Elefant im Porzellanladen

Es war einmal … das Erpetal
Ganz am Anfang – das muss man den Verantwortlichen lassen – stand eine Vision: die Entwicklung und Pflege eines prächtigen, artenreichen Landschaftsschutzgebietes. Das war das Erpetal; was flatterte, wuselte und brummte da bisher alles in Zweigen und Gestrüpp. Vorbild für diese Vision war die Pfaueninsel, der nicht nur die bunte Vogelwelt sondern auch aus der Fremde angesiedelte Pflanzen, und Wasserbüffel einen Exotenstatus verleihen. Letztere gelten als zuverlässige, natürliche Rasenmäher und dank ihres gespreizten Hufes als trittfest in Feuchtgebieten. Ideal fürs Erpetal.
Verbrannter Traktor im Erpetal
Foto: Lisalotta Köhler
So weit, so gut. Müßig zu spekulieren, ob alles anders gelaufen wäre, wenn die Büffel einen anderen Besitzer gehabt hätten. Doch es wurde der Landwirt Dirk Michel aus Neu-Zittau vom Umwelt- und Naturschutzamt erwählt, sich der beiden sechs Hektar großen Flächen rechts und links der Erpe anzunehmen. Ihm eilt ihm nicht der beste Ruf voraus: Michel hatte bereits in der Vergangenheit ihm anvertraute Gebiete mit mehr Schaden als Schutz verwaltet, so etwa den Müggelheimer Forst, wo er die Feuchtwiesen zuschüttete und in Münchehofe, wo er die Rieselfelder vernachlässigte. Doch ist der Landwirt Michel im Besitz einer Vielzahl von Wasserbüffel. Das war sein Trumpf in den Verhandlungen mit dem Umweltamt. Und dann gab es da ja noch die blendende Vision … Die bekam Mitte Februar dieses Jahres erste Risse, Anwohner und Spaziergänger äußerten erstmals Bedenken. Sägen kreischten auf der östlichen Flussseite, am Ende des Monats dasselbe Geräusch auf der westlichen Seite. Am 6. März gestand sich das Amt auf der Bezirksverordnetenversammlung einen Fehler ein: Man habe keine bindenden, schriftlichen Vereinbarungen getroffen und den Landwirt unkontrolliert walten lassen. Dabei lief doch anfangs alles nach Plan: Man hatte eine Anzahl dickerer Bäume geprüft, markiert und zur Fällung freigegeben. Sie begannen ohnehin morsch zu werden und hätten künftig eine tatsächliche Gefahr darstellen können. Oder sie standen dem doppelten Zaunsystem im Weg, das aus dem 30.000 Euro Fördertopf des Bahnausbauprojekts Köpenick–Erkner finanziert wird. Dieses Prozedere hätte – verteilt auf zwei bis drei Saisons – schonend für das Biotop, die Anwohner und auch für das Ansehen des Umweltamtes verlaufen können. Zumal Dirk Michel erst im Jahr 2015 mit der Beweidung beginnen darf. Denn: Das Erpetal ist Landschaftsschutzgebiet und bis zum 30. September dauert die Brutzeit, auch in diesem Jahr. Dann kommt der Winter, den Büffeln wird es kalt um die Hufe und sie müssten zurückkehren nach Neu Zittau in den Stall. Aber der entschlossene Landwirt hat die Gelegenheit genutzt. Arbeiter und Maschinen waren nun schon einmal da, warum erst lange warten, wenn es auch in weniger als zwei Monaten möglich ist? 76 Bäume fielen wie beim Mikado. 30 Bäume mehr als genehmigt. Eine Abmahnung des Landwirts Michel erfolgte bislang (bis Redaktionsschluss) nicht. Trotzdem, irgendeinen Grund muss Michel doch gehabt haben, eine nicht unbedeutende Anzahl Bäume mehr als vereinbart abzuholzen. Aber sicher: Diese Büffel haben einen hohen Wert, etwa 4.000 Euro pro Tier. Ein enormer Schaden, wenn sie von den Bäumen erschlagen würden, argumentierte er. Bäume, die dort seit Jahr und Tag standhaft wuchsen und das Landschaftsschutzgebiet auszeichneten. Doch wie hoch der Wert der Lebewesen ist, die jetzt keinen Lebensraum mehr haben, bleibt ungefragt Rehe, Füchse, Hasen, Vögel, Insekten, Moose und Pilze, die zwischen Holunder und Weißdorn lebten; Brut- und Niststätten, die in Bäumen, Pflanzen und im Gras Sicherheit gefunden hatten. Das Erpetal hat seine Charakteristik verloren, nun herrscht Zookultur. Jetzt wird der Büffel gesichert. Oder der Mensch? Der einem Landschaftsschutzgebiet nachtrauert? Beide Spezies werden sich bald durch einen Maschendraht betrachten. Ein Elektrozaun hält die kostbaren Büffel zusätzlich in den Schranken. Der natürliche Wanderpfad am Fluss entlang soll bestehen bleiben. Pro Hektar darf der Landwirt einen Büffel grasen lassen, das gilt für die Gesamtfläche. Dabei bleibt es ihm überlassen, ob er Ein- oder Zweifelder-Wirtschaft betreibt, ob fünf bis sechs Büffel auf jeder Seite stehen oder bis zu zwölf auf einer Hälfte im halben Jahr. Exotisches Erpetal, Pfaueninsel – derlei Vergleiche und Metaphern sind wohl nicht mehr angebracht. Einmalig ist bloß die beispiellose Planung: ein Handschlag zwischen Landwirt Dirk Michel und Thomas Geißler, dem Verantwortlichen für Arten- und Biotopschutz im Umwelt- und Naturschutzamt. Selbst für die genehmigte Fällerei gab es keine öffentliche Ankündigung, kein Konzept zum Erhalt alter Bäume, dafür die übereifrige Umsetzung von Landwirt Michels „Vision“. Nach der Fäll-Orgie erhielt Michel vom Amt die Auflage, bis zum 14. März Astwerk und Holz bis zu einem Umfang von 80 Zentimeter per Hand oder Seilzug aus den Wiesen entfernt zu haben. Am 11. März rückte ein Greifarm-Bagger an, dessen Gewicht auf diesem Grund nicht zulässig ist. Michel begründete den Einsatz damit, dass er zu wenig Mitarbeiter hätte, um das Holz in diesem Zeitraum abzutragen. In der Nacht zum 14. März gab es einen Brandanschlag auf jenen Bagger, er brannte aus und der Gummigeruch der Reifen dampfte noch am nächsten Abend penetrant über die Wiesen, in denen der Löschschaum versickerte. Nun ermittelt die Polizei gegen Unbekannt und der Landwirt hat einen Aufschub um eine Woche erhalten. Im stillen Protest hat jemand unzählige der geschnittenen Weidenkätzchen-Zweige in kleine Erdhügel gesteckt, großflächig über das Gelände verteilt. Zwischen Bergen aus gefallenen Holzstämmen stecken sie fest und gerade in der Erde. In der Hoffnung, sie treiben wieder Wurzeln

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