Der Kampf um die Kultur

Kulturgeschichte in Köpenick
Der 12. September 2013 hat das Zeug dazu, als historischer Tag in die Annalen Treptow-Köpenicks einzugehen Denn so etwas hat es noch nie gegeben: Dass ein Bezirksstadtrat dem Ausschuss für Weiterbildung und Kultur einen Haushaltsentwurf vorlegt – und der einstimmig abgelehnt wird. Da muss gründlich etwas schief gelaufen sein.

Für Kulturstadtrat Svend Simdorn bedeutet dieses Nein eine herbe Niederlage. Peter Groos, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Mitglied im Kulturausschuss begründete den Schritt damit, dass man den Bibliotheken sowie der Musik-, und Volkshochschule eine Perspektive erhalten müsse. Ursula Walker (SPD) sprach von einer nicht mehr enden wollenden Abwärtsspirale, von Luftschlössern, mit denen der Kulturbereich nicht zu retten sei. Dem hatten die anderen Ausschussmitglieder nichts hinzuzufügen.

Was war los? Die Leiterin des Amts für Weiterbildung und Kultur hatte einen Haushaltsentwurf vorgeschlagen, der mit dem Rotstift geschrieben war. Nach Annette Indetzki wären von neun Bibliotheken in Treptow-Köpenick drei weitere geschlossen worden. An der Musik- und Volkshochschule sollten wie im Vorjahr die Honorare für Lehrkräfte gesenkt werden. Doch dieses Szenario hat der Kulturausschuss, wie gesagt, abgewendet und mit einem Forderungskatalog geantwortet, der die Bibliotheken retten sollte. Außerdem war in der Sitzung ein tiefes Misstrauen der Ausschussmitglieder gegenüber der Leitung des Amts für Weiterbildung und Kultur zu spüren.

Allein der Zeitdruck, der offensichtlich wohl kalkuliert aufgebaut worden war: Erst bei der Sitzung vom 12. September erfährt der Ausschuss vom Plan, im Bibliotheksamt Stellen einzusparen. Im August war davon noch nicht die Rede gewesen. Aber am 19. September tagte das Bezirksparlament, um den endgültigen Haushalt zu verabschieden. Kommt der nicht zustande, übernimmt der Senat das Finanzregiment und der gibt nur Geld für Ausgaben, zu denen der Bezirk verpflichtet ist. Der Horror für jeden Berliner Kommunalpolitiker. Einen Tag vor der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) kam der Haushaltsausschuss zusammen, um die Zahlenwerke aus den Fachausschüssen abzustimmen. Alles musste schnell gehen – und der Ausschuss schnell reagieren. „Über wesentliche Fragen wurden wir nicht rechtzeitig, nicht zureichend und nicht seriös informiert“, sagt Groos.

Dabei ist seit knapp einem Jahr bekannt, dass der Senat auf Kosten der Berliner Verwaltung sparen will, bis 2016 sollen in Treptow-Köpenick 309 Mitarbeiter gehen. Darauf reagierte Bürgermeister Oliver Igel mit einer gleichermaßen heldenhaften wie sympathischen Pose: Er verweigerte sich dem Irrsinn und erstellte kein „Stellenabbaukonzept“, obwohl der Senat ein solches gefordert hat. Dumm nur, dass er das als einziger Bezirksbürgermeister tat und unter dem Strich nichts dabei herauskommt: Der Senat wird kein Geld geben – also können die Stellen nicht finanziert werden.

Mit diesem Sachverhalt rechtfertigten Simdorn und Indetzki ihr dürftiges Zahlenwerk. Letztere wies den Vorwurf, Zeit vertrödelt zu haben, sehr emotional von sich. „Ich habe erst im Sommer von dem Schreckgespenst erfahren, dass in allen Abteilungen Stellen abgebaut werden sollen.“ Und mit ebenfalls lauter Stimme fragte Simdorn die Ausschussmitglieder: „Glauben Sie, ich hätte das gewollt? Ich will doch keine Stellen abbauen! Dazu bin ich nicht Stadtrat geworden!“.

Die sollen sich jetzt ein bisschen mehr anstrengen

Dabei haben sich die Mitglieder des Ausschusses nur gewünscht, man hätte sie früher informiert und im Haushaltsentwurf die Konzepte berücksichtigt, die ein Jahr lang diskutiert wurden. In dieser Situation zeugt es auch nicht von bestem Stil, wenn CDU-Fraktionschef Christian Schild eine Stunde lang nachfragen muss, wie viele Leute aus dem Bibliotheksamt zur Disposition stünden. Erst hatte Indetzki keine Unterlagen dabei, dann erinnerte sie sich, dass es drei seien, am Ende kramte sie doch noch ein Blatt hervor und nun gingen bis 2016 vier aus dem Bibliotheksamt und einer aus der Musikschule. Allerdings stand inzwischen für jeden fest, dass es so einen Haushalt nicht geben wird.

So ist es auch gekommen: Im Haushaltsausschuss haben die Kommunalpolitiker die von Simdorn verantworteten Einsparungen im Weiterbildungsund Kulturbereich korrigiert. Für die Musik- und Volkshochschule wurden die Honorare wieder auf den Stand von 2012 gesetzt. Die 53.000 Euro, die für 2013 gestrichen worden waren, stehen 2014/15 wieder bereit. „Wir sind im Ausschuss davon ausgegangen, dass beide Schulen mehr Geld einnehmen können. Das Prinzip ist einfach: Wird das Angebot mit zusätzlichen Honoraren erweitert, kommen mehr Interessenten – also stehen erneut Mittel bereit, um das Angebot zu erweitern“, erläutert Groos, der dem Haushaltsausschuss vorsitzt. Wäre es nach Annette Indetzki gegangen, wäre dasselbe Prinzip angewendet worden, nur in die andere Richtung – und dann wäre vom Angebot nichts übrig geblieben. Diese Befürchtung hatten auch die Elternvertreter der Joseph- Schmidt-Musikschule. Antje Scheel ist froh, dass die Mittel für die Honorare erhöht wurden – obwohl sie ihrer Meinung nach kaum ausreichen. Aber sie moniert, dass vom BVV-Beschluss, den Köpenicker Standort zu erhalten und in dem großen Bezirk weitere Unterrichtsräume zur Verfügung zu stellen, nichts im beschlossenen Haushaltsplan wiederzufinden sei. Zwar wird das Gebäude in der Freiheit 15 saniert. „Aber von den einst drei zusätzlichen Standorten, die außerhalb dieses Standortes für die Musikschule geplant waren, ist nur der im Rathaus Johannisthal übrig geblieben.“ Dabei stehen Musikschüler Schlange, die Plätze sind begehrt.

Aber so große Brötchen backen die Bezirkspolitiker derzeit nicht. Immerhin haben sie in allen Fraktionen erkannt, dass im Kulturamt der Wurm steckt. Die Empörung scheint groß und echt zu sein. Denn auf Antrag des Haushaltsausschusses hat die BVV beschlossen, dass Stadtrat Simdorn dem Bezirksparlament künftig regelmäßig darüber Bericht erstatten muss, ob und wie das Amt Mehreinnahmen erwirtschaftet. „Der Gewinn soll sofort wieder ins Angebot gesteckt werden, um es auszuweiten“, sagt Groos. „Außerdem erwarten die Verordneten alle drei Monate einen Bericht über die Akquise von Fördermitteln.“ Diese Anträge bringen die Zweifel an den Fähigkeiten des Kulturamtes zum Ausdruck. „Die sollen sich jetzt ein bisschen mehr anstrengen“, so Groos.

Ebenso wurde bei der BVV ein Dringlichkeitsantrag des Kulturausschusses verabschiedet, der vorsieht, alle Bibliotheken weiter zu betreiben. Das Geld für das notwendige Personal soll beim Senat beantragt werden, obwohl nicht sicher ist, dass er es bewilligt. Bis Ende Oktober erwarten die Bezirksverordneten einen tragfähigen Plan, wie das funktionieren soll. Bleibt eine bittere Pille: Im Bereich Kultur und Heimatmuseum werden Honorare gestrichen, weil man hier mit keinen weiteren Einnahmen rechnen kann wie bei den Schulen. Kürzungen sind laut Groos unvermeidbar.

Trotzdem ist der Grünen-Politiker zufrieden: „Wir müssen die Einrichtungen bis zu den Wahlen 2016 retten. Im nächsten Berliner Wahlkampf wird die Personalpolitik des Senats eine Rolle spielen, dafür gibt es Anzeichen. Und damit die Hoffnung, dass der Kürzungswahn ein Ende nimmt. Aber wenn die Bibliotheken bis dahin dicht machen, dann kann man sie nicht wiedereröffnen. Wenn die Standorte jedoch bestehen bleiben, egal wie, dann können sie auch wieder mit Personal versorgt werden.“


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