Ein Halleluja auf Erbsbär & Co

Wisst ihr noch, damals? Weihnachten war ein fröhliches Fest.
Erstveröffentlichung am 09.12.2015
Ausgelassen wurde gefeiert. So jedenfalls hat mir meine Großmutter berichtet und die wusste es von der ihren. (Und das ist jetzt kein Spruch, das ist wirklich so.) Meine Oma hat mir erzählt, wie ihre Oma ihr erzählt hat, von der Zeit, als sie – also meine Ururoma – ein Kind war. Das muss so um 1880 gewesen sein und war in Berlinchen, am Nordufer des Nipperwitzsees im Tal des Flusses Plöne; nächste größere Stadt Landsberg an der Warthe, 30 Kilometer südlich davon gelegen das Nest.

Ein Mann verkleidet als Erbsbär wird an der leine von Haus zu Haus geführt
Aus dem Maulbär-Archiv

Meine Oma hat sie selbst nicht mehr oft getroffen, aber sie hat mir noch von ihnen erzählt: von Erbsbär und Schimmelreiter und Stutenfrau und wie es war des Heiligabends, wenn sie als Kinder lauschten, voller Spannung immer wieder in das Dunkel der Weihnacht hinein, ob nicht endlich die Glocke zu hören war, die des Schimmelreiters Kommen kündigte.


Die Heischgänger Erbsbär und Schnabelstorch

Sein Gefolge ein wilde Haufe, zottelig der Bär von Erbsenstroh samt rußschwarzem Bärenführer, der Schimmel an Strick und Seilen, vermummte Gestalten dazu und ein Storch: mit langer Schnabelstange am Storchenkopf in dem manchmal gar eine Stopfnadel gesteckt haben soll – und dieser Storch stöberte mit seinem Schnabel durch allen Hausrat und hackte mit seinem Schnabel die Mädchen ins Bein. Autsch.

Und der schreckliche Bär, er faßte vorlieblich die selben jungen Dinger unter und rollte sich mit ihnen über den brav gefegten Stubenboden. Und Schimmelgaul und Reiter machten Sprünge über Tisch und Stühle. Da gab es Beifall und Geschenke.

 

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Gabenheischend zogen die Heischegänger durch das Brandenburger Land. Dann lobten oder tadelten sie die Kinder und wollten für dieses ihr Treiben beschenkt werden. Und im Oderland wurde am neunten Tage vor dem Fest die Weihnachtszeit „angetutet“, wenn die Hirten mit ihren Tuthörnern jeden Abend mit „de hele Christ“ vom Himmel heruntertuten. Und sie sammelten Kochmetze und Weizenfladen und „jrote Schribbe und Roggenkuchen“ ein. Und hier und da und insbesondere in der Niederlausitz ging – und geht bis heute mancherorts – das Bescherkind um. Mit einer Rute streicht es den Kindern über den Rücken, wünscht Gesundheit und Glück.

Und in diesen Nächten der Weihnachtszeit, da begegneten sich die bösen Geister und die Menschen erwarteten mit Sehnsucht und Tamtam das Erscheinen des „Hell Kriste". Und die Tiere konnten sprechen zur Heiligen Nacht. Und die Legende zählt, wie ein Bauer seine Kuh belauschte, die dem Ochsen erzählte, dass sie bald geschlachtet werde, weil der Bauer stirbt und seine Frau das Geld brauche.

Die Kunde erschreckte den Bauern so sehr, dass er tot umfiel. Bums. Und damit dem nicht zu oft geschehe, bekamen Tiere in der Heiligen Nacht viel feines Futter. Die Bauern und Landleute gaben Festgebäck aus – mit Johanniskräutern! und manchmal auch mit Grünkohl. Und die Obstbäume wurden mit Kuchen und Wurst beschenkt, damit sie mit ihren Früchten im neuen Jahr die Leute wiederbeschenkten. So war das. Und es war gut.

Und gebackten und gebraut wurde zur Weihnachtszeit – in Stadt und Land. Im Fläming wurde der Klemmkuchen über dem Feuer wie Waffeln im Klemmeisen gebacken. Und im Spreewald, wo der Rumpodich alias Knecht Ruprecht oder Weihnachtsmann sich das Stelldichein gab, wurde an Heiligabend aufgetischt: Neunerlei – mit Linsen und Erbsen und Bratwurst und Sauerkraut, Fischhappen (denn: je mehr Rogen, desto mehr Glück, liebe Gemeinde!); mit Apfelsalat und mit Grütze, mit Hirsebrei oder Hagebuttensuppe, mit Semmelmilch und mit gehackten Nüssen, Brot und Salz, Backpflaumen.


Mit Spießen und Stangen durch Berlin-Cölln

Und gesoffen wurde – seit jeher – im Brandenburgischen und besonders nun zum Heiligen Fest. Immer feste. Und ganz vorne weg: die Berliner! Die haben es dermaßen gehalten damit, dass sie zuvorderst hordenweise, wild johlend, mit Masken verkleidet, brennende Fackeln und Kerzen (das meint Pyrotechnik) schwingend, bereits durch die mittelalterliche Doppelstadt Berlin-Cölln sind gezogen.

Mit Spießen und Stangen, mit Schellen und Peitschen bewehrt, Schweinsblasen bezogene Pappzylindern und Pferdehaaren über die Köpfe gestülpt – sogenannte Waldteufel vorstellend – und mit Sicherheit einen höllischen Lärm veranstaltend, zogen also die Berliner durch die Gassen der Residenz. Den Heiligen Geist (zumindest kostümierter Gestalt) mitten unter ihnen ging es in die Mitternachtsmesse.

Dem etwas stöckernsteifen König Friedrich Wilhelm I. wurde das Treiben zu bunt und im Jahre 1739 zu viel und er ließ das feucht-fröhlichen Treiben per Order schlichtweg verbieten, mit dem Kommentar:

„Wir vernehmen missfällig, (dass)… die Leute mit Kronen oder auch Masquen von Engel Gabriel, Knecht-Ruprecht usw. gegangen und dergleichen Alfanzereien mehr getrieben werden…So befehlen Wir euch hierdurch allergnädigst, den Tag vor Weihnachten die sämtlichen Kirchen des Nachmittags schließen zu lassen und überall in eurer Inspection scharf zu verbieten, daß so wenig die sogenannte Christ-Abend- oder Christ-Nachts-Predigten weiter gehalten noch das Quem pastores weiter gesungen oder dergleichen bisher üblich gewesene Alfanzereien mehr getrieben werden.“

Sein Sohnemann, der Große König, Friedrich II., ließ Weihnachtsbäume verbieten – aus forstwirtschaftlichen Gründen, sagt man. Erfolg hatte Friedrich der Große mit seinem Edikt, das die Bescherung auf den 25. Dezember festlegte.


Preußische Bescherung um 17 Uhr

Apropos Bescherung, die hatte rein familiär – und damit mehr oder minder verbindlich vorbildlich für alle ordentlichen Bürger im Staate Preußen – der Uropa des Alten Fritzen, der Große Kurfürst, anno 1663 die eingeführt. Pünktlich um 16 Uhr sang die Familie Hohenzollern ihre Weihnachtslieder ab, ehe es um 17 Uhr Geschenke für die Kinder gab.

Und vielleicht um der Idylle im Stadtschloß keinen Abbruch zu tun, machte sich bereits dieser große Herr Kurfürst daran, im Jahre 1686 die Weihnachtsumzüge abschaffen. Es mißlang bei seinen in dieser Angelegenheit doch so renitenten und trinkfesten Berlinern. Und zwar gründlich. Und so könnte man richtig ins Erzählen kommen. Von der Stutenfrau, die zur Weihnacht Umzug hielt. Oder wie die Kinder im Märkischen zur Weihnacht ihre Quemper-Gesänge angestimmt haben. Und vom „Kaiser-Kümmel“ im Hause Fontane und einer weihnachtlichen Einkaufliste aus Dichters Hand mit

„Hemden für Theo jun., Strümpfe für Fritz, 3 Schürzen, Schürze Clementine, Ottos Anzug, Süßigkeiten und Pfefferkuchen“.

Ja, und auch warum die Leute zwischen Weihnachten und dem Fest der Heiligen Dreikönige „nicht gebacken, keine Wäsche gewaschen und nicht gehämmert, sondern Kraft geschöpft für das neue Jahr" haben sollen. All das darf ich Ihnen, liebe Leser, heute nicht mehr erzählen. Die Zeit ist um, der Platz in diesem festlich geschmückten Blatt ist rar für solcherlei (so meinte der Herausgeber) – und ich räume hiermit für dieses Jahr den meinen an dieser Stelle jedoch nicht ohne den freundlichen/himmlischen Gruß: Gesegnete Weihnacht.


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