1. Was ist für sie typisch Köpenick?
Die Klischees – Wasser, Wald, der Hauptmann. Es gibt von allem ein bisschen hier – wir sind ein bisschen Großstadt, ein bisschen Land.
2. Was lesen sie gerade vor dem Schlafengehen?
Wie lang sollte dieses Interview nochmal werden? – Unter anderem: „Firmin – ein Rattenleben“ von Sam Savage; „Dinge, die es nicht geben dürfte“ von Reinhard Habeck und „Die geheime Benedict-Gesellschaft“ von Trenton Lee Stewart. Ich lese immer irgendwas, meistens parallel, und es gibt trotzdem noch so viele gute und ungelesene Bücher da draußen.
3. Welchen Gegenstand würden sie auf jeden Fall aus ihrem brennenden Haus retten?
Ich habe eine Kiste mit alten Notizbüchern – so eine richtige Seemannsschatzkiste. Das sind so 30 Bücher, Songtexte auf Zetteln. Die würde ich gern meinen Kindern hinterlassen, also retten.
4. Einsame Insel. Wen nehmen sie auf gar keinen Fall mit?
Frau Schöttler, den Stasi-Fatzke mit dem silbernen Benz aus meiner Straße und die dicke Kassiererin von REWE.
5. Was tun sie um wieder ‚aufzutanken?
Ich bin total gerne am oder auf dem Wasser. Das ist für mich Lebensqualität – auch in Ermangelung von längeren Urlaubsmöglichkeiten im Moment. Naja und dann natürlich auch Zeit, die ich mit meiner Familie verbringe – das ist Auftanken für mich.
6. Zeitmaschine. In welche Zukunft oder Vergangenheit reisen sie und wen wollen sie dort treffen?
Ich bin da total der Junge – ich würde gern mal den Wilden Westen erleben, Billy the Kid und Pat Garret treffen und Obwohl, Mittelalter muss doch auch spannend sein.
7. Welches Lied könnten sie immer wieder hören und mitsingen?
‚Stop the Clocks von den Donots, „Mad Duck Bullit“ von Duck Soup und die komplette „Disintegration“ von The Cure.
8. Was war ihr Lieblingsessen als Kind?
Kartoffeln und Quark.
9. Woran glauben sie?
Mit Verantwortungsbewusstsein und Mitgefühl könnten wir eine bessere Welt schaffen. Das hat damit zu tun, was ich mir eigentlich wünsche – alle übernehmen Verantwortung, für das was sie tun, bzw. leben mit den Konsequenzen, wenn sie es lassen. Ich habe auch das Gefühl, dass wir heute eine Generation heranzüchten, die in einem Dienstleistungszeitalter groß wird und sich nicht mehr selbst drehen muss. Notfalls geht man in irgend ne Reality-Doku-Soup und lässt sich coachen. Krass, es ist doch die Verantwortung der Eltern, ihren Kindern Grundwerte beizubringen.
10. Was bringt sie zum Lachen?
Ich bin ein Fan von Alltagskomik, nichts ist so lustig, wie das Leben selbst.
11. Beschreiben sie sich mit nur einem Wort.
Eigensinnig.
12. Was ist ihnen peinlich?
Dummheit.
13. Haben sie ein Mantra?
Nein, mehrere. Erich Kästners – Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Aber auch – Fresse halten, besser machen! Und: Nicht mit dem Strom, nicht gegen Strom – Welle machen!
14. Was möchten sie in den nächsten 10 Jahren erreichen?
Ich würde gern mindestens ein Kinderbuch raus bringen und hoffe, dass Matthias (Vorbau) die Bilder macht. Außerdem würde ich gern erreichen, dass ich nicht mehr soviel arbeite wie in den letzten vier Jahren – 10 Tage im Monat zu arbeiten wäre genau richtig. Oder 3.
15. Von all ihren schlechten Angewohnheiten – was ist ihre liebste?
Dass ich eigensinnig bin. Was denn sonst?
16. Wen bewundern sie am meisten?
Alle, die ihr Ding machen. Leute, die einfach machen, was sie glauben machen zu müssen – das ist so viel besser als einfach nur vor sich hin zu jammern. Wenn man bei Edeka die Regale einräumt, obwohl man davon träumt Reporter zu sein oder wenn man perfekt Bass spielt und trotzdem in einer Bank arbeitet – das verstehe ich nicht.
17. Was treibt sie an?
Ehrgeiz – beruflich wie privat. Ich habe nie Langeweile – mein eigener Antrieb ist eine Grundeigenschaft von mir. Selbst entspannen tue ich aktiv. Ich bin nicht der Typ, der da liegen kann, um in die Wolken zu starren. Ich lese dann ein Buch oder sortiere CDs, wenn ich frei habe.
Wir sitzen im Feine Dahme Garten und schauen aufs Wasser. Im Hintergrund donnert ein Feuerwehrauto nach dem anderen Richtung Adlershof. Trotzdem schafft der Lärmpegel es nicht, hier irgendwie Stress zu verbreiten. Die große Trauerweide über uns, lässt einen automatisch einen Gang runterschalten. Kai Lypse hat zwar Laptop, Terminplaner und ein Anleitungsbuch für den neuen Bootsmotor vor sich auf dem Tisch, aber das sieht hier draußen trotzdem nicht nach Arbeit aus.
Obwohl er in Mitte geboren wurde, kam er mit drei Monaten (naja – mit drei Monaten wohl eher verschleppt) nach Köpenick und ist hier im Kietz auf der anderen Seite der Altstadt in Spindlersfeld aufgewachsen. Auch wenn er sich in der wilden Sturm und Drangzeit zwischen 14 und 25 überall in Berlin und Deutschland herumgetrieben hat, so ist es doch dann wieder Köpenick geworden – ganz freiwillig. ‚Ich liebe meine Rand – auch wenn es Fluch und Segen zugleich ist. Ich kenne natürlich inzwischen verdammt viele Leute hier. Wenn ich durch die Altstadt gehe, komm ich immer mit jemandem ins schwatzen. Aber irgendwie ist das auch gut. Ich mag das.
Warum Hörbücher? Als Autor und Regisseur gibt es doch auch anderes. Kai findet das Hörmedium spannender. Beim Hörspiel legen sich die Schauspieler einfach mehr ins Zeug. Wenn das Visuelle wegfällt, holen sie noch mal was ganz anderes aus sich heraus. ‚Ich liebe das einfach. Schon als Kind konnte Kai Reinhard Lakomys den ‚Traumzauberbau. und ‚Mimmelitt, das Stadtkaninchen mitsprechen. Hörspiel und Buch liegen für ihn sehr nah beieinander. Die haben mir einfach das Leben gerettet und verhindert, dass ich ein Vollidiot werde.
Seit 2000 ist er ‚dabei in der Hörspielproduktion, auch wenn er erst seit vier bis fünf Jahren gut davon leben kann. Weitermachen möchte er auf jeden Fall, aber nicht mehr arbeiten, um der Arbeit willen – sondern selbstständig sein, um auch die Freiheit zu haben, sich Zeit für seine Familie zu nehmen. Während ich ihm zuhöre und an meiner Kirschschorle nippe, muss ich über mich selbst lächeln. Noch vor einem Jahr hätte ich die ständigen Verweis auf neue Prioritäten – seinen Sohn und das Familienleben – zwar irgendwie respektieren können, aber nicht wirklich nachvollziehen. Wenn man seine Arbeit so sehr liebt, kann einen da Kind und Familie aus der Arbeitswut herauszähmen? Aber heute sitze ich unter der Trauerweide mit meinem Vier-Monats-Bauch und weiß genau, was Kai meint.
Arbeit und sein eigenes Ding machen – klar. Aber es stellt sich was anderes daneben, was die eigene Lebensverliebtheit genauso inspiriert und manchmal eben auch wichtiger und vor allem größer ist. ‚Es ist ein riesiges Glück, mit dem sein Geld zu verdienen, was man liebt – ich hab auch lange und hart dafür gearbeitet. Es ist wichtig, dieses Glück zu haben. Aber es ist nicht das Wichtigste.
Die Liebe für das Hörspiel aus Kinderzeiten inspiriert auch sein Traumprojekt – er hat die Hörspielrechte für ‚Spuk unterm Riesenrad gekauft. ‚Das Buch habe ich als Neunjähriger gelesen und eigentlich erst danach die Fernsehserie gesehen. Auch handwerklich begeistert mich diese Geschichte. Ich werd das machen. Das Produktionsgeld liegt aber hier in der Terrasse. Im Moment ist die Feine Dahme mein Hörspielprojekt. Ich hatte zwar schon Walher Plathe, Katja Peryla und Heinz Rennhack ‚im Ofen – so richtig gute alte Schauspieler – aber das ist jetzt ein Familienprojekt hier. Und wenn ‚Spuk zum 25. Jahrestag des Mauerfalls erscheint, ist es auch noch gut.
Von dem, was er bisher gemacht hat, ist sein Lieblingsprojekt nach wie vor, seine eigene Serie ‚WUPP – die Dimensionsjäger. Leider geht es damit nicht weiter. ‚Ich habe da tage-, wochen- und monatelang dran gesessen und geschraubt und es gibt nichts wofür ich mir je so den Arsch aufgerissen habe. Das ist wohl auch mein spektakulärster Misserfolg. Es gibt zwei Folgen, die sich auch nicht schlecht verkauft haben – aber die Produktionskosten sind einfach zu hoch. Dem Hörbuchmarkt geht es zwar gut, aber dem Hörspielmarkt überhaupt nicht. Wenn man da mit 25 Leuten dran arbeitet und auch noch ein Orchester engagiert, kommen da so 20 – 30.000 pro CD zusammen und das macht kein Verlag mehr. Leider.
Als Autor versteht Kai Lypse am liebsten als Textoptimierer. Beim Schreibprozess ist er am liebsten beim Ideenfinden und beim Perfektionieren (‚den Gag nach dem Gag finden) involviert – das Schreiben und Formulieren selbst braucht er gar nicht unbedingt. Im Moment ist er ‚ein Schluffi und im ‚Ohne-Stress-Modus. Aber bald schon bahnen sich wieder neue Projekte an. Die Komiker schreiben ihre Programme im Herbst/Winter – weil sie im Sommer halt auch am liebsten Urlaub machen. Bei Kai Lypse ist dieses Jahr bis August nicht Urlaub sondern Elternzeit.
Da kommt auch schon ein Freund vorbei, der mit Bootmotoren mehr Erfahrung hat und endlich mal das ‚auf dem Wasser mit dem neuen Boot in die Wege leiten soll. Die Feuerwehr rast noch immer unermüdlich über die Brücke, da wird heute auch bei diesen heißen Sommertemperaturen garantiert der Kaffee kalt.