Heinrich Trull selbst sprach später weder gegenüber seiner Familie noch Freunden über seine Tagebücher, die in jenen Jahren entstanden waren und ist damit stellvertretend zu nennen für viele Soldaten, die mit dem Trauma des Krieges, der Erfahrung von Tod und Chaos nur schwer umzugehen wussten, dabei auch nur seltenst Unterstützung erfuhren.
Als Heinrich Trulls Tochter die Tagebücher nach seinem Tod findet, ist sie überrascht, mit welcher Genauigkeit und (für heutige Maßstäbe ungewöhnlichen) Akribie der Vater seinen Alltag für die Nachwelt festgehalten hat. Inge Ursula Trull beschließt die Tagebücher zu veröffentlichen. Auf ihren Lesungen berichtet sie nicht nur über ihre Sicht auf den Vater und seine Logbücher, sondern auch von der Geschichte der Auffindung der Aufzeichnungen und wie daraus ein Buch wurde.
Heinrich Trull wohnte viele Jahrzehnte hier in Köpenick, in der Gilgenburger Straße in Hirschgarten. Als zweites Kind seiner Eltern 1924 in Lerbach im Harz geboren, lebte seine Familie in bescheidenen Verhältnissen. Später wuchs er bei einer Tante auf, und besuchte als Freischüler das Gymnasium. (Freischüler wurden auf Grund ihrer Begabung auf höheren Schulen zugelassen, wo sie ausnahmsweise kein Schulgeld zu zahlen hatten.)
Heinrich Trulls Jugend war eine Zeit, in der es jungen Männern zu Selbstverständlichkeit anerzogen wurde, Persönliches zu opfern, als Soldat für sein Heimatland zu dienen. Und Heinrich Trull wollte Offizier werden.
Kurz bevor er sein Abitur ablegte, führte ihn sein Weg erst auf den Dänholm und dann in die Marineschule von Flensburg. Dort wurde er während des Krieges zum U-Boot-Offizier ausgebildet. Seine Neigung, sich im zivilen Leben mit Naturwissenschaften, mit Mathematik und Physik im besonderen zu beschäftigen, werden hier gefördert.
Die eigentlichen Schrecken der Schlachtfelder bleiben dem jungen Mann dann aber erspart – wider seinen Willen. Ohne im Gefecht gestanden zu haben, wird er Mai 1945, in Norwegen mit seinem Boot vor Anker liegend, demobilisiert. Es folgen „Tage der inneren, seelischen Qual“ über die „schmachvolle Gefangennahme“, den Untergang des Dritten Reiches und die Frage „Wessen Schuld war das?“
Ohne diese Frage in seinen Aufzeichnungen zu beantworten, verbringt Trull die kommenden Monate in Kriegsgefangenschaft, die in seinem Falle eher einem beaufsichtigtem Pfadfinderausflug gleicht. Von diesem kehrt er bereits am 12. Dezember des gleichen Jahres in sein zerstörtes Heimatland zurück und wird von nun an darüber schweigen, was sein Leben, wie es in den Tagebüchern beschrieben ist, ausgemacht hat.
Das Kriegsende im Mai 1945 forderte den Überlebenden viele Umstellungen in ihren bisherigen Wertesystemen und Anpassungen an die neuen Umstände ab. Und so nimmt es nicht wunder, dass Erinnerungsbrüche die Folge sind. Heinrich Trull findet den Weg in die neue Zeit, wird Lehrer der „ersten Stunde“, wobei er als Dozent für Deutsche Sprache an der Arbeiter und Bauernfakultät (kurz ABF) und später in der Erwachsenenbildung tätig ist.
Er promoviert in Jena, heiratet zwei Mal und hat vier Kinder und wird „Pädagoge durch und durch“, wie seine Tochter noch heute zu berichten weiß.
Heinrich Trull auf Feindfahrt
Tagebücher eines U-Boot-Offiziers
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