Mit Toni Mahoni durch Schöneweide

Auf den Spuren von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Zu Hause ist's immer noch am schönsten. Was klingt wie das Geständnis eines gestandenen Seemannes, trifft nach intensiver Prüfung des Herzens wahrscheinlich auf die Gefühle eines jeden von uns zu, eben auf den heimatverbundenen Hellersdorfer wie auch auf mich, den eingefleischten Oberschöneweider, der in genanntem kulturlosen Dreckskaff 98,9 % seines Lebens verbrachte.
 
Mein Beruf brachte und bringt es mit sich, dass ich viele schöne Orte in der ganzen Stadt Berlin kennen lernen konnte, doch weitet sich mein steinernes Herz ein jedes Mal, wenn ich Treskow- oder Stubenrauchbrücke überquerend einen ausgedehnten Blick auf die Spree werfen kann. Zu Hause ist es eben am schönsten.
Ist mal wieder Zeit, spazierend durch die heimatlichen Gefilde zu streifen. Und weil allein spazieren auf Dauer von langer Weile sein kann, so hat König Maulbeerblatt beschlossen, dass ich zur Ausgabe 100 Begleitung bekomme. Ja, richtig, Maulbeerblatt hat Jubiläum. Vielen Lesern ist Toni Mahoni ein Begriff, wenn nicht, nur zu, gibt doch jetzt auch in Köpenick Internet. Toni Mahoni ist Musiker, Buchautor, moderierte Radioshows bei Radio 1 und erstellt Videoblogs im Internet. Also, wer Toni Mahoni nicht kennt, der sollte ihn suchen und kennenlernen. Wer ihn nicht findet, der will nicht, denn nichts ist leichter zu finden als dieser Mann, bei seiner Medienpräsenz. Und: Toni ist einer von uns, aus unserer Mitte in die Welt gezogen, um, wenn vielleicht auch nicht ganz freiwillig, den Geist, den Spirit von Oberschöneweide in die Welt zu tragen. Diesen Schatten wird man eben nicht mehr los. Dafür schon mal: Danke Toni und für den netten Spaziergang. Und für den Weltfrieden, und … ach was weiß ich alles.
Toni ist fast außer sich vor Begeisterung.
Treffpunkt Scharnweberstraße 6 in Friedrichshagen. Ich erkläre Toni kurz, was ich mit ihm vorhabe und er zeigt sich redlich begeistert, der alten Heimat mal wieder einen Besuch abzustatten. Hatte er schon mal vor ein paar Jahren von geträumt, ging wohl schief. Unser Weg führt uns vorbei an der Alten Försterei, vorbei am FEZ, das zu Zonenzeiten Pionierpark hieß.Toni erzählt mir, das dort alles angefangen hätte, in einer Arbeitsgemeinschaft, kurz AG. Weil er an Sport nicht sonderlich interessiert war und die Order galt, dass man irgendetwas tun müsse, entschied sich Toni für die Jungen Poeten. Da interessiert mich prompt, wie man in einer Arbeitergegend wie Oberschöneweide als junger Poet so bei den Mitschülern ankam, weil bei uns Streber und Schlaumeier oft geschubst wurden oder die Hofpause in der Abfalltonne verbringen mussten, ihr wisst schon, die Billy Elliot-Nummer. Ganz gut, sagte Toni, er hätte in seine Gedichte ein paar Ferkeleien eingebaut und so die Lacher auf seiner Seite gehabt. Die Erwachsenen hätten ihn regelrecht herumgereicht, so begeistert wären die gewesen vom kleinen Toni. Zurück zu Tonis letzter Exkursion. In guter Absicht, der Freundin zu zeigen, wie sich O-Weide zum Positiven verändert hat, wie harmlos und ungefährlich der Ort nun sei, wurden er und seine Begleitung aus einem fahrenden Auto mit einer Reizgas-Pistole beschossen. Ja, er, der hier in den Jahren nach der Wende seinen Sturm und Drang durchlebte, ist wohl öfter mal abgezogen worden. In der Wilhelminenhofstraße hat er seine erste eigene Wohnung gehabt, in einem der ältesten Häuser von O-Weide, ein gigantisches Wohnzimmer mit 36 qm in einer 120 qm großen Wohnung für 400 DM kalt, als WG mit Freunden, von denen auch ich einige namentlich kenne. Überhaupt haben wir viele gemeinsame Bekannte, teilen gemeinsame Erinnerungen: Da war doch der Bulle, die alte Industriebahn, deren Gleise quer durch die Wilhelminenhofstraße verliefen. Doktor Hamperl, der während der Behandlung seiner Patienten in der TRO-Poliklinik genüsslich Zigaretten der Sorte Karo rauchte und großzügig Sportbefreiungen verteilte, die vielen Kneipen, von denen nur wenige und auch nur auf Grund der scheinbar wöchentlich wechselnden Betreiber überlebten In Höhe der HTW am Rathenauplatz sichtet Toni zwei bis drei echte Hipster – Toni ist fast außer sich vor Begeisterung:  Time has come. Ja, es gibt mittlerweile sogar Hipster- Cafés , besser gesagt, Cafés, in denen Hipster ungestört Latte Machiato und Mate-Limo bestellen können, ohne geschubst zu werden. Stolz vor Glück präsentiere ich meinem Gast von hier die Kranbar am Kranbahnpark, die nicht das Kranhauscafé ist und die wir gelegentlich aufsuchen, weil mein Café Lalü montags immer zu hat und weil man dahin gehen muss, damit die nicht wieder schließen und man sagen muss, ach hier in Schweineöde jibs nich man een ordentlichet Café und weil die eine Kabeltrommel auf ihrer Terrasse zu stehen haben – weil wir schon über Kabeltrommeln referiert hatten, die annedazumals immer sinnlos in der Gegend rumstanden oder -lagen, je nach Promille-Grad der Gabelstaplerfahrer von KWO und TRO, und über unserem jugendlichen Praktikanten Ben, der uns technischen Support gab an diesem strahlenden Montag. Und weil hölzerne Kabeltrommeln im Leben des Toni Mahoni und auch in meinem eine große Rolle spielten und so weiter, bla, bla, bla, … was soll ich erzählen einem Jeden, der hier liest und von Kabeltrommel-Romantik nicht den blassesten Schimmer hat… Jedenfalls, wir parken vor dem Hollywood, einer Nahkampf-Diele der Schöneweider Moderne, und legen einen kleinen Umweg zum Wasser der Spree ein, weil der Toni immer rauchen muss und auf Grund des Nichtraucherschutzgesetzes von neulich nun in öffentlichen Häusern und Einrichtungen das nicht mehr darf. Also schlürfen wir feinen Kaffee aus der großen Maschine der Kranbar am Kranbahnpark inmitten von Hipstern, die dort herumlungern und Dinge tun, die sich eigentlich nicht von den Dingen unterscheiden, die Biertrinker in Bierkneipen tun, ohne Hipster zu sein.
Dinge tun, die Hipster tun.
Toni hat seinen Cappuccino vor mir geleert und geht schon mal vor, weil er ja rauchen muss. Ich trolle mich und kurze Zeit darauf sitzen wir wieder im Auto. Ich fahre, der Toni fährt bei und hinten im Fond der Ben, der Praktikant mit dem technischen Support. Wir reden über unsere Begeisterung für Helge Schneider, aber auch über mittelmäßige Komik, die ganze Stadien füllt. Toni offeriert seine neuesten Pläne, ein drittes Buch sei in Arbeit, es spiele auch in Oberschöneweide, erzählt von Mahonis Laden, den es alle 3 Monate im roten Salon der Volksbühne zu bestaunen gäbe. Man, man, man, ganz schön was los hat er, der Mann. Es war mir ein großes Fest, mit Toni durch unseren alten Kiez zu streifen. Viele zum Teil verblasste Erinnerungen blühen wieder auf in mir, dem herzlosen Romantiker, der schon am ersten Kuss was auszusetzen hatte. Mach's gut Toni und danke für den Fisch …

Mama Mia

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