Aus Alt mach Schön

Jana Pfarr von Beauty Oak im Interview
An der Woltersdorfer Schleuse hat Jana Pfarr alias BEAUTY OAK drei Jahre lang Mode auf Stangen verkauft, doch niemals von der Stange. Jedes ein Einzelstück. Aus geretteten Textilien. Früher nähten viele Leute selbst, weil das Angebot nicht groß war. Heute gibt es Upcycling, weil das Angebot zu groß ist. Gerade wagte die Modedesignerin und Mutter zweier Söhne mit dem Sprung nach Berlin einen Neuanfang. Ein Gespräch über verzerrte Bilder, Pasta Moda und Umweltbewusstsein.

JanaPfarr am Tresen von Beauty Oak
Foto: Danuta Schmidt

Was fragen Dich Deine neuen Kundinnen?
Die häufigste Frage ist: Nähen Sie das alles selbst? Woher beziehen Sie das Material? Wie funktioniert das genau? Was ist der Unterschied zu Second Hand?

Und was sagst Du dann?
Dass ich aus geretteten Textilien eine neue Mode in meinem Stil kreiere. Das Besondere ist, dass alles vor Ort produziert wird, dass meine Kundinnen mir über die Schulter schauen können, sich inspirieren lassen können, um danach eigene Wünsche umsetzen zu lassen. Das Konzept ist also nicht nur der Laden als Showroom, sondern auch das offene Atelier, am Ende ist das auch ein Showroom. Ich möchte Handwerk wieder sichtbar machen. Das soll nicht hinter verschlossenen Türen oder am anderen Ende der Welt passieren. Damit bin ich sehr nah an den Wünschen und Bedürfnissen meiner Kundinnen.

Was ist Upcycling?
„Up“ heißt „auf“ und „Cycling“, der Kreis schließt sich. Man bringt etwas wieder in den Kreislauf, sodass es wieder genutzt werden kann. Upcycling ist, dass ich etwas bereits Vorhandenes nehme und daraus etwas Neues entwerfe. Das Ergebnis ist meist höherwertig. Zum Bsp. fertige ich aus zwei Vorhangstoffen einen wendbaren Damenblousson an. Ein Beweggrund, warum ich meinen gelernten Beruf vor vier Jahren wieder aufgenommen habe, ist eben dieser Umweltaspekt. Ich mache nicht nur schöne Sachen, sondern leiste damit auch einen Beitrag zum Umweltschutz. Ich verwende vorhandene Ressourcen, die ich auch lokal verarbeite.

Apropos Handwerk! Wie oft erlebe ich, wie Menschen Preise verhandeln für Handarbeit. Handwerk braucht nicht nur Technik und Präzision, damit einher geht ein erhöhter Zeitaufwand. Handwerk ist nur das eine, da kommt noch die originelle Idee und der Entwurf, also die eigene Kreativität und das fertige Produkt dazu…
Ja genau. Nicht nur, dass man beides beherrschen muss und in der Kombination schöpferisch wird. Das Ergebnis meiner Arbeit ist auf dem freien Markt. Das, was ich herstelle, sollte Bedürfnisse wecken, Bewusstsein erzeugen und sollte bezahlt werden wollen! Der Preis für einen wendbaren Blousson liegt bei 279 Euro. Und das ist ein ehrlicher, fairer Preis. Man muss sich überlegen, dass 279 Euro zunächst einmal nicht für jeden gleich bezahlbar sind und viele sich sogar abgeschreckt fühlen. Ursache ist das verzerrte Bild: Mode ist zu billiger Wegwerfware und damit schnell austauschbar geworden. Mir ist wichtig, dass dieses verzerrte Bild, das durch die Fast Fashion Großkonzerne wie Shein, H und M, Primark, Zara etc. entstanden ist, wieder gerade gerückt wird. Für diese günstigen Textilien mussten andere Menschen bereits einen sehr hohen Preis bezahlen. Nur ist das leider den wenigsten „Konsumenten“ bewusst.

Jana Pfarr am Schneidertisch
Foto: Danuta Schmidt

Deine Mode besteht aus geretteten Textilien, Bettwäsche, Vorhängen, Herrenhemden. Das klingt erst einmal nach wenig Investition…
Es ist wichtig, sich zu fragen: wie viel Zeit, Ressourcen, Energieaufwand bereits schon in jedem vorhandenen Textil stecken. Ich muss zunächst auf die Suche nach Material gehen. Dann muss ich es in die Hand nehmen, treffe die erste Entscheidung: Ist dieses Textil für mein Design und meine Arbeit überhaupt geeignet? Dann Waschen und Aufbereiten, also Auftrennen der Nähte oder Aufschneiden. Bügeln. Erst dann hat der Stoff den Zustand, in dem ich ihn für mich kann.

Das heißt doch aber, dass Du auch wieder Energie in den gebrauchten Stoff gibst für die Aufbereitung?
Ich verwende grünen Strom und der Anteil meines Energieaufwandes ist ein Bruchteil, bezogen auf ein neues Textil. Bspw braucht man für die Produktion eines neuen weißen Baumwoll-T-Shirt, vom Samen bis zur Auslieferung in den Handel, 2.700 Liter Wasser!

Das gerettete Textil ist das eine. Um Mode zu machen, einen Stil zu kreieren, braucht man Handwerkszeug. Du hast Modedesign studiert. So einen Studienplatz bekommt ja nicht jeder…
Wir mussten eine künstlerische Mappe mitbringen und uns einer zweitägigen Aufnahmeprüfung unterziehen.

…um danach vier Jahre Bekleidungsgestaltung zu studieren
Mein Diplom bestand aus einem theoretischen Teil und einer Abschlusskollektion mit acht Outfits, mit insgesamt 15 Teilen. Lacht! Pasta Moda war mein Thema.

Pasta Moda?
Es war Abendmode, die von Pasta inspiriert wurde. Eine kleine Kollektion aus sinnlicher und extravaganter Abendmode, die auch alltagstauglich ist.

Doch nach dem Studium bist Du auf völlig anderen Wegen unterwegs gewesen. Was hat Dich dazu bewogen?
Ich war während des Diploms bereits schwanger. Dann kam der kleine Flo. Mein Partner war selbständig. Zwei selbständig Kreative und ein kleines Kind, das funktioniert nicht. Aus diesem Sicherheitsgedanken und Verantwortungsbewusstsein heraus habe ich eine Anstellung als Office-Managerin angenommen. Da hatte ich tolle Rahmenbedingungen. Und ich habe mir nach dem Studium auch die Sinnfrage gestellt: Jetzt kommt hier die nächste Modedesignerin auf den Markt. Und noch mit einem kleinen Kind. Ich war also bereit für einen anderen Weg. Nach 13 Jahren in einem Mediationsbüro mit viel Kopfarbeit und wenig direkt sichtbarem Ergebnis am Ende des Tages stellte ich mir wieder die Frage nach dem Sinn, dieses Mal aus einem anderen Grund. Ich erkannte: mir fehlt das Kreative, die Arbeit mit den Händen und Schöpferische.

Vor vier Jahren hast Du Dich mitten in der Pandemie selbständig gemacht, wo überall alles ausgebremst wurde, bist Du in Fahrt geraten.
Für mich war es ein unglaublicher Katalysator. Weil mir plötzlich klar wurde: Auch eine Festanstellung ist nicht wirklich sicher. Da kam also alles zusammen, mein großer Wunsch nach beruflicher Selbstverwirklichung, Erfüllung. Dazu die Selbstverantwortung, das eigenmächtige Entscheiden über alles, was ich dann tun werde und machen muss als selbständige Unternehmerin, auch über die eigene Zeit, die ich managen muss, meine Selbstwirksamkeit.

Das ist sehr viel, doch die Kinder sind nun auch etwas größer
…und mein Partner hat mich absolut darin bestärkt, das zu tun, wofür ich brenne.

Nun bist Du noch eine weitere Modedesignerin in dieser übersättigten Welt. Doch am Ende hast Du auch ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen…
Mein Label-Name „Beauty Oak“ ist eine Anspielung auf Schöneiche, den Ort, in dem wir leben, wo wir zu Hause sind. Das bedeutet auch, dass ich kurze Wege habe, um zur Arbeit zu kommen. Das gilt auch für meine Kundschaft, die mich zu Fuß auf einer klassischen Flaniermeile, der Bölschestraße (Kudamm des Ostens) erreichen kann. Auch mein Label erzählt etwas von meinem Umweltbewusstsein. Schöneiche ist ein Ort am Rand von Berlin, mit viel Natur, Ruhe. Ein guter Ort für ein bewusstes Leben

Was bedeutet guter Stil für Dich?
Stil beschreibt für mich eine Ausdrucksform für die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und mit der jeweiligen Umwelt. Also welche Werte sind mir persönlich wichtig, und wie mache ich sie durch die Wahl meiner Kleidung und die Art und Weise, wie ich sie behandele, trage, nutze, sichtbar. Natürlich immer im Zusammenspiel mit der eigenen Körperform und der persönlichen Ausstrahlung. Diese drei Aspekte in Harmonie gebracht können eine ausdrucksstarke Haltung ergeben. Hierbei spielt für mich Individualität eine wichtige Rolle, denn jede Person von uns ist einzigartig und kann mit Hilfe von Mode ihre eigenen persönlichen Werte kommunizieren und darüber in Kontakt mit ihrer Umwelt gehen.

Wie würdest Du Deinen Stil beschreiben?
Ich unterstreiche durch meine Mode die Schönheit der sich kleidenden Person. Ich mag es, wenn meine Mode Figur umspielend ist. Viele Frauen kommen zu mir und sagen: Ich habe ein Problem. Und meinen ihre Arme oder Beine, ihren Bauch, ihre Haut. Sie unterliegen diesem vorgefertigten vermeintlichen Schönheitsideal aus den Medien, der Werbung und auch aus der Industrie. Doch mir geht es um die individuelle Schönheit und um den Wohlfühlaspekt durch meine Kleidung. Denn Wohlfühlen strahlt man aus.

Und was ziehst Du gern an?
Neben einem großen Wohlfühlfaktor haben die Klamotten, die ich bevorzugt trage, einen eher klassischen und farbenfrohen Stil mit einem Sinn fürs Praktische. Ich liebe kleine Details, die erst bei genauerem Hinsehen erkennbar sind. In meinem Kleiderschrank befindet sich ein Mix aus Secondhandmode, Erbstücken meiner Omas, selbstgenähten Teilen und fair produzierten Basics.

Dein Lebensmotto oder Credo oder Botschaft?
Wir leben in einer reparaturbedürftigen Welt und ein Großteil der Menschen in Westeuropa verbringt seine wertvolle Lebenszeit mit Ablenkung durch schnöden Konsum und Social Media. Mit meiner Mode und meinen Upcycling-Workshops will ich scheinbar verlorengegangene Werte wie Handwerk, Reparatur und einen liebevollen Umgang mit unserer zweiten Haut vermitteln, um zu zeigen wie wir uns darüber wieder mit uns selbst und miteinander verbinden können."

Die Autorin diee Beitrage, Danuta Schmidt mit der der Modeschneiderin Jana Pfarr in ihrer Boutique „Beauty Oak“
Foto: Danuta Schmidt