„Natürlich spiegele ich die Gesellschaft, aber immer aus meiner ganz subjektiven Perspektive. Und die Kunst besteht sozusagen darin, die Vermessenheit zu besitzen, diese eigene Perspektive ernst zu nehmen und ihr einen Ausdruck zu verleihen. Das ist eigentlich schon das ganze Geheimnis. Das ist ja überhaupt das Sensationelle an meinem Beruf: Ich muss gar nichts. Es gibt keine Vorgaben. Gibt es eigentlich einen anderen Beruf, bei dem es keine Vorgaben gibt?
Der Kunstmarkt mit Galeriebetrieb, den Messen, Ankäufen, Ratings, Versteigerungen produziert eine Ware. Diese wird mit Wert und Aura aufgeladen und generiert dann unglaubliche Summen, die als Investitionsmöglichkeit interessanterweise von denen genutzt wird, die massiv daran verdienen, dass die Gegenwart so aussieht, wie sie gerade aussieht. Es ist die Kaufkraft jener, die leider zu oft auf Gentrifizierung, Zerstörung der Natur und weiteren Verwerfungen, die unsere Gesellschaft herausfordern, basiert.
Die größten Sammlungen sind von CEOs großer Unternehmen, die den Kunstmarkt dominieren.
Und um als Künstler*in in den Kunstmarkt zu kommen, muss man sich darauf konzentrieren. Das heißt, auf Ausstellungseröffnungen gehen, die wichtigen Leute kennenlernen, Atelierbesuche vereinbaren und sich wieder und wieder zu präsentieren. Also das ist mehr als eine 40 Stunden Woche. Das geht eigentlich gar nicht, es sei denn, Geld spielt keine Rolle.
Alle anderen haben noch einen Job, um ihre freie Tätigkeit und auch ihre Ateliermiete zu finanzieren. Und wenn du dann noch so verrückt bist und eine Familie gründest, dann ist für zu viele sogar ganz Schluss mit Kunst.
Es gibt nur wenige Künstler*innen in der Politik. Denn es besteht die Gefahr nicht mehr ernsthaft im Atelier tätig sein zu können. An dieser Grenze bewege ich mich ja auch mit meiner ehrenamtlichen Arbeit im bezirklichen Ausschuss für Weiterbildung und Kultur, im Fachbeirat für Kunst im öffentlichen Raum und im Netzwerk Ateliergemeinschaften Treptow-Köpenick. Es macht Spaß, wenn man merkt, dass man etwas bewegen kann. Auch das ist künstlerische Praxis.
2023 war für mich persönlich super. Ich habe einen Kunst am Bau Wettbewerb gewonnen und jetzt ist es total aufregend, weil ich die Haftung für das Projektbudget trage. In meinen Netzwerken und im Berufsverband bemerke ich nach der Neuwahl in Berlin, dass die Budgets umgeschaufelt werden. Im Bereich Kultur stehen 2024 massive Einsparungen bevor, es werden Förderungen zusammengestrichen. Interessanterweise hat ja der Finanzsenator seinen Wahlkreis in Treptow-Köpenick. Ich befürchte aktuell, dass die Landespolitiker*innen sich viel mehr für Leuchtturmprojekte interessieren, statt auch für den lokalen kulturellen Humus zu sorgen, der die Künstler*innen erst hervorbringt.
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Es sind die selbst organisierten Projekte und Projekträume, die so wertvoll sind für den Zusammenhalt, für Diskurse, für neue Blickwinkel. Ganz schlimm ist die Aussage von Politiker*innen und leider bittere Tatsache, dass Kulturfinanzierung nur freiwillig und keine Pflichtaufgabe ist. Wir sind ziemlich verzweifelt, dass unsere gewählten Volksvertreter*innen überall den Rotstift ansetzen und die Strukturen, die Berlin eigentlich ausmachen, mit den einzigartigen kleinen Möglichkeiten, Räumen, Interventionen, aufs Spiel setzen. Das macht mir Sorge, muss ich sagen.
Ich bin voller Elan und Pläne und Projekte für das kommende Jahr. Ich habe dieses tolle neue Atelier, was der absolute Knaller für mich ist - ich kämpfe weiter dafür, dass solche Räume für Künstler*innen erhalten bleiben.“