Der das sagt, heißt Karsten Linow und weiß besser als fast irgendjemand sonst, was im Stadion An der Alten Försterei erlaubt ist und was nicht. Sicherheit ist sein Beruf. Außerdem kann er ungeduldigen Kindern gut was erklären.
Der Ordnungsdienst eines Fußballstadions steht schnell im Verdacht, nur der verlängerte Arm der Polizei zu sein – und damit nichts Gutes. Sichtbar werden die Sicherheitsmitarbeiter, wenn es gilt, Schiedsrichter vor Becherwürfen zu schützen oder einen Platzsturm zu verhindern. Der weitaus größere Teil ihrer Arbeit ist vollkommen unsichtbar. Wenn sie gut sind, bleibt das während des gesamten Spiels so. Karsten Linow ist einer von dreien, die den hauseigenen Ordnungsdienst des 1. FC Union Berlin koordinieren. Zugleich ist er dienstältester Ordner des Vereins, und Gott sei Dank ist er kein bisschen unsichtbar.
Denn das darf er nicht sein, in dem Job, den er sich ausgesucht hat. „Stell Dir vor, Du müsstest Dein komplettes Telefonbuch abtelefonieren und mit 200 Leuten einen gemeinsamen Termin zum Kaffeetrinken finden“, beschreibt er, was Spieltagsvorbereitung aus seiner Sicht bedeutet. 120-150 Ordner des Vereins sind bei Heimspielen für die Sicherheit von Besuchern und Mitarbeitern verantwortlich und müssen in ihre Aufgaben eingewiesen werden. Sicherheitsfragen sind manchmal kleine Fragen, etwa „Wo steht der nächste Feuerlöscher?“. Sicherheitsfragen sind viel öfter große Fragen. „Jeder Weg, der für Zuschauer, Medienvertreter, Mitarbeiter begehbar ist, kann im Ernstfall zum Fluchtweg werden. Eigentlich müssen wir überall sein.“ Das ist Karstens Blick auf die Alte Försterei. Sein Zuständigkeitsbereich während des Spiels sind Gästeblock und Hämmerlingeck. Niemand überquert öfter als er die Tribüne. „An manchen Spieltagen laufen wir hier im Stadion mehr als ein Stürmer auf dem Platz.“
Zu Union kam er als Fan, „als kleener Knopp, da war ich sechs Jahre und hab mir den Unionschal zehnmal um den Hals gewickelt, den selbstgestrickten von Mama.“. Mitte der Neunziger hat er als Ordner bei Union angefangen. Später übernahm er für einige Zeit die Anzeigetafel. Eigentlich hat Karsten Kraftfahrer gelernt, ist aber von dort ganz in den Sicherheitsdienst übergewechselt. „Das Hobby zum Beruf gemacht“, grinst er. Dazu gehörte die fachliche Ausbildung samt Prüfung zur Sicherheitskraft. Sein Arbeitsalltag sind Einkaufszentren, Staatsbesuche, alle Arten von Events.
Die Spieltage bei Union sind die außergewöhnlichen Arbeitstage. Zwischen VIP-Zelt und Stehplatztribüne sind es nur ein paar Meter. Zwischen „Wo ist hier das Catering?“ und „Könntest Du bitte woandershin als an den Zaun pinkeln?“ ist jede Situation denkbar, von 0 bis 3,8 Promille ist alles dabei. Neben Publikumsakzeptanz, Arbeitsdisziplin, Verbundenheit zum Verein und Zuverlässigkeit braucht ein Ordner vor allem ein dickes Fell. „Wenn ich wegen jeder Beleidigung zur Polizei rennen würde, würde ich das Spiel über auf der Wache sitzen.“ Außerdem ist Flexibilität gefragt. „Fußball ist eine Sache – die lebt ja. Wir sind nicht beim Synchronschwimmen oder beim Schach.“
„Ich habe mich noch nie für einen anderen Fußballverein interessiert“, sagt er. Aber auch, dass er von den neun Toren im Rostock-Spiel nur eines gesehen hat. Den Elfmeter. „Man hat sich eben entschieden, wie Hausmeister Krause – alles für den Dackel, alles für den Club.“ Die Trennung zwischen Fansein und Beruf hat er über die Jahre gelernt. „Den Hebel umlegen“, nennt er das und meint: sich mit Jubel zurückhalten, obwohl er sich über Tore freut. Auch die Unioner maßregeln. Sich zu Pyrotechnik im Rahmen der Vorschriften verhalten. Nichts davon ist einfach. „Es ist ein Haufen Arbeit, aber du machst es ja für Union, und deswegen macht die Arbeit definitiv Spaß. Und es sieht einfach auch geil aus, wenn du im Lebenslauf schreibst: Seit 20 Jahren im Sicherheitsdienst des 1. FC Union tätig.“