Was macht die Kunst, Angelika Ludwig?

Türchen 1 des Maulbeerblatt-Sonderausgaben-Künstler-Weihnachtskalenders
»Künstler sind nicht überflüssig, doch Soldaten sind viel wichtiger«, singt Funny van Dannen. Aber was tun Künstler eigentlich so aus gesellschaftlicher Sicht? Gestalten sie tatkräftig unser aller Leben mit oder sind sie scheue Wesen - verschanzt im Elfenbeinturm? Vermögen sie es tatsächlich, die Gesellschaft zu bewegen? Was können wir von Künstlern über uns und die Zeit erfahren, in der wir leben? Und: Was kommt 2024 wohl auf  uns zu? Das wollten wir von ihnen selbst wissen und haben deshalb über die vergangenen Monate hinweg 24 bildende Künstler befragt, denen wir im Berliner Südosten begegnet sind. Den Auftakt macht Angelika Ludwig.
Die Köpenicker Küntlerin Angelika Ludwig in ihrem Atelier im Fischer-Kiez mit drei Pinseln in der Hand
Foto: Michaela Kaule

Ich überrasche mich oft selbst, dass ich in meinen Werken mehr spiegle von unserer Welt, als ich denke. Und als ich mir vor dem Malprozess vornehme. Da ist dann etwas drin, was ich selbst so lese und was natürlich kein anderer lesen muss.

Bei mir geht es immer um Harmonie und den Ausgleich zwischen Polaritäten, die unsere Welt ja ausmacht. Die Dualität zwischen Mann und Frau, Tag und Nacht, zwischen dunkel und hell und auch zwischen bestimmten Formen. Und mit diesen Ausgangspolaritäten muss ich letzten Endes mein Blatt bewältigen, das ist dann wie eine Szene auf einer Bühne. Es ist schon nicht besonders gemütlich auf dieser Welt, aber in meinen Bildern kann es wiederum gemütlich werden.

Einmal hatte ich die Idee, dass ich Zeitungsausschnitte, die Krieg oder anderes Schreckliches zeigen, einfach mit Malerei umsetze. Das ist aber absolut in die Hose gegangen. Ging gar nicht, weil da zu viel Absicht dahinter war und zu viel Pathos. Da verlasse ich mich in Zukunft lieber auf das Beiläufige und Unterbewusste.

2024 wird das Private politisch!

Für 2024 hoffe ich, dass wir nicht außer Balance kommen, dass es nicht in eine menschenverachtende und sozial noch ungerechtere Welt umschlägt, sondern dass es weiterhin Kräfte gibt, die zu Korrekturen fähig sind. Der Kipppunkt ist doch erreicht, denke ich. Wir sind im freien Fall und müssen eine ganz scharfe Kehrtwendung machen.  Wir hatten damals die Wende und jetzt haben wir die Zeitenwende. Das wäre ja schon mal ein wunderbares Thema, wozu man künstlerisch arbeiten könnte, um aus seinem eigenen egozentrischem Tun herauszukommen und gemeinsam mit anderen Kunstschaffenden im Bezirk die Initiative zu ergreifen.

 

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Diese kreative Demonstration damals am 4. November 1989, die hatte auf jeden Fall eine künstlerische Basis, wenn ich an all die selbstgemalten Plakate und Sprüche damals auf dem Alexanderplatz denke. Leider ist heute nicht mehr so eindeutig wie 1989, wo der Gegner zu verorten ist. Es war damals ja auch nur eine kurze Zeit der Utopie. Heute sind die Utopien verloren gegangen. Aber ich finde, es ist ein guter Ansatz, dass die Künstler sich vielleicht ein bisschen bündeln und zusammen was entwerfen und im Austausch sind über das Private hinaus. 2024 wird das Private politisch!“


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