Bürgerbeteiligung voll so meta

Die Sozialraumorientierte Planungskoordination
Wer von Ihnen, liebe Leserschaft, hat schon mal etwas von der Sozialraumorientierten Planungskoordination gehört? Niemand? Macht nichts, die Abteilung gibt es ja auch erst seit drei Jahren im Bezirksamt Treptow-Köpenick. Aber was machen die da eigentlich? Die Frage treibt scheinbar auch manch eine Kommunalpolitikerin um. Aber dazu später mehr.
Ines Schilling, Leiterin der Sozialraumorientierten Planungskoordination (SPK)
Foto: Matthias Vorbau

Mit der an sich gut gemeinten Absicht, engagierte Bürger*innen mit Politik und Verwaltung zusammenbringen, Transparenz zu schaffen, um nicht an Bedürfnissen der Einwohner*innen vorbei zu entscheiden, wurde vor drei Jahren die Abteilung mit dem etwas sperrigen Namen „Sozialraumorientierte Planungskoordination“ (SPK) ins Leben gerufen. Abteilungsleiterin Ines Schilling sieht die Notwendigkeit der SPK durchaus: „Wir brauchen, um Berlin zu entwickeln, Strategien, die die Bürger und Akteure aller Richtungen, Verwaltung und Politik im Blick haben und angemessene Lösungen im Stadtteil entwickeln, damit Berlin in allen Teilen erfasst wird, sozial ausgeglichen ist, attraktiv und weltoffen ist. Da gibt es halt viel zu tun.“ Daher sei die Gründung der SPK in erster Linie eine politische Entscheidung gewesen, um Formen repräsentativer Demokratie zu erweitern: „Es [ist] in einer modernen Stadtgesellschaft schlichtweg nicht mehr ausreichend […], Bürgerinnen und Bürger alle fünf Jahre mit einem Kreuz oder mehreren Kreuzen auf einem Wahlzettel zu beteiligen.“, so Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD).


Ortsbegehungen und Daten sammeln

Und was genau macht die SPK? „Wir hören ganz genau hin: Was wollen die Menschen, was stört sie, was wollen sie erreichen? Und das ist das Prinzip der Sozialraumorientierung: Was ist der Mensch dafür bereit selbst dazu tun? Und da setzt unser Begriff von Engagement an.“ Lokale Interessengruppen und Akteure sollen also gezielt für einen intensiven Austausch und Beteiligung eingebunden werden. Konkret geschehe das durch Ortsbegehungen, Ortsteilkonferenzen gemeinsam mit der Bewohnerschaft oder Gespräche und Netzwerkaktivitäten.

Aber erstmal wird sich ein Bild gemacht: Mit großem Aufwand werden von den Regionalkoordinatoren sogenannte Bezirksregionenprofile erstellt. Entsprechend der Raumaufteilung sind es für Treptow-Köpenick 20 Profile. Die Daten dafür kommen vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Für ein Profil wird mindestens ein Jahr Bearbeitungszeit veranschlagt. Macht fünf Jahre für 20 Profile, die auch laufend wieder aktualisiert werden müssen. Das kann dauern. Denn Ines Schilling möchte idealerweise gemeinsam mit Bürger*innen Leitlinienprozesse entwickeln und nicht Leitlinien aufsetzen und erst dann beteiligen, so wie es in anderen Bezirken geschieht. „Es dauert so lang, wie es dauert.“ Denn „Ich bin eine Verfechterin dafür, dass wir gemeinsam den Weg der Beteiligung gehen.“ Und am Ende des Regenbogens der Beteiligung wartet dann der prall gefüllte Topf gemeinsam entwickelter Sozialraumorientierung auf uns. Ob wir das noch erleben werden? Ines Schilling ist da ganz optimistisch: „Treptow-Köpenick scheint sozial ausgeglichen zu sein oder zumindest nicht so stark in der Wahrnehmung, dass da große Störungen wären, die man präventiv bearbeiten muss. Das heißt, wir sind als Bezirk relativ unauffällig.“


Wenn die runden Tische von selber rund laufen

Konkret sieht die Arbeit der SPK dann so aus: Schon länger ist bekannt, dass Deutsche Bahn, Berliner Wasserbetriebe, Berliner Verkehrsbetriebe und das Bezirksamt Treptow-Köpenick von 2016-2018 in der Bölschestraße umfangreiche Umbauten planen. Durch zusätzliche Sperrungen befürchten die Gewerbetreibenden extreme Einbußen. Und Ines Schilling findet es ärgerlich, wenn der Bagger vor der Tür steht und dann der Vorwurf kommt, warum nicht informiert wurde. Und „nicht jeder Mensch ist in der Lage, ein Bebauungsverfahren zu durchblicken. Aber die Menschen wollen wissen, was vor ihrer Haustür stattfindet.“ Um also geplante Baumaßnahmen transparenter zu machen und gemeinsam zu überlegen, wie die Geschäftsstraße während der

Bauzeit attraktiv bleibt, wurde von der SPK-Regionalkoordinatorin eine Infoveranstaltung initiiert und für Gewerbetreibende vor Ort die Verbindung zu Politik und Verwaltung hergestellt, gleichwohl die Werbegemeinschaft Friedrichshagen e.V. als Interessenvertretung der Unternehmerinnen und Unternehmer den Prozess von sich aus bereits sehr intensiv begleitet hat. Mit Unterstützung der SPK ist im Ergebnis das Standort- und Baustellenmarketing Bölschestraße entstanden. Damit der Infoaustausch kontinuierlich weitergeht, wurde im Anschluss von der SPK ein Jour fixe angeregt. Etwas anregen ist ja immer gut.

Ines Schilling erwähnt häufig und gerne das Wort „Empowerment“ - Hilfe zur Selbsthilfe: „Wir sind solange in der Begleitung, wie es Begleitung braucht. Wenn wir das Gefühl haben, hier gibt es starke Gestalter und Menschen, die es übernehmen, ziehen wir uns raus. Wir sind nicht mehr für den Prozess an sich verantwortlich.“ Hm, klingt alles irgendwie so meta. Und der Bezirk finanziert hier ganz meta eigens eine Abteilung mit sieben Mitarbeiter*innen, um runde Tische so lange zu begleiten, bis sie von selbst laufen, um sich dann aus ihnen zurückziehen, so wie im Falle der Bölschestraße?


Bringt Euch ein! verebbt ungehört der Ruf über den Müggelsee

Zwei Ereignisse in diesem Jahr lassen immerhin die Frage zu, warum sich der Eindruck hartnäckig hält, die Arbeit der SPK bleibe gute Absicht: Die Senatsverordnung zum Landschafts- und Naturschutzgebiet „Müggelsee“ erregt gerade wieder die Gemüter. Laut Frau Schilling sei sie von der Senatsverwaltung aufgelegt worden, es gab natürlich viel Aufruhr, Unzufriedenheit und Irritation bei den Sportvereinen. Aber ihre Funktion als SPK zu informieren, Transparenz zu schaffen hätte ihre Abteilung durchaus wahrgenommen.

Die Regionalkoordinatorin vor Ort war bei den Gesprächsrunden immer anwesend und habe alle beteiligten Akteure auf Infoveranstaltungen aufmerksam gemacht und gesagt: 'Bringt Euch da ein.' „Ob wir natürlich immer alle erreicht haben, die man hätte erreichen müssen? 100% werden wir nicht immer erreichen können, aber wir bemühen uns.“ Und man dürfe hier nicht die Rolle der Senatsverwaltung vergessen: „Wenn die uns nicht informiert, dann können wir auch nicht handeln. Immer wenn es die Landesebene ist, wird’s manchmal schwierig.“ Mit dem Informationsfluss innerhalb der Bezirksverwaltung sowie zwischen Bezirk und Senat hapert's nämlich auch noch ein bisschen, um rechtzeitig Informationsprozesse in Gang bringen zu können. Die Verwaltung müsse dahingehend auch noch sensibilisiert werden, Bürger*innen miteinzubeziehen: „Da ist noch Luft nach oben.“


Lollapalooza war schwierig. Bürgerbeteiligung hat eben auch seine Grenzen

Auch sehr wenig bis hin zu von der Verwaltung bewusst nicht informiert fühlten sich die Anwohner*innen rund um den Treptower Park während der Genehmigung des Lollapalooza-Festivals. Wie sah es denn da aus mit Transparenz und Mitgestaltung? Ines Schilling beschreibt ihre Arbeit im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für das Festival so: „Ich war als Moderatorin der Puffer zwischen dem Unmut der Anwohner und der Meinung der Experten. Das war meine Rolle an dem Tag, da habe ich mich lange drauf vorbereitet: alle Bürgerbriefe, alle Beschwerden gelesen, um die Moderation angemessen begleiten zu können.

Aber hier gab es schlichtweg ein reines Verfahren. Das ist auch eine unserer Rollen. Verwaltung ist auch dafür da, Recht und Gesetz einzuhalten. Und Auslegung hin oder her. Es wurde nach Antragslage entschieden, und es ist keine politische Entscheidung gewesen.“ Abgesehen davon, dass sich hier zwei Abteilungen innerhalb der Treptow-Köpenicker Bezirksverwaltung selbst widersprechen – denn nach reiner Bezirksentscheidung hätte die Veranstaltung nicht stattfinden dürfen – entstehen leise Zweifel: Wie sinnvoll ist Arbeit der SPK, wenn eine mit wirklich massiven Einschränkungen für die Anwohner*innen einhergegangene Veranstaltung doch genehmigt wurde und die Arbeit der SPK allein in der Moderation von Informationsveranstaltungen besteht?

Zweifel über die Sinnhaftigkeit einer solchen Abteilung gab es vor ihrer Gründung durchaus: Damals warf Philipp Wohlfeil, Fraktionsvorsitzender der Linken, Bezirksbürgermeister Oliver Igel vor, er schaffe eine völlig aufgeblähte Organisationseinheit Sozialräumliche Planungskoordination, die 350.000

Euro kostet. Und die in diesem Umfang weder nötig und mangels Konzept auch unbegründet sei. DIE LINKE wollte diese Mittel zunächst sogar sperren. Ganz so ablehnend steht er der Arbeit der SPK heute nicht mehr gegenüber, was vielleicht an dem neuen Bündnispartner SPD liegen mag. Ein Rest Skepsis bleibt jedoch: „Soweit die SPK statt Papiere für die Schublade zu produzieren, vor Ort bei den Kiezkassen unterstützt, Bürgervereinen Zugang zu Entscheidungsträgerinnen und -trägern verschafft und Konzepte von Fachämtern mit den Erfahrungen aus den Ortsteilen begleitet, ist sie eine gute Sache. Welchen Mehrwert die aufwendige Erstellung der Bezirksregionenprofile bringt, habe ich aber leider noch nicht erkannt.“

Auch in der Treptow-Köpenicker SPD selbst scheint man sich über den Erfolg der Abteilung nicht (mehr) so sicher zu sein: Jedenfalls ließe sich die schriftliche Anfrage im April 2016 von Ellen Haußdörfer (SPD) ans Abgeordnetenhaus mit dem poetischen Titel „Sozialraumorientierte Planungskoordination (SPK) in Berlin – Quo vadis?“ so interpretieren. U.a. ging es darum, inwieweit die SPK-Stellen vom Senat unterstützt werden. Denn Unterstützung erhalten die Bezirke nur in Form von Weiterbildungen, Schulungen, Coachings, Workshops und Leitfäden. Finanzieren müssen sie die Abteilung schon selbst.

Besonders aufschlussreich ist hier die Frage nach möglichen Instrumenten für die Beurteilung der Arbeitsergebnisse. Da schallt es aus der bezirkseigenen SPK-Abteilung unmissverständlich zurück: Bisher gibt es keine berlinweiten Evaluationsinstrumente, Treptow-Köpenick wäre aber interessiert an der Entwicklung eines Instruments. Frei nach dem Motto: Wenn der Bezirk schon alles selbst bezahlen muss, wäre es auch schön zu erfahren, wie erfolgreich die Arbeit der (eigenen) SPK eigentlich ist. Ist hier leise der Vorwurf seitens des Bezirkes zu vernehmen, dass der Senat die Bezirke zur Schaffung von SPK-Abteilungen verpflichtet und sie dann mit Finanzierung allein im Regen stehen lässt?

Daten sammeln, Bezirksregionenprofile anlegen, um Berlin in allen Teilen zu erfassen, sowie runde Tischen anregen reichen eventuell für eine ernsthafte Gestaltung von Transparenz und Bürgerbeteiligungs-Prozessen nicht aus. Die Frage bleibt: Quo vadis SPK?


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