Schrille Töne, keine Harmonie

Schlammschlacht an der Musikschule geht weiter
Eltern, die ihre Kinder jetzt nach den Ferien wieder in die Musikschule Treptow-Köpenick schicken, werden sich wundern. Die Leiterin, Lucia Stark, ist nicht mehr da. Sie musste direkt zu Beginn der Sommerferien ihren Hut nehmen – was für die meisten überraschend kam.

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Denn es war doch alles in Butter: Als Lucia Stark im Januar ihr Amt an der Joseph-Schmidt-Musikschule antrat, schien der alte Hickhack vergessen, dass der Bezirk die Treptow-Köpenicker Musikschule kaputt spare. Dieser Vorwurf war ja immer wieder laut geworden. Zwar wirkte (und wirkt) der Verlust zahlreicher freier Musiklehrer und der Schüler nach. Aber mit Direktorin Lucia Stark zog ein neuer Geist ein. Sie eroberte die Herzen der verbliebenen Lehrer im Sturm. Schüler und Eltern konnte sie ebenfalls begeistern. Die Zahl der Anmeldungen nahm zu. Das bestätigt auch Kulturstadtrat Michael Vogel.

Am 12. Juni haben wir vom Maulbeerblatt sie besucht. So viel Gutes war zu vernehmen, das macht misstrauisch.

Lucia Stark war eine der Letzten im Büro am Donnerstagnachmittag. Sie schwärmte vom Bezirk, dem Gebäude an der Freiheit 15. Sie verwirklichte neue Ideen: Mit Stadtrat Vogel hatte sie Kitas und Grundschulen Besuche abgestattet. „In einem so großen Bezirk kommen nicht alle potenziellen Schüler zu den zwei Standorten nach Adlershof und in die Altstadt. Also muss die Musikschule zu ihnen kommen.“

An der „Wista“ in Adlershof wollte sie Mittagskonzerte ins Leben rufen: Wissenschaftler waren eingeladen, beim Chor in der Mittagspause mitzusingen. „Das entspannt und weckt neue Kräfte“, sagte Lucia Stark. Ebenso lobte sie die Zusammenarbeit mit Kulturamtsleiterin Anette Indetzki und Kulturstadtrat Michael Vogel.

An diesem Wochenende muss das Damoklesschwert aber schon über ihr gehangen haben.

Beim Musikschulfest einen Sonntag später, am 21. Juni, war eine andere Musikschulleiterin anzutreffen. Auf den ersten Blick sah ihr niemand etwas an, geschmackvoll gekleidet, in Kostüm und Pumps musste sie repräsentieren, lächeln, zuvorkommend sein.

Aber gerüchteweise war durchgesickert: Sie solle ihren Posten räumen, die Probezeit war abgelaufen und werde nicht verlängert. Sie selbst äußerte sich mit keiner Silbe dazu, aber ihre Mimik konnte sie nicht beherrschen. Einen Monat später, pünktlich zur Sommerpause, als alle in die Ferien verschwanden, war das Kapitel „Lucia Stark“ beendet.

Sofort stellt sich die Frage, warum hier jemand zum Teufel gejagt wird, der doch offensichtlich alles richtig gemacht hat. Um es vorwegzunehmen, die Antwort lässt sich kaum finden. Erstens weil die wichtigste Akteurin dazu schweigt: Lucia Stark ist abgetaucht, und Anette Indetzki, auf deren Empfehlung die Probezeit so ein jähes Ende fand, hält sich ebenfalls bedeckt. Zweitens ist sogleich wieder die alte Schlammschlacht entbrannt. Auf der einen Seite Vogel und Indetzki, auf der anderen Seite Eltern vom Förderverein der Musikschule, namentlich Gunter Lorenz und Claudia Zell.

Diese beiden witterten gleich eine Verschwörung: Claudia Zell spricht von zeitlichen Zusammenhängen, Merkwürdigkeiten und nebulöser Informationspolitik und sieht dringenden Handlungsbedarf. Sie wirft der Kulturamtsleiterin Indetzki vor, Senatsgelder, die ausschließlich für die Honorare der Musikschullehrer bestimmt waren, zweckentfremdet zu haben. Indirekt stellt sie einen Zusammenhang zur Kündigung der Musikschuldirektorin her: Ob sich Lucia Stark auch für die Verwendung der Gelder interessiert habe? Ob sie unangenehme Fragen gestellt habe? Ob das der Grund sei, warum sie gehen musste? Zeitliche Parallelen lassen sich nicht leugnen. Ebenso wenig, dass Anette Indetzki von 245.000 Euro an Senatsgeldern 139.000 Euro ausgegeben hat. Mehr Unterricht hat es an der Joseph-Schmidt-Schule dennoch nicht gegeben. Also, wo ist das Geld geblieben?

Wahr ist aber auch, dass die beiden zweitrangige Begebenheiten maßlos aufblähen, im Internet finden sich Berichte von Gunter Lorenz und Claudia Zell, die haarklein beschreiben, wie kompliziert es sei, Akteneinsicht zu bekommen, die Gunter Lorenz beantragt hat. Er wollte den Bericht von Anette Indetzki einsehen, in dem sie gegenüber dem Senat Rechenschaft für die Sondermittel abgelegt hat. All die Details, die Lorenz minutiös ausbreitet – nachzulesen auf promsk.wordpress.com – sind sicherlich haarsträubend. Er nimmt Wartezeiten und hohe Gebühren auf die Schippe. Aber den fairen Ton, der auf der Webseite des Fördervereins angemahnt wird, den lässt er selbst bisweilen vermissen. Immer wieder finden sich Passagen, in welchen dem Kulturamt und dem Stadtrat Vogel Unfähigkeit vorgeworfen wird.

„Solch ein Ton ist eines Fördervereins, der doch das Wohl der Schule im Blick haben sollte, nicht würdig“, sagt der geschmähte Stadtrat selbst. Er jedenfalls wird mit Gunter Lorenz nur noch in Anwesenheit von Zeugen sprechen. Vogel ist sauer: „Wenn die eine Seite mit Dreck schmeißt“ – gemeint ist Lorenz – „dann kann die andere Seite nicht ruhig zusehen. Der Mann fährt einen persönlichen Rachefeldzug gegen Frau Indetzki, anders lässt sich das nicht erklären.“ Konsequenz: Gegenüber Lorenz findet, so Vogel, nur noch Dienst nach Vorschrift statt.

Damit hat sich Gunter Lorenz keinen Gefallen getan. Denn dass Indetzki für eine Akteneinsicht 100 Euro Gebühren verlangt und die Kosten mit einem aufwendigen Kopiervorgang erklärt – das ist tatsächlich absurd. Aber das an die große Glocke zu hängen, löst nicht die Frage nach dem Verbleib der Gelder – wofür die für den Musikunterricht vorgesehen 139.000 ausgegeben wurden. Es verhärtetet nur die Fronten. Und schon gar nicht lösen solche Querelen die Probleme von Lucia Stark.

Der Grund dafür, sie nicht weiterzubeschäftigen, sei jedenfalls woanders zu suchen, sagt Vogel. „Ihre Wirkung ins Kollegium hinein war unbestritten gut“, gibt er zu, „aber die Zusammenarbeit mit der Verwaltung hat sich nicht so dargestellt, wie wir uns das gewünscht haben.“ Mit „wir“ meint er Anette Indetzki und sich. Was denn nun so schlecht lief mit der Verwaltung wollte Vogel nicht sagen: „Datenschutz!“ Aber dann macht er doch ein paar Andeutungen über Vergaberichtlinien und kommt zum Schluss: „Ich konnte eine Weiterbeschäftigung mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“

Und das Geld, die 139.000 Euro? „Sie sind nicht zweckentfremdet worden“, sagt der Stadtrat. „Das ist nicht immer eins zu eins umsetzbar, andere Bezirke haben damit auch Probleme.“

Darum überlegt man beim Senat inzwischen auch, die Honorargelder zentral zu verwalten und auszuzahlen. Der Musikschulrat glaubt übrigens , viele Bezirke gäben die Gelder für andere Dinge aus.

Vielleicht ist mit dem Senatsvorstoß Treptow-Köpenick am meisten gedient. Zumindest würde er den alten Grabenstreit beenden. Nur für Lucia Stark öffnet sich keine Perspektive.


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