Muss man fragen: Kennen wir den Joker wirklich? „Diese schlanke, fast elegante magere Figur. Dieser hohe Kopf mit seiner ausdrucksvoll formulierten Stirn. Die dämonisch tiefliegenden Augen, die befehlen wie sie stechen konnten. Die langen, männlich sensiblen Hände. Der Gestus von Unnahbarkeit, von Unheil, Herrschsucht und Faszination, den dieser Mann mit einer überredenden Selbstverständlichkeit ausübte – das alles machte ihn kinofähig, leinwandwirksam.“ Wer ist der Joker? Es ist – Conrad Veidt.
Vom Pennäler zum Schauspieler
Der Filmkritiker Herbert Holber beschrieb ihn und der Dichter Kurt Tocholsky ergänzte: „Veidt stelzt dünn und nicht von dieser Erde durch seine wirre Welt: einmal ein herrlicher Augenaufschlag, einmal wie von Kubin, schwarz und schattenhaft und ganz lang an der Mauer hingespensternd.“ Beinahe magisch war die Anziehungskraft, die der Schauspieler Conrad Veidt auf sein Publikum übte. In die Wiege gelegt wurde ihm das nicht, als er am 22. Januar 1893 in Berlin geboren wurde. Im Elternhaus in der Tieckstaße richtete der kaisertreue Vater die Erziehung und den elterlichen Lebensplan für den Sohn auf eine militärische Karriere aus. Doch der plante anders und gab später zu Protokoll: „Am Hohenzollerngymnasium zu Schöneberg gehörte ich zu den allerschlechtesten Schülern und meine Lehrer waren durchweg von meiner Untauglichkeit, im Leben weiter zu kommen, überzeugt.Ich wollte nur träumen, schwärmen, lieben.Und vor allem: ja keinen Abend auf der Galerie des Deutschen Theaters versäumen! Damals wußte ich schon, was ich werden wollte: Schauspieler!“ Im Jahr 1912 beendete Veidt sein Leben als Pennäler. Schnurstraks machte er sich auf den steilen Weg und zu keiner geringeren Anstalt als Max Reinhardts Theaterschule am Deutschen Theater. Man schrieb ihn dort ein und noch im selben Jahr gab der große, schlaksige Junge sein Bühnendebüt als Schreiber in Shaws „Der Arzt am Scheideweg“.
Von der Bühne auf die Leinwand
Am Scheideweg stand derzeit auch das alte Europa, und es warf sich in einen infernalischen Krieg. Aus dem stieg die Moderne wie Phönix und mit ihr der Film, der aus dem Vorleben auf der Bühne so vieles mitbrachte auf die Leinwand: auch den Conrad Veidt. Nachdem dieser 1915 seinen Marschbefehl an die Ostfront erhalten hatte, raffte den Krieger vor Warschau die Gelbsucht nieder. Man brachte ihn ins Lazarett nach Tilsit und von dort stante pede wieder auf die Bühne. Als Krieger ausgemustert, blieb er dem Militär vorerst erhalten, vergnügte die Kameraden in den Fronttheatern von Libau und Tilsit. Zurückgekehrt nach Berlin, posierte er zunächst am Deutschen Theater, an den Barnowsky-Bühnen und am Renaissance-Theater. Und dann steht er das erste Mal vor der Kamera: als mysteriöser Fremder im Stummfilm-Melodram „Der Weg des Todes“: Er bricht in das glückliche Leben des Grafen und seiner Frau Marie ein und zerstört ihr Glück. Denn der Graf erfährt durch ihn von jener Zeit, als die Gräfin noch als Straßenhure anschaffen ging.Das alles endet mit viel Gift und Galle und dem Tod auf einer Schlosstreppe …Dämonische Figuren, finstere Gestalten: Die hagere Statur, schmale Wangen, ausdrucksvolle Stirn, markanter Mund, große Augen und stechender Blick prädestinieren Veidt für diese Rollen. „Wenn ich eine neue Rolle bekomme, so nehme ich zunächst das Manuskript … und infiziere mein ganzes Wesen damit … Ist er gut – ist er böse? Das ist die Frage … wenn ein Darsteller konsequent problematische Charaktere verkörpert … Ich liebe es, solche Charaktere zu spielen, weil in ihnen von vornherein der dramatische Konflikt beschlossen ist … Die sogenannten Bösewichte sind im Grund genommen nicht so schlecht, und wenn ich sie gerne spiele, so ist es nicht darum, weil mir das Zerstörende ihres Wesens liegt, sondern weil ich den Zipfel Menschentum, der im bösesten Bösewicht verborgen ist, zeigen will.“