Agitierender Tiger-Spion

Uuuuaaa! Bei uns zu Hause wimmelt es neuer-dings von Löwen und Tigern.
Sie materialisieren sich wie aus dem Nichts und springen dann unverhofft hinter Türen und unter Tischen hervor. Manchmal beißen sie einen ohne Vorwarnung ins Bein. Die Gnade eines solchen Tieres erkaufe ich mir, indem ich Angst vortäusche und mich unter der Bettdecke verstecke. Unserer Tochter macht das riesigen Spaß. Sie ist überhaupt sehr wandlungsfähig. Wenn sie nicht gerade ein Raubtier mimt, dann ist sie Kinderärztin, Eisverkäuferin oder Erzieherin. „Du hast Fieber und musst jetzt zu mir in die Praxis kommen“, werde ich dann angewiesen. Überhaupt scheinen fast Vierjährige in der Kita eine Ausbildung zum Agitator zu bekommen. Zurzeit beginnt das Kind auffällig viele Sätze mit „Du musst …“ oder „Du darfst aber auf keinen Fall …“. Manchmal höre ich auch ein gönnerhaftes: „Ja, das kannst du so machen.“ Nun haben Kinder und Politiker einiges gemeinsam. Beide können ihre Meinung und ihre Welt-sicht bei Bedarf erstaunlich schnell ändern. Mit einem wesentlichen Unterschied: Während sich Kinder den verbotenen Keks einfach nehmen und behaupten, das wäre erlaubt gewesen, erlassen Politiker neue Gesetze. Die regeln dann beispiels-weise, dass die Rentenbeiträge nun doch nicht gesenkt werden. Oder sie zählen die vielen Aus-nahmen auf, unter denen eben doch das Postgeheimnis und andere Grundrechte eingeschränkt werden können. Das Handy der Kanzlerin wird abgehört? Tja, da hat wohl ein Geheimdienst eine Ausnahme von der Ausnahme gemacht. Das soll es geben. Aber ist dafür dieser technische Aufwand nötig? Ich habe meine eigene Spyware zu Hause. Sie arbeitet verlässlich und absolut unauffällig für die Außenwelt. Reports liefert sie stets in Echtzeit und ohne elektronische Spuren zu hinterlassen: „Luises Papa hat ‚Scheiße’ gesagt.“, „Der Mann da hinten macht den Hundehaufen gar nicht weg!“, „Conny (die Erzieherin) ist krank.“ Wir wissen lange vor der NSA Bescheid. Little girl is watching you. And me …

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