Der Blick der Sechsjährigen ging irgendwie ins Leere, die Beine baumelten gedankenverloren am WC herab. Für einen kurzen Moment setzte mein Herz aus, Liebe und Schmerz durchfluteten mein Innerstes. Am liebsten hätte ich gerufen: „Mein Schatz, natürlich gibt es den Weihnachtsmann! Und die sieben Zwerge, Pippi Langstrumpf, Peter Pan und die Milchpiraten. Die sind echt!“ Aber sollte ich lügen? Und riskieren, dass unser Kind - mittlerweile ein Schulkind - von ihren Klassenkameraden belächelt wird?
Ich suchte nach einer salomonischen Antwort. Sie lautete ungefähr so: „Du hast recht, Süße. Die Erwachsenen wollen den Kindern damit eine Freude machen. Denn im Grunde ihres Herzens wünschen sie sich, dass es den Weihnachtsmann wirklich gibt, und zwölf gute Feen, den Drachen Fuchur, Bibi Blocksberg und Superman. Und weil es manchmal wirklich sehr lange dauern kann, ehe Wünsche wahr werden, denken sich Menschen wundervolle Geschichten aus und schreiben sie auf. So entstehen all die Bücher, Filme, Theaterstücke und Hörspiele, die du so magst. In der Fantasie nämlich lebt die Schneekönigin, genau so wie Jim Knopf und all die anderen. So lange, wie wir daran glauben wollen.“
Das Kind rutschte vom Klo, zog den Schlüpfer hoch und verschwand wortlos in seinem Zimmer. Dann hörte ich das vertraute Geräusch des CD-Spielers. Die junge Dame war abgereist - nach Fantasia….ganz ohne Drogen driftete sie ab in eine andere Welt. Das gelingt ihr täglich. Ich beneide sie sehr darum. AfD, Brexit, Aleppo, Mossul, Trump: Beim Blick auf die Nachrichtenlage weiß ich nicht, was ich mir mehr wünschen soll - starke Drogen, um mich der Realität zu entziehen - oder die Fantasie, dass das Gute über das Böse siegen wird.
Und da Drogen nie die Lösung sind, wünsche ich mir für 2017 vor allem eines - mehr Einsicht für alle. Vor allem aber für die politisch Verantwortlichen dieser Welt. Und falls das nicht klappt, müssen eben doch Superman und Bibi Blocksberg ran. In echt!