Mobilitätswende zu Lasten der Umwelt

Teslas Probleme mit Schlingnattern, Eidechsen und dem Grundwasserspiegel
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, Verzögerungen bei der Anhörung und ein neuer Protest von Anwohnern könnten den ehrgeizigen Plan des US-Autobauers in Grünheide torpedieren.
Die Straße zur Tesla-Baustelle
Foto: Matti Fischer
Im Sommer, in knapp vier Monaten also, sollen die ersten Teslas in Grünheide vom Band rollen. Das wären dann eineinhalb Jahre, nachdem der schillernde Tesla-Chef Elon Musk den Bau seiner ersten europäischen „Gigafactory“ in Grünheide bei Berlin angekündigt hat. Noch liegt die endgültige Baugenehmigung nicht vor, trotzdem ist die Fabrik – mithilfe zahlreicher Einzelgenehmigungen – rasant gewachsen. Neun Sondergenehmigungen wurden dafür bislang erteilt. In Windeseile fielen die Kiefern, wurden tiefe Löcher gebohrt und Pfeiler gesetzt, Fundamente gegossen, Betonwände in die Höhe gezogen, Straßen und Wege angelegt. Der einstige Kiefernwald, der vor vielen Jahren schon einmal für eine Autofabrik vorgesehen war, die dann aber doch nicht dort gebaut wurde, ist längst Geschichte. Doch ob der Zeitplan von Musk, der mit seinem Team in den vergangenen Monaten immer wieder gezeigt hat, wie sich das schwerfällige deutsche Planungsrecht mit reichlich Risikobereitschaft ausnutzen lässt, wirklich zu halten ist, wird zunehmend bezweifelt.

Mehr als 400 Einwendungen müssen ausgewertet werden

Sogar Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) schließt nicht mehr aus, dass es Verzögerungen für den Produktionsstart geben könnte. Als Hauptgrund dafür nennt er die akribische Auswertung einer Anhörung, die wegen Corona erst zwei Monate verspätet, im September 2020, hatte stattfinden können. Das entsprechende Protokoll mit den mehr als 400 Einwendungen, deren Auswertung als Grundlage für die endgültige Baugenehmigung dient, ist erst jetzt fertig geworden. Nun müsse alles geprüft und abgewogen werden. Das Maximum für das Land sei, so Steinbach, dass die finale Genehmigung gegen zu erwartende Anfechtungen bestehe. Deshalb arbeite man nach dem Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Steinbach rechnet damit, dass die Genehmigung bis Ende März erteilt werden könnte. Ursprünglich war dafür der Herbst vorigen Jahres vorgesehen. Ob der Autobauer diese Zeit wieder aufholen könne, so der Minister, wisse er nicht. Bislang rückt man beim Autobauer offiziell nicht vom Plan ab, ab Juli in Grünheide das Tesla-Modell Y zu bauen. Bis zu 12.000 Menschen sollen dort im Dreischichtbetrieb etwa 500.000 Elektro-Fahrzeuge pro Jahr bauen. Bislang errichtet Tesla die Fabrik auf eigenes Risiko, das heißt, falls die finale Baugenehmigung letztlich doch versagt werden sollte, muss alles wieder abgebaut werden. Damit rechnet zwar niemand der politisch Verantwortlichen, doch die Liste der Hindernisse ist lang.

Geschützte Tiere getötet

Fledermäuse, Grundwasserschutz, die Blamage wegen einer zu spät gezahlten 100-Millionen-Garantieleistung, Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Personal sowie neue Proteste von Anwohnern und Naturschutzverbänden – es läuft nicht alles rund bei Tesla. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz auf der Baustelle. Laut dem Gesetz handelt jemand ordnungswidrig, der ein besonders geschütztes wildlebendes Tier fängt, verletzt oder tötet. Ihm droht eine Geldstrafe oder Haft von bis zu fünf Jahren. Konkret geht es bei den Ermittlungen um einen älteren Vorfall, bei geklärt werden muss, ob Tesla während der Rodungen im Frühjahr 2020 die Tötung von Eidechsen und Schlingnattern in Kauf genommen hat. Die sollen laut Umweltschützern in einer Schutthalde gelebt haben, die sich auf dem Baugelände befand und während der Fällarbeiten beseitigt wurde. Die Halde stammt laut Aussagen der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) noch aus der Zeit, als sich BMW 2001 für das Gelände interessierte und sei in den Tesla-Unterlagen verschwiegen worden. Dass die in der EU streng geschützten Reptilien während Baumfällarbeiten ums Leben kamen, sei Ende 2020 vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg festgestellt worden. Die laufenden Baumarbeiten wurden daraufhin kurzzeitig gestoppt. Bereits bei der ersten Rodung, so ÖDP-Sprecher Heinz Hollenberger, seien geschützte Tiere ums Leben gekommen. Damals hatte die zuständige Naturschutzbehörde nachträglich eine Tötungsgenehmigung erteilt.
„Wir erwarten, dass der Bauträger jetzt die verbliebenen Tiere auf dem verbliebenen Waldstück, sobald es die Witterung im Frühjahr wieder zulässt, absammelt und erst dann weiter rodet.“
Auch der Naturschutzbund Brandenburg und die Grüne Liga kritisieren den Umgang mit geschützten Arten. Es verdichte sich der Eindruck, dass der Arten- und Umweltschutz bei der Planung und Umsetzung der „Gigafabrik“ oft nicht berücksichtigt werde. Auch werden Intransparenz und fehlende Unterlagen seitens der Behörden beklagt. Man fühle sich gezwungen, sagt der Landesgeschäftsführer der Grünen Liga Michael Ganschow, ständig Widerspruch gegen die Zulassung des Landesamtes für Umwelt einzulegen. Nur so könne man Akteneinsicht in die Planungsunterlagen bekommen. Bislang wurden drei Verfahren im Zusammenhang mit dem Naturschutz eingestellt. Es ging dabei die Betankung von Fahrzeugen und einen Ölfilm auf unversiegeltem Waldboden sowie die Entnahme von Grundwasser. Bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) hieß es, dass man aktuell auf eine Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Oder-Spree warte, bevor eine Entscheidung gefällt werden könne.

Neuauslegung der Bauunterlagen gefordert

Jetzt haben drei Bürgervereine aus dem Umfeld der Fabrik in einem Offenen Brief die erneute Auslegung der Bauunterlagen gefordert. Diese seien im Laufe der Zeit mehrfach aktualisiert, aber nicht öffentlich gemacht worden. Hauptsächlich geht es bei der Forderung um ein neues Konzept der Niederschlagswasserversickerung, das den Betroffenen nicht bekannt sei. Anwohner würden wieder nicht informiert und am Verfahren beteiligt, wird bemängelt. Dies sei nicht demokratisch und juristisch bedenklich. Die Forderung nach einer erneuten Auslegung der Bauunterlagen wird damit begründet, dass zahlreiche Anwohner Hausbrunnen zur Trinkwasserversorgung nutzen. Dieser Grundwasserfluss könnte sich durch den hohen Verbrauch von Tesla verringern, der Eintrag von Schadstoffen drohe. Auch Umweltverbände und die ÖDP fordern eine Neuauslegung der Unterlagen, was eine weitere Verzögerung der Arbeiten nach sich ziehen würde. Der Streit um das immer knapper werdende Grundwasser ist ein zentraler Konfliktpunkt beim Bau der Tesla-Fabrik. Viele Anwohner fürchten, dass die Fabrik, die am Rande eines Wasserschutzgebietes entsteht, die Wasserversorgung der Region beeinträchtigen könnte. Bislang ist die Wasserversorgung nur für die erste Ausbaustufe der Fabrik gesichert. Dafür haben Tesla und und der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) einen Vertrag unterschrieben – für einen maximalen Wasserverbrauch von 1,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Wie es aber mit der von Tesla geplanten zweiten und dritten Ausbaustufe aussieht, ist offen. Wächst die Fabrik wie von Elon Musk geplant weiter und erreicht den zu Spitzenzeiten prognostizierten Wasserverbrauch von 3,6 Millionen Kubikmeter pro Jahr, reichen die Wasserreserven im WSE-Verbandsgebiet nicht mehr aus. Eine Arbeitsgruppe des Brandenburger Umweltministeriums sucht bereits nach Lösungen. Bislang sind noch keine Reserven in Sicht, die ökologisch und wirtschaftlich tragbar wären. Auch dieses Problem könnte Einfluss auf die finale Baugenehmigung haben.

Weltgrößte Batteriefabrik geplant

Dass Elon Musk auf dem Gelände auch eine Batteriefabrik plant und die Umwelt durch gefährliche Chemikalien noch weiter gefährdet wird, lässt die Sorgen der Anwohnern und Naturschützer nicht geringer werden. Bislang hat Tesla den Bau der „weltgrößten Batteriefabrik“ in Potsdam offiziell noch nicht beantragt, aber Insider sagen, dass sie bereits im November 2019 Teil der Unternehmens-Präsentation gewesen sei. Die EU hat bereits signalisiert, dass es für die Batteriefabrik Fördergeld geben wird, Tesla habe einen entsprechenden Antrag gestellt, den die Bundesregierung befürworte. Die genaue Höhe der Fördermittel ist aber noch offen. Wo genau und wann diese Batteriefabrik gebaut werden soll, ist ebenfalls noch unklar. Den Antrag für den Bau einer riesigen Lagerhalle, den viele als Versuch ausgelegt hatten, eine Batteriefabrik quasi „durch die Hintertür“ zu bauen, hat Tesla wieder zurückgezogen. Und Tesla? Baut unverzagt weiter. Mit den vorzeitigen Zulassungen sind laut Auskunft aus dem Umweltministerium in Potsdam sogar Probeläufe möglich. Es könnten Maßnahmen zur Prüfung der Betriebstüchtigkeit wie Testen zur Dichtheit von Tanks und Rohrleitungen oder Gießen und Pressen von Probewerkstücken getestet werden. Eines aber machte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) deutlich: „Es werden keine Autos auf den Markt kommen aus einer Fabrik, die noch nicht genehmigt ist.“

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