Edgar L.’s Po

Die Antwort auf die Frage, warum ich in der letzten Ausgabe (oder waren es sogar die letztEN?) nichts geschrieben habe, steckt im Titel.
Die Frage, warum ich im Moment permanent übermüdet bin und mit meiner Arbeit nicht hinterher komme, wird auch durch die Überschrift beantwortet. Mein knapp zwanzig Zentimeter langer Dreadlock- Bart bezieht sich darauf, die Tränensäcke, die bis zu den Kniescheiben reichen, oder der Umstand, dass ich seit Tagen aus der selben fleckigen Kaffeetasse trinke, die Kotzeflecken auf all meinen Klamotten, die Wohnung, die wie in guten alten Punker-Junggesellenzeiten nach einem Tornado-Alarm aussieht (nur dass keine Lederjacken, sondern Strampler und keine Bier-, sondern Nuckelflaschen rumliegen) und die Liste ließe sich beliebig fortführen, aber lassen wir das doch mit dem Vorspiel. Edgar heißt mein Sohn. Er ist noch nicht lange auf der Welt, gerade mal knappe acht Wochen, aber selbstverständlich das Schönste und Unfassbarste und Süßeste und Schnuckligste und Unbeschreiblichste und der „Mit-Sicherheit-Hochbegabteste“ und überhaupt.
Wie kann ein Ding, dass eigentlich nur zum Draufsitzen und Kacken ist, so niedlich sein?
Und überhaupt, was ist hier eigentlich los? Was passiert denn bloß mit mir? Ich unterhalte mich im Moment tatsächlich am liebsten über Windel-Marken (die von Stiftung Warentest als „sehr gut getesteten“ von DM? Oder doch einfach Pampers? Oder vielleicht lieber Mullwindeln aus Brodowin?), die Vor- und Nachteile von Kinderwagen (lenkbare Vorderräder und stoßgedämpfte Hartschale, oder eher nostalgischregional von Diamant?), über Spuckverhalten und Kot-Konsistenz (flockig und senfig ist besser als die grünliche Schmiere, die man nicht mehr unter den Fingernägeln wegbekommt!), ich rede mir zwei Stunden Schlaf pro Nacht schön (Man hat ja einfach mehr vom Tag!) und mache Geräusche in Tonlagen, die ich bisher nur aus Dschungel-Dokus von Phoenix kannte. Ich will abends nicht mehr weggehen (wenn denn mal Zeit wäre), ich klebe ohne zu murren Piratenaufkleber in meinem ehemaligen Arbeitszimmer an die Wände und google nach ökologisch-biologischideologisch bestmöglichen Baby- Matratzen mit Schaumstoffkern und Milchstraßen-Partikeln! Und das alles nur wegen ihm. „Ihm“ ist natürlich „Er“ im Ganzen, aber es ist auch „Er“ im Speziellen: s e i n Hintern. Dieses kleine, knackige Wunder! Ich stand schon immer auf Ärsche, aber irgendwie anders – und vor allem auf die von Frauen – und nun das! – Wie kann ein Ding, dass eigentlich nur zum Draufsitzen und Kacken ist, so niedlich sein? Wozu? Ist das nicht eigentlich Verschwendung? Nun will und werde ich meinen Sohn natürlich nicht auf seinen Hintern reduzieren, das wäre auch absoluter Schwachsinn, denn darüber hinaus ist er natürlich auch so unfassbar sweet, wenn er einfach nur gähnt oder Bäuerchen (in seinem Fall sogar meistens einen ausgewachsenen Milchbauern) macht, wenn er furzt (TO-HO-LL!!!) oder wenn er irgendeine schwammige Geste in Kombination mit einem Laut macht, die man (laut der Zeitung ELTERN) doch erst mit vier Monaten kann. Ich glaube, dieses Loblied auf meinen wundervollen Sohn ist erst am Anfang der ersten Strophe. Ich hoffe, in 15 Jahren ist ihm diese Kolumne so richtig peinlich und ich wünsche mir, dass er mich 2050 lobt, wenn ich furze oder rülpse, so dass mir die Dritten (oder auch Vierten) auf meine Milchbrötchen- Hälfte mit glutenfreiem Margarine-Ersatz fliegen. TO-HO-LL!!!  

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