Heule heule Gänschen

Ich bin erledigt. Ich kann nicht mehr. Das Kind macht mich fertig. Eigentlich wollte ich einen hinreißenden Artikel schreiben. Über das aktuelle Zeitgeschehen, über die globalen Zusammenhänge zwischen moderner Demokratie und dem Liebesleben der Kieselsteine unter besonderer Berücksichtigung frühkindlicher Lallolalie. Aber daraus wurde nichts. Der sorgsam organisierte Arbeitseinsatz an der Tastatur musste entfallen. Denn das Kind schrie – und das ein paar Stunden lang. „Arm!“, verlangte das Kind. Ich nahm es auf den Arm. „Runter!“, hieß es gleich darauf. Ich setze das Kind wieder ab. „Arm!!“ rief es entrüstet und die Augen wurden feucht. Also wieder hoch. „Nein, runter Mama, runter!“.... das ging eine Weile hin und her. Das Greinen und Jaulen wuchs sich zu einem veritablen Schreianfall aus. Ich sang, das Kind brüllte. Ich las Geschichten vor, das Kind heulte lauthals. Ich schaffte das Lieblingskuscheltier und den Trösteschnuller heran – Gebrüll. Ich trug das Kind zur Musik von Rolf Zuckowsky tanzend durch die Wohnung. Mir war alles egal. Leider brachte mein Einsatz überhaupt keinen Erfolg. Ich ließ Badewasser ein, das Kind bekam einen hysterischen Anfall und warf sich bühnenreif auf den Badvorleger. Ich atmete tief durch. So ungefähr mussten die Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, FDP und SPD abgelaufen sein. Nur, dass Angela Merkel sich nicht schreiend mit tränenüberströmtem Gesicht an Philipp Röslers Hosenbein geklammert haben dürfte - „Neeein, nicht den Gauck!“ Obwohl, man weiß es nicht.... Das Abendessen landete auf dem Fußboden, die Milch auf dem Kind. Schlafanzug anziehen und Zähneputzen mutierten zur Schlacht der Generationen. Das Geschrei war martialisch. Meine physische Überlegenheit bezahlte ich jedoch wenig später fast mit einem Hörsturz. Die ersten Nachbarn klingelten an, ob alles in Ordnung sei. Kurz bevor uns der Kindernotdienst seine Aufwartung machen konnte, kam der Vater nach Hause. Von einem Moment auf den anderen war Ruhe. Das Kind strahlte und streckte seine kleinen Ärmchen nach ihm aus. „Na hattet ihr einen schönen Abend?“, fragte er gut gelaunt. Gott, war ich einsam!

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