Der Kleisterkönig

2020 ist nicht alles schlecht: Tapper Glue verlost pünktlich zum Fest zwei neue CDs
Jeder in Köpenick scheint meinen Freund Kenny zu kennen. Kenny ist das, was man in Fachkreisen einen bunten Hund nennt. Den kennt man eben. Vom Fußball, von Treffen der Maulbeerblatt-Redaktion, von Stadtfesten und so weiter. Auch über unsere Bezirksgrenzen hinaus und sogar in Bayern sagt man: „Ja den Kenn i.“
Kenny von Tapper Glue sitzt auf einem abgeernteten Feld in Münchhofe bei Berlin
Foto: Matthias Lebek
Ganz sicher bin ich nicht, ob Kenny auch weiß, wer ich bin und ob er meinen Namen kennt, aber egal. Kenny ist einer von den guten Typen, mit denen man gerne rumhängt, mit dem man nach dem Unionspiel noch ein Bier trinkt oder beim Harnabschlagen am Stadionzaun über Handhygiene philosophiert. Oft braucht es gar keinen Anlass, man trifft Kenny einfach so in oder um Köpenick. Er ist immer da, wo es gerade am schönsten ist. Immer mit dem Fahrrad unterwegs, kennt die schönsten Feste und alle Leute: Hi Kenny? Wie geht’s n so? Ja gut, danke. Lange nicht gesehen. Und bei dir so? Ja, muss, muss. Weisste ja. Allet scheiße. Na klar. Na denn… Keep on rockin. Ja, keep on everything. Jahre vergehen, in denen ich Kenny nicht mehr zu Gesicht bekomme. So ist das eben. Man kann durch ferne Länder reisen und trifft mitten im Dschungel des Amazonas auf den ungeliebten Nachbar aus der 1. Etage. Und hier in Köpenick läuft man sich dreimal in einer Woche über den Weg und dann drei Jahre gar nicht. Irgendwann passiert das Unvermeidbare und man trifft Kenny dann doch irgendwo und natürlich ausgerechnet in Zeitnot. Aber ein Smalltalk ist Pflicht wie das Trinkgeld im Billigpuff. Hi Kenny? Wie geht’s n so? Ja gut, danke. Lange nicht gesehen. Und bei dir so? Ja, muss, muss. Weisste ja. Allet scheiße. Na klar. Na denn…Keep on rockin. Ja, keep on... By the way. spielste noch? Ja, spiele noch…und du? Ja. Was macht ihr denn so? Großartiges, antwortet Kenny: Straßenmusik, sagt er: Banjo, Gitarre, Kontrabass, ein wenig Drums. Irish Folk mit Einflüssen von Jazz, Blues, Reggae und auch Polka. Klingt interessant, sage ich, wenig überzeugt, aber nicke zustimmend, wenig aufrichtig, aber hoffentlich ausreichend und überzeugend anerkennend. Komm doch mal vorbei, Freitag in der Kiezspindel. Klar, sage ich. Bis Freitag denn. Ja klar, bis Freitag. Freitag kam dann was dazwischen, wahrscheinlich Derrick oder ein Fall für 2. Auch am nächsten Freitag und dem Freitag darauf. Dann wieder Funkstille, kein Kenny zu sehen auf Köpenicks Straßen mit seinem Fahrrad. Ich glaube, es war beim Kietzer Sommer, da traf ich mal wieder auf Kenny. Wie geht`s denn so? Na, muss, muss. Allet scheiße. Spielste noch? Ja, bei Tapper Glue and the Glues. Unser Bassist ist flöten gegangen, wir suchen noch jemanden für den Bass. Was macht ihr denn so? Großartiges, Banjo, Gitarre, Bass, ein wenig Drums. Irish Folk mit Einflüssen von Jazz, Blues, Reggae und auch Polka. Klingt interessant. Haste Lust? Ja, aber keine Zeit. So, so, ja. schade. Na, macht ja nichts, andermal vielleicht. Komm doch mal vorbei, freitags inne Kiezspindel, ja mach ick. Die Kiezspindel am Freitagabend aufzusuchen, schaffe ich nicht in den nächsten Jahren und – ich gebe es zu – es mangelt weniger an der Zeit, als an der Lust, mich von der Couch zu erheben. Selbst den schlecht gemachten Freitagskrimi im ZDF ertrage ich auf der bequemen Couch ohne Muße und frage mich, woher soll sie kommen, die Motivation, den Arsch zu bewegen? Jahre vergehen und ich treffe Kenny. Hi, muss, muss allet scheiße, wir spielen heute in der Luise, kommste? Hm, mir sind im Laufe der Jahre wohl die Ausreden ausgegangen. Blick zur Uhr, um sechs soll´s losgehen es ist schon viertel. Ja, ich komme. Die Luise, das kleine Restaurant mit den Touristenpreisen auch für Einheimische flasht mich nicht sonderlich. Erstmal eine Pilsette geordert, Jaja, bei Kenny mit raufschreiben... Dann geht’s los. Polka, Reggae, Jazz, Blue Grass, alles durcheinander, alles mit Groove, mit Banjo, Gitarre, Bass mit ein wenig Schlagzeug. Nicht laut, aber energetisch, treibend und mittendrin der Mann mit Hut. Tapper Glue, der Mann, um den sich alles dreht, der singt und spielt mit einer Lockerheit, als wäre es das Einfachste auf der Welt, eine fremde Crowd mit selbstgeschriebenen Songs zu unterhalten, heutzutage. Er hat sie im Griff, die Band spielt für ihren Tap. Niemanden hält es auf den Stühlen, bei Glue und seinen Glues wird getanzt. Zum Abschied spielen und singen Tapper Glue und seine klebrigen Spießgesellen noch den Song „Man of constant sorrow“, ein Stück aus einem Coen-brothers-Film. Tapper Glue, das klingt wie Dapper Dan, und so heißt die Haar-Pomade von Protagonist Everett Mc Gill. O Brother, Do you think I do not know? Es gibt frenetischen Applaus, Jung und Alt sind aus dem Häuschen. Mein Temperament ist nordisch, der letzte Tanz liegt Jahrzehnte zurück und doch greift die Begeisterung auch auf mich über. Diese Band gehört auf große Bühnen. Ich genehmige mir noch einen Schluck vom mitgebrachten Fusel, spüle diesen mit einem herrenlosen Bier herunter und denke so bei mir, hätteste doch auch schon eher mal machen können.
Wir verlosen 2 x die beiden brandneuen Tapper-Glue-CDs „Down The Road“ und „never lost“ an die ersten beiden LeserInnen, die uns die Herkunft des Bandnamens schlüssig darlegen können. Eine gedankliche Handreichung dazu gibt es hier in diesem Beitrag.

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