Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn

Gregor Gysi, den Vertreter unseres Wahlkreises im Bundestag im Adventsinterview
Andere schreiben Weihnachtswunschzettel. Wir schreiben Interviewfragen an Gregor Gysi, den Vertreter unseres Wahlkreises im Bundestag. Und der antwortet prompt, trotz übervollem Terminkalender. So bleibt kein Wunsch offen.

gregor_gysi

Hallo Herr Gysi, vielen Dank, dass Sie dem Maulbeerblatt zum Jahresende ein Interview gewähren. Wo befinden Sie sich zur Zeit bzw. wohin sind sie gerade unterwegs?
Am 17. 11. bin ich in Berlin, fliege aber nach München. Am 18.11. fliege ich von München nach Hamburg. Abends komme ich nach Berlin zurück. Am 19.11. bin ich zunächst in Berlin und fliege dann nach Düsseldorf. Am 20.11. fliege ich von Düsseldorf nach Leipzig und fahre anschließend nach Berlin zurück und fliege dann nach Spanien. Dort halte ich an einer Universität eine Vorlesung und fliege am Samstag nach Istanbul, um von dort in den Irak zu reisen. Genügt das?

Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter uns: ISIS in Syrien und Irak, der Ukrainekonflikt – und von der Leyen und Gauck machen verbal mobil. Dazu auch noch Biermann, der die einzige Partei beschimpft, die militärische Auslandseinsätze ablehnt. Auf dem Klo scheint man auch nicht mehr sicher zu sein. Wie würden Sie das zurückliegende Jahr beschreiben?
Es war ein anstrengendes Jahr, ein Jahr mit Herausforderungen. Es gab schlimme Ereignisse, auf die Sie hinweisen aber immerhin wurde bei der Rente das erste Mal ein Schritt für eine abschlagsfreie vorzeitige Berentung und beim Lohn der Schritt zu einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gegangen. Es gibt Ausnahmen, die ich kritisiere, trotzdem wichtige Schritte. In unserem letzten Interview haben wir auch über den BER gesprochen. Vor kurzem sind neue Dokumente aufgetaucht: Es werden weitere 3 Milliarden Euro gebraucht. (Nun sind es also 8 – 2 sollten es ursprünglich mal sein.)

In unserem Interview September 2012 äußerten Sie Zweifel an einem neuen Standort für den BER. Wie sehen Sie die Lage heute?
Gerade, wenn immer mehr Milliarden in den Flughafen in Schönefeld gesteckt werden, wird es unwahrscheinlicher, dass ein Wechsel stattfindet. Wir müssen jetzt um den größtmöglichen Lärmschutz, um ein wirkliches Nachtflugverbot, um den Schutz des Müggelsees, um andere Flugrouten beharrlich weiter streiten.

Was würden Sie als Berliner Bürgermeister machen, wenn Sie dieses stattliche Sümmchen für den Landeshaushalt zur Verfügung hätten?

Ich würde mich auf jeden Fall dafür einsetzen, dass wir einen Wohnungsbau bekommen, der die Mieten erträglich machte, dass wir bei den Gemeinschaftsschulen in der Bildung endlich vorankämen und dass es ein Mehr an Kultur überall in Berlin gibt.

Planungen wie beim BER, Verhandlungen ohne Einbeziehung der Bürger, die beratungsresistente Durchführung gegen sachliche Argumente und zum Vorteil einiger Weniger erinnern an das was hierzulande immer an Chinas Großprojekten kritisiert wird. Ist das die marktkonforme Demokratie, die Merkel meint? Ein Vorgeschmack auf das was kommt, wenn TTIP und CETA ratifiziert werden?

Eine marktkonforme Demokratie gibt es nicht. Eine Demokratie muss sogar dafür sorgen, dass der Markt dort reguliert wird, wo es dringend notwendig ist. TTIP und CETA müssen verhindert werden. Die damit verbundene Entmachtung der staatlichen Gerichte, das Verbot von Investitionshemmnissen und vieles andere mehr müssen ausgeschlossen werden.

Ihre Partei schickt sich an, den ersten linken Ministerpräsidenten eines Bundeslandes zu stellen. Auch wenn der Bundespräsident das anders sieht, ist die Linke offensichtlich in der BRD angekommen – vielleicht auch weil sie ursozialdemokratische Themen glaubwürdiger vertritt als deren Urheber. Braucht Deutschland noch eine SPD?

Über die Parteien, die die Gesellschaft benötigt, entscheidet die Gesellschaft bei Wahlen. Ich kann mir Deutschland ohne die SPD nicht vorstellen. Das ändert aber nichts daran, dass ich an ihrer Politik deutliche Kritik übe. Es ist auch gut, dass sie eine Konkurrenz von links hat, die an ursozialdemokratische Themen glaubwürdiger herantritt. Wir setzen die SPD so unter Druck und das braucht sie auch.

Wollen Sie eigentlich auch noch „mit 90 im Bundestag herumdödeln“ oder laufen Sie sich schon warm für das würdevolle Amt des Treptow- Köpenicker Bezirksbürgermeisters?

Ich weiß noch nicht wie lange ich im Bundestag bleibe, ich hoffe aber den Zeitpunkt nicht zu verpassen, wo ich nur noch „herumdödel“. Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick darf ich gar nicht mehr werden. Dafür bin ich zu alt.

Was bedeutet Ihnen als Konfessionsloser das traditionelle Weihnachtsfest?

Weihnachten habe ich immer sehr gern gefeiert, daran wird sich nichts ändern. Es sind die Kerzen, der Tannenbaum, die Gerüche, der Gänsebraten, die Atmosphäre, die Geschenke - all das macht mir Spaß.

Wie werden Sie feiern?
Da sich meine Tochter zur Zeit in Paris aufhält, werde ich mit ihrer Mutter und meinem Sohn dort feiern. Noch nie habe ich Weihnachten im Ausland gefeiert. Ich bin neugierig.

Schicken Sie uns ein Selfie von unterwegs?
Wenn Sie mir erklären, wie ich das zu Ihnen schicken soll, mache ich es gern.

Danke für Ihre Zeit und ein frohes Fest!


Foto: Gregor Gysis Selfie vom 19.11. im Bundestag
Katharina Weise und Matthias Vorbau im Interview mit Dr. Gregor Gysi


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