Wie man Fußball aushält

Der Fanbeauftrage des 1. FC Union Tino TeeCee Czerwinski
Erstveröffentlicht am 25.11. 2014
Gestern verstarb Tino Czerwinski mit nur 58 Jahren. Er moderierte die Fantreffen des 1. FC Union Berlin seit es Fantreffen gibt. Er stand damit, ebenso wie durch seine frühere Tätigkeit im Vereinspräsidium, in der Öffentlichkeit. Lesen Sie aus diesem traurigen Anlass Stefanie Fiebrigs Portrait aus dem Jahre 2014.

Foto: Stefanie Fiebrig

Klar, dachte ich: Den kenn’ ich natürlich. Der heißt in echt TeeCee, und den kennen doch alle.Seine Arbeitskollegen sagen Tino, nicht TeeCee. In seinem Spind hängt ein Union-Trikot, „weil man nie weiß, wie der Tag wird.“ Tino arbeitet im Oberstufenzentrum KIM. Junge Erwachsene machen hier ihr Abitur oder eine Berufsausbildung in Medienberufen. Er kam aus dem Werk für Fernsehelektronik, von der Betriebsberufsschule.

Seine Schule wurde als Filiale übernommen, er wurde in den Wedding versetzt. Die neuen Kollegen zeigten viel Verständnis für seine Fußballleidenschaft. Eigentlich wollte er Journalist werden, erzählt Tino.

„Ich hab dann aber festgestellt, dass das mit meinem Freizeitverhalten nicht zusammen passt. Aber aus diesem Berufswunsch Journalismus heraus habe ich immer noch Freude daran, zu erzählen und zu schreiben.“

Groß geworden ist er im Baumschulenweg. Ein Berliner, der Berlin nie verlassen hat. Während der Armeezeit lernte Tino Andreas Freese kennen, den Seemann, wie ihn die Unioner nannten. Der war sein Vorgesetzter.

„Ich weiß nicht, ob er zuerst meinen Union-Wimpel im Schrank sah oder ich seinen, wir hatten jedenfalls beide einen.“

Sie sind zusammen zu Unionspielen gefahren, an den Wochenenden. Obwohl sie weder Ausgang noch Urlaub hatten. „Irgendwie haben wir es alle Nase lang hingekriegt. Unerlaubtes Entfernen nannte sich das. Man hätte dafür schon mal zwei, drei Tage in dieses komische Armeegefängnis gekonnt.“

Unter Horst Kahstein war Tino Teil des Präsidiums des 1. FC Union Berlin. „Als keiner mehr wollte. Als wir fünfzig Konkursanträge gegen uns hatten. Zu diesem doofen Zeitpunkt war ich verantwortlich für Fanangelegenheiten und Rechtsfragen.

„Das war so zeitintensiv, weil es keine geregelten Arbeitsabläufe gab, in der Geschäftsstelle. Weil wir einfach pleite waren. Wenn man 20 Briefmarken brauchte, musste man den Präsidenten fragen, ob man 20 Briefmarken haben kann. So war die Zeit.“

Die Ruhe zu bewahren hat er dabei gelernt. „Als Fanbeauftragter musste ich an die Öffentlichkeit gehen.“ Gemeinsam mit Stefan Hupe hat Tino die Demo von 1997 durch das Brandenburger Tor organisiert. Die Fantreffen jener Zeit hatten wenig mit dem gemeinsam, was sie heute sind. „Wir haben diese Treffen gemacht, um abzusprechen: Wer druckt Flugblätter, wer bringt die mit, wer meldet die Demo bei der Polizei an. Das haben wir vergessen, dummerweise. Und wurden fast verhaftet. Das war keine Bespaßungsveranstaltung. Das war wirklich nötig, weil die Kommunikationsmittel, die es heute gibt, einfach nicht zur Verfügung standen.“

Es ist ein Mittel der direkten Kommunikation geblieben. „Wenn´s mal doof läuft, haben wir immer noch das Fantreffen, um etwas zu regeln, uns zu erklären, ohne Presse dazwischen. Und weil ich das von Anfang an moderiert habe, ist das einfach so geblieben.“ Tino trägt eine lange Uniongeschichte mit sich herum. Er hat vielleicht nicht alles, aber doch sehr vieles gesehen.

Manches setzt ihm zu. Der Sonderweg von Union in der Frage des Sportdirektors etwa. „Da habe ich Bauchschmerzen, und wenn du mich fragst, ob ich meinen kritischen Blick bewahrt habe, dann habe ich nicht nur meinen kritischen Blick bewahrt, sondern da mache ich auch mein Maul auf.“ In anderen Fragen beweist er dafür erstaunlich viel Abstand und eine große Gelassenheit. „Ich kenne Zeiten, da wusste ich, wenn wir dieses Jahr nicht aufsteigen, könnte es sein, dass es den Verein nicht mehr gibt. Ich habe Diskussionen erlebt, wo es hieß:

Komm, wir lassen das mit dem Männerfußball.

Turbine Potsdam macht es vor, wir machen einen Frauenfußballverein aus Union. Unter Bertram hieß es: Okay, scheiß drauf, wir melden Insolvenz an. Wir kommen hier nicht mehr raus. Und immer, wenn ich richtig wütend bin, oder besonders traurig, ziehe ich mich auf eine Position zurück und sage: Aber insgesamt gehts uns doch gut! Ich weiß, dass ein Abstieg vielleicht trotzdem dafür sorgen würde, dass Leute entlassen werden, oder zumindest vorübergehend in die Arbeitslosigkeit marschieren müssten.

Es würde uns sehr zurückwerfen. Aber andere Union-Sachen - alles außer Fußball - würden erhalten bleiben. Früher hätten wir das verloren. Dann kämpfst du halt jetzt gegen den Abstieg. Das finde ich total blöd, raubt mir auch die eine oder andere Nacht, aber bringt mich nicht um. Aushalten kann man das.“


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