, wir flogen mit Schallgeschwindigkeit von Dach zu Dach und landeten vor dem Laden, wo die Golfballwerfer gerade die Scherben zusammenfegten.

„Soso!“ sagte ich „Faschisten seid ihr also! Verprügelt Ausländer. Aber ihr habt die Rechnung ohne mich gemacht. Ich bin nämlich ein Superheld und kämpfe gegen das Böse. Ergo sind Faschisten für mich das ultimative Ziel.“ „Na hör mal!“ rief der Ladenbesitzer „Was fällt euch ein, UNS Faschisten zu nennen? Wir sind Juden! Und man kann ja wohl nicht Jude und gleichzeitig Faschist sein, oder?“ „Aber ihr habt Ausländer verprügelt!“ rief der junge Mann!

„Ausländer hin oder her, wir haben sie erwischt, wie sie unseren jüdischen Friedhof schändeten. Seht ihr? DAS sind nämlich die Faschisten! Und wer solche Leute in Schutz nimmt, ist selber ein Faschist! Basta!“ Ich überlegte: „Einen jüdischen Friedhof zu schänden, ist ja wohl ein eindeutiges Indiz für einen Bösewicht. Vielleicht sollte ich meine Superkräfte lieber zur Ahndung dieses Verbrechens einsetzen.“ Mein Röntgenblick analysierte die DNA der Blutspuren an der Faust des Ladenbesitzers, und meine Supernase machte sich sofort auf die Suche nach dem dazu gehörigen Individuum. Ein kurzer Flug über die Skyline, dann schoss ich wie ein Falke hinab und packte den Friedhofschänder am Kragen, als er und seine Gang gerade ihre Wunden und blauen Flecken an einem Springbrunnen kühlten.

„Hab ich euch, ihr elenden Bösewichte! Ihr kommt jetzt schön mit und bringt den Friedhof wieder in Ordnung! Aber Zack Zack!“ Und schon hatte ich uns alle vor den jüdischen Laden gebeamt. Die Bande erkannte schnell, dass sie keine Chance hatten, also versuchten sie es mit Reden: „Unsere Aktion war ein Zeichen gegen die Verbrechen Israels am palästinensischen Volk!“ Ein anderer ergänzte noch: „... die faschistischen Verbrechen!“ Der Ladenbesitzer rief: „Was hab ich damit zu tun? Ich hab die Regierung dort nicht gewählt! Doch auf dem Friedhof liegt mein Vater. Und da verstehe ich keinen Spaß! Aber vielleicht solltet ihr euren Brüdern da unten beibringen, weniger Bomben zu legen! Ihr seid nämlich alle nichts anderes als Terroristen! Faschistische Terroristen!“ „Wir sind keine Terroristen! Wir sind Freiheitskämpfer! Gegen eine jüdische Faschistenweltverschwörung!“

Mit dieser Reizüberflutung war selbst mein Superhirn überfordert. Wem soll ich hier helfen, wen bekämpfen, wenn jeder jeden einen Faschisten nennt? „Ich glaube, ich lasse euch das lieber alleine austragen. Auf Wiedersehen!“ Während ich entmutigt davon schwebte, vernahm ich noch aufgebrachte Rufe, die wahrscheinlich mir galten: „Jaja, immer schön raushalten! Das sind die Schlimmsten! Du Superfaschist!“


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