Der Eiserne Botschafter Matti Michalke

Zurück nach Köpenick
Erstveröffentlichung am 17.09.2014
Wer macht denn sowas?, dachte ich, als ich zum ersten Mal die lebensgroßen Porträtfotos der Unionfans im Stadion sah. Ich war neu in der Alten Försterei, es wird ungefähr 2004 gewesen sein. Ich wusste sofort: Wenn je ein Verein meiner wird, dann dieser.

Matti Michalke hieß der Mann, der sich das ausgedacht hatte. Sein Projekt damals waren die Eisernen Menschen. Matti ist Zeichner. „Ich illustriere. Es hat sich herauskristallisiert, dass ich in erster Linie für Schulkinder illustriere, und in der Folge auch für deren Eltern. Es gibt kaum jemanden in der Stadt, der schneller als ich ein Müllauto malen kann.“

Matti ist Werber. „Ich denke darüber nach, wie andere Dienstleistungen oder Produkte besser verkaufen können, besser präsentieren können als zuvor.“ Vor allem aber ist Matti ein aufmerksamer Mensch. „Ich bin neugierig, ich kuck‘ in die Ecken. Das ist meine Art der Annäherung. Ich muss in die Ecken kucken, damit ich etwas weiß. Ansonsten interessiert es mich auch nicht.“ Deshalb sieht er keine Champions-League, sagt er.

„Wenn ich eine Sache nicht kennen lernen darf, dann will ich sie nicht haben.“

Darum, dass er Union kennen lernt, hat sich Mattis Opa gekümmert. „Wichtig war ihm, dass ich nicht zu Dynamo gehe.“ Matti erinnert sich an die Familienausflüge zum Müggelturm „mit und ohne Fahrrad, mit und ohne Stützräder. Das war unser Kiez, das war unsere Heimat. Union hat in unserer Heimat Fußball gespielt. Der Prenzlauer Berg war weit weg.“ Wie viele andere Jungs hat Matti auf dem Wäscheplatz gebolzt. Mit mäßigem Erfolg. Und mit Bernd Quade. „Unser bester Spieler auf‘m Wäscheplatz!“ Dass seine eigenen Stärken woanders liegen, wusste er längst. „Ich hab‘ so wenig Ahnung von Fußball, nach wie vor. Ich staune immer über die Bescheidwisser um mich herum. Ich bin eher überrascht und freu mich, wenn wir nicht verlieren. Das reicht mir eigentlich. Ich habe nicht vor, dem Trainer Ratschläge zu geben. Schlichtweg, weil meine Ratschläge nicht zu gebrauchen sind. Die müssen mich auch nicht einwechseln.

Es reicht mir aber nicht, da zu stehen, Bier zu trinken, zu singen und eine Fahne zu schwenken. Ich will dann sofort eine Fahne malen.“ Weil Matti gerne in großem Maßstab denkt, malt er nicht nur eine Fahne, sondern richtet beim Drachenbootrennen eine Fahnenmalstraße ein.

„Wenn Du was machen willst, unabhängig davon, was du kannst, findest Du bei Union Dein Betätigungsfeld.“

Mit dieser Überzeugung hat Matti die Fotos der Eisernen Menschen in den Pufferblock gebracht, einen Bildband veröffentlicht, einen Film gemacht, einen Fanclub gegründet. „Die verschiedenen Kulturen im Stadion interessieren mich. Die Kutten, obwohl ich nie eine hatte. Mich hat aber auch die Subkultur der Ultras sehr beeindruckt, weil ich dachte, die Jugendlichen sind immer schwerer für Gemeinsinn zu erreichen. Das ist, zumindest was Fußball betrifft, so nicht richtig.“ Was im Umfeld von Fußball entsteht, sollte aufbewahrt werden, findet Matti. „Damit der Moment wiederkehren kann. Alle haben Museen. Wir haben gar nichts. Es gibt keinen Ort, wo die Dinge, die uns allen kollektiv gehören, zusammengeführt werden. An dem wir uns treffen können, unsere Geschichte erzählen können.

Diesen Dingen würde ich gerne eine Heimat geben. Einen Ort, an dem sie lange, lange bleiben können.“ Auch für die Porträts der Unionfans müsste dort Platz sein. „Es kommt nichts weg. Die haben gelitten, wie alles, was draußen ist. Aber das ist Leben, Leben hinterlässt Spuren.“ Spuren hält Matti für zulässig. Als nächstes würde er gerne mal wieder etwas Größeres machen, sagt er. Ein Haus einpacken etwa. Am liebsten sein eigenes, denn vor allem anderen möchte Matti zurück nach Köpenick.


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