Live aus Zelle 44

Kunstaktion im Köpenicker Knast – Freiheit trotz Eingesperrtsein
Kalte, dunkle Gänge. An den Wänden nichts als abblätternde Farbe in grauem Grün und grauem Weiß. Das Preußische Amtsgefängnis Köpenick – ein Ort des Schreckens, an dem Menschen für ihren Glauben, ihre Gesinnung, für ihr Streben nach Freiheit mit eben dieser oder mit dem Leben bezahlten. Seit den 1960er Jahren ist das Gemäuer unverändert. Doch seit einigen Tagen wird der ehemalige Gefängnistrakt mit Bewegung, frohen Farben und dem Klang der Freiheit belebt.
Jailsessions – Posaunist in einer zelle
Foto: Lukas Bär
Weiche Posaunentöne hallen aus einer Zelle. In einer anderen bringt ein fleißiger Pinsel fröhliches Orange in die Tristesse. Durch das einzige, hohe Fenster der Zelle fallen die Strahlen der Abendsonne. Der wabernde Klangteppich trägt in eine andere Welt fern der Mauern.

Willkommen im Gefängnis

Das Experiment Jailsessions, ein Projekt von Arthelps, bringt Musik, Tanz, Schauspiel, Malerei und Bildhauerei in die sonst so bedrückende, einengende Atmosphäre des ehemaligen Gefängnisses. Mittwochs und donnerstags werden zwei separate Zellen gleichzeitig zu Orten kreativen Schaffens – in einer wird mit Farben und Formen Visuelles kreiert, in einer anderen mit musizierenden Instrumenten oder elektronischen Beats Sounds geschaffen. Das Gesamtkunstwerk lässt uns in Facetten der Kunst eintauchen, die uns auf unterschiedlichste Weise berühren.  
Jailsessions – Malerin in einer Zelle
Foto: Lukas Bär
Insgesamt 66 internationale Künstlerinnen und Künstler begeben sich ohne Handy und Uhr in ebenso viele Zellen und schaffen in freiwilliger Isolationshaft interdisziplinäre Kunstwerke. Je eine Stunde sind sie allein mit sich und ihrem Kunstwerkzeug sowie einer Kamera und Mikrophonen. Diese lassen unsere Augen und Ohren per Livestream an den kreativen Prozessen von zu Hause aus teilnehmen.

Die Gedanken sind frei

Mithilfe des guten alten Internets zeigt uns das Projekt, dass Kunst uns verbindet und Grenzen überwindet; dass unsere Gedanken trotz Isolation und Eingesperrtsein frei sind; und dass wir unsere Freiheiten und unsere vier Wände, in denen so mach einer allmählich irre wird, zu schätzen wissen sollten. Denn während wir uns nach einigen Wochen des Kontaktverbots und Bleibt-zu-Hause-Gebots schon jeglicher Rechte und Freiheiten beraubt sehen und uns in den eigenen vier Wänden eingeengt fühlen, ist Gefangenschaft an anderen Orten der Welt ein Dauerzustand ohne siebenlagiges Toilettenpapier, Sonnenbad im Park und Bildungsurlaub im Netz.  
#Jailsessions – DJ mit Mischpult in einer Gefängniszelle
Foto: Lukas Bär
Arthelps will Benachteiligten Zugang zu Kunst ermöglichen und vor allem in der derzeitigen Krise ein Bewusstsein für andere Themen schaffen – für die Situation der zum Teil seit Jahren in Gefangenschaft lebenden Menschen in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln oder im Jemen sowie der Menschen in unserer Nachbarschaft, die Opfer häuslicher Gewalt sind. Arthelps will so Spenden für ein zukünftiges Charityprojekt in einem Flüchtlingscamp sammeln. Die derzeitige Situation schafft Not und kreative Kapazität für neue Kunstprojekte, die uns helfen, in diesen Zeiten nicht den Kopf zu verlieren. Die uns inspirieren. Die aber auch unseren Blick aus unserer privilegierten Blase heraus erweitern sollen, damit wir die freie Zeit, von der viele von uns gerade reichlich haben, nicht nur sinnlos mit Serien und Bingos im Netz verdaddeln, sondern uns mit dem Schicksal derer auseinandersetzen, die auch unabhängig von der Corona-Krise nicht in Freiheit leben können.
Der Livestream wird Mittwoch und Donnerstag um 17 Uhr auf der Website  und auf Instagram übertragen.

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