Das Armutszeugnis des Reichtums Teil 3

Die Postwachstumsökonomie – eine machbare Utopie
Der Zins ist ein Werwolf und die Knappheit des Geldes ein Märchen, das eigentlich mit dem modernen Ideal der Menschenwürde nicht zusammenpasst. Dass jeder Mensch eine unantastbare Würde hat und damit einen unveräußerlichen Wert, das klingt in einer Gesellschaft, in der Geld als Ressource und als Wert an sich gilt, als höhnische Phrase. Geltung hat, wer Geld hat – wer keines hat, der gilt auch nichts; wer zahlen kann, der zählt was – wer nicht zahlen kann, ist anund dann auch ganz schnell ausgezählt: So funktioniert die Logik des Kapitalismus. Ene mene muh und raus bist du, friss dein Hartz und halte Ruh.

Auch die Logik der Volkswirtschaft, nach der die Preise steigen, wenn die Waren knapp sind und die Nachfrage groß, ist ein kapitalistisches Märchen, denn genausowenig wie das Geld knapp ist, sind es auch die Waren – selbst in den größten Hungersnöten, in der Hungerblockade 1916/17 etwa, gab es durchaus Nahrungsmittel, nur gehörten sie halt anderen Leuten. Selbst in den ärmsten Zeiten gibt es Superreiche, für deren Speisekammern und Portemonnaies die Gesetze der Volkswirtschaft nicht zu gelten scheinen.

Man sieht hier schon, dass man, um das marode System zu heilen, mehr tun muss, als nur mal eben so ein wenig Regionalgeld auf den Markt zu schmeißen und zuzugucken, wie die Hippies und Anthroposophen dazu rumhüpfen. There’s something rotten in the State of Denmark, und nicht nur da, und früher oder später wird es auch die Altvorderen in den Tümpel reißen, nicht nur die Hippies mit ihren blumigen Thesen. Eine „Abkehr vom Prinzip der Konkurrenz hin zum Prinzip der Kooperation, eine der größten menschlichen Stärken“ wünscht sich der Occupy- Aktivist Marius Godelet, und ich sehe hier schon die Konservativen höhnisch grinsen und sich an die Stirn tippen: Was will der Hippie? Kooperation statt Konkurrenz? Ein frommer Wunsch, denn der Mensch „an sich“ ist doch bekanntlich ein egoistisches Arschloch!

Aber da wäre ich mir gar nicht so sicher, denn zwei wesentliche Aspekte, die den Menschen zum Arschloch machen, sind ja der Zins sowie der Mythos von der Knappheit des Geldes. Würden Regiowährungen mit Negativzins eingeführt werden, die die Gemeinde je nach Bedarf selbst schöpfte, so würden sich Egoismus und Arschlochsein ziemlich bald zurückbilden, weil sie überflüssig wären.

Es ginge dann nicht mehr darum, sich auf das Geld zu stürzen und möglichst viel davon beiseite zu schaffen, weil das Geld als Ressource keinen Wert mehr hätte, sondern nur noch als Tauschmittel. Sprich: Wer etwas benötigt, kann sein Geld dafür eintauschen; wer mehr Geld hat, als er eintauschen muss, kann dieses überschüssige Geld ohne Gewissensbisse dem geben, der noch was braucht, denn wenn er es behielte und hortete, müsste er dank der Demurrage Gebühren zahlen. Und es zu horten, damit man „in Notzeiten“ auch welches habe, wäre ebenfalls nicht mehr nötig, da sich das umlaufgesicherte Regiogeld ja jederzeit selbst schöpfen ließe.

Wie sähe dann die Wechselbeziehung zwischen Regiogeld und Euro aus? Godelet: „Der Euro würde für all die Sachen verwendet, die wir nicht lokal herstellen können und aus anderen Regionen Europas einführen müssen oder in diese ausführen, sowie für den globalen Zahlungsverkehr als eine Art europäische Verrechnungseinheit innerhalb und außerhalb Europas. Regiogeld wäre hierzu keine Parallel-, sondern eine Komplementärwährung, die den Euro ergänzt und nicht ersetzt.“

Naja, sagt der Skeptiker. Aber was soll das dann für eine Utopie sein? Für die wirklich wichtigen Dinge wie Miete, neues Auto und neue Möbel ist euer Hippiegeld nicht verwendbar, und das können sich dann doch wieder nur die leisten, die genügend „richtiges“ Geld haben?

Nein, sagt Godelet, denn diese angeblich „wirklich wichtigen Dinge“ würden ihre Wichtigkeit ebenfalls verlieren. Auch Mieten würden dank einer Bodenreform anders aussehen, und da ja dann auch der zinsbedingte Wachstumszwang wegfiele, würden sie nicht immer teurer werden. Und Möbel, Autos, Schmuck, teure Klamotten – mal ehrlich: Ist das nicht alles zu einem Großteil nur Angeberei, gewachsen auf jenem Mist, nach dem der Status des Menschen und damit sein Wert nach seinem Vermögen berechnet wird?

„Vermögen“ – das ist auch so ein Wort, das sich der Kapitalismus unter den Nagel gerissen hat und es nur noch auf Geld bezieht. Dabei kann es für viel mehr stehen: für Talente, Begabungen, Interessen. Diese weitgehend vernachlässigte Bedeutung käme wieder zum Tragen, wenn als weitere logische Konsequenz des Wechsels zur sogenannten Postwachstumsökonomie das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) eingeführt würde.

Hartz IV, die Stütze für die Ausgezählten und Wert-Losen, die sich nicht genügend Wert (Geld) krallen können, wäre passé, da der Mensch mit dem BGE im Rücken nicht mehr nach Geld bewertet würde. „Hartz IV verstößt nicht nur gegen den Gedanken der Partizipation eines jeden, sondern auch gegen das Grundgesetz und gegen die allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Es ist damit als verfassungsfeindlich abzulehnen. Es erinnert vielmehr sehr stark an Goebbels ‚Abteilung Arbeitsscheu Reich’“, schreibt Godelet. „Wer innerhalb einer Kommune der Arbeit nachgeht, die er selbst für sinnvoll hält und die benötigt wird, tut zwangsläufig etwas Wertvolles für die Kommune; dies sollte also auch von der Kommune vergütet werden.

Geht mal also davon aus, dass so gut wie jede Tätigkeit Arbeit und so gut wie jede Arbeit sinnvoll und notwendig ist, kann man auch jedem diese Solidaritätseinheiten auszahlen.“ Wenn jeder Mensch qua Geburt ein Recht auf Leben hat, dann hat er auch ein Recht darauf, dieses Leben menschenwürdig leben zu können. Dies geht aber nicht, wenn bestimmte Personen für ihre Tätigkeiten mit Millionengagen honoriert werden, während andere mit ihrer Arbeit nicht einmal das Existenzminimum zusammenbekommen.

Auch Kunst ist sinnvoll, auch Literatur, Musik, Malerei, Philosophie sind Vermögen, die man für die Gemeinschaft investieren kann und für die man angemessen vergütet werden sollte.

John Lennon sang einst von „no need for greed or hunger“, und Adorno sprach davon, dass es ein „richtiges Leben im falschen” nicht gebe. Umso wichtiger, dass wir endlich ein richtiges Leben im richtigen führen.


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