Die ursprünglich 35 Künstler*innen, die sich vor 10 Jahren in der Mörikestraße (Baumschulenweg) zusammengefunden hatten, dort arbeiteten und gemeinsam Ausstellungen organisierten, Vermittlung und Austausch mit Nachbar*innen und Berliner*innen aus dem gesamten Stadtgebiet leisteten, wichen vor den Abrissplänen des Grundstückbesitzers in die Wilhelminenhofstraße aus. Dafür haben sie damals unter massivem Aufwand Bezirks- und Landespolitiker*innen auf den Plan gerufen, die Verwaltungen um Hilfe gebeten und – das muss man sagen – es hat vor zwei Jahren geklappt! Das nun gekündigte Interimsquartier wurde bezogen. Da waren’s übrigens nur noch 26 Künstler*innen. Von den Löchern im Dach und anderen, nun ja, schwierigen baulichen Zuständen reden wir an dieser Stelle nicht.
Und jetzt ist endgültig Schluss. Die Ateliergemeinschaft muss bis Ende des Jahres raus. Das bedeutet übrigens auch: kaum noch kostenlose Kunstausstellungen mehr für Menschen in der Wilhelminenhofstraße.
Die Situation ist dramatisch.
Für die Treptow Ateliers sowieso. Aber auch die Künstlergemeinschaft in den Schuckert Höfen am Treptower Park sucht derzeit nach Lösungen, genau wie die in der Bouchéstraße, der Mietvertrag der X-tro Ateliers läuft 2026 aus, Kaos hat eine ungewisse Zukunft. Die Liste lässt sich fortsetzen: 260 von den ca. 550 Künstler*innen im Bezirk, die das Netzwerk Ateliergemeinschaften in Treptow-Köpenick repräsentiert, sind akut von Verdrängung bedroht. Das sind fast 50 %.
Bitte unterstütze unsere redaktionelle Arbeit!
Es bleibt eine nicht unerhebliche Dunkelziffer von Einzelkämpfer*innen. Künstler*innen (davon gibt es, so schätzt man, etwa 8.000 in Gesamtberlin) verpflichten sich tendenziell eher dem Einzelgängertum. Das ist (bislang) ein schweres strategisches Manko, das gnadenlos ausgenutzt wurde und immer noch ausgenutzt wird.
Und nicht nur hier im Südosten, auch in anderen Bezirken ist die Situation verheerend. Die Uferhallen im Wedding kämpfen aktuell ums Überleben, organisieren große Veranstaltungen, wenden sich an die Politik und die Presse.
Und die Investor*innen?
Für sie zählt der return on investment. Dabei ist es ja nicht so, dass sie kein Faible für Kunst hätten! Für sie ist es toll, wenn Kultur ihre Real Estate Developments aufwertet, die Preise also weiter in die Höhe treibt. Bei dem Gros der Künstler*innen, die gerade so klarkommen, ist allerdings finanziell einfach nichts zu holen - keine*r von ihnen kann 15 oder gar 25 € pro qm kalt zahlen. Und ihre Namen kennt ja kaum einer! Kein Interesse!
Und die Politik?
Da gibt es verschiedene Strategien: ein wichtiges Standbein dafür ist das Atelierförderprogramm des Berliner Senats. Aktuell werden in der Tat ca. 1.300 Ateliers vom Land subventioniert. Das ist zweifellos großartig, einzigartig und unverzichtbar. Es bedeutet, dass das Land den Eigentümer*innen der genutzten Immobilien (sofern es sich nicht um landeseigene Gebäude handelt) den geforderten Mietzins zahlt und die Ateliers nach einem Auswahlverfahren mit den Maßgaben Einkommensgrenzen, Bedürftigkeit und Ausstellungstätigkeit für geringere und bezahlbare Mietpreise an Künstler*innen vergibt.
Die Regeln hierfür sind so ausgelegt, dass weniger als die Hälfte der Künstlerschaft die Bedingungen hierfür erfüllt. Nicht, weil sie nicht genug ausstellen, sondern weil sie durch ihre erfolgreiche Arbeit (und ggf. auch dadurch, dass ihre Ehepartner*innen “zuviel” verdienen) über der Einkommensgrenze liegen, die hier angesetzt wird. Diese wurde gerade angehoben, aber auch das hilft nicht, wenn 8.000 Künstler*innen den 1.300 geförderten Ateliers gegenüber stehen.
Zudem ist es so, dass das Einkommen natürlich jährlich überprüft wird und man/frau räumen muss, wenn es dauerhaft zu gut läuft mit der Kunst oder auch den Nebeneinkünften (es ist eben ein öffentlich gefördertes und solidarisches Programm), dass man im Atelier keine regelmäßigen Veranstaltungen (Ausstellungen) organisieren soll und es auch nicht erlaubt ist, z. B. Workshops anzubieten, mit denen man/frau sich ein Zubrot verdienen könnte.
Auch Ateliergemeinschaften sind nicht antragsberechtigt, denn es muss ja immer das Einkommen jedes Einzelnen geprüft werden. Ach so – und wenn der oder die Eigentümer*in den Vertrag mit dem Land kündigt, ist natürlich auch Schluss. Alles das zeigt, warum dieses einzigartige Atelierprogramm des Landes auch nach seiner Novellierung 2021 nicht alle Künstler*innen, die von Verdrängung bedroht sind, erreicht, und es eben nur ein Standbein bei der Sicherung von künstlerischen Arbeitsplätzen sein kann.
Die Lücke zwischen den NK-Mieten im Atelierförderprogramm und solchen auf dem freien Markt belaufen sich aktuell auf die drei- vierfache Summe pro Quadratmeter. Egal auf welcher Förderstufe man im Atelierprogramm steht. Künstler*innen über der Bemessungsgrenze, aber auch Künstler*innen, die Kurse anbieten und Veranstaltungen wie Ausstellungen oder Lesungen bereitstellen, Künstler*innen, die sich für ihre Nachbarschaft engagieren und Angebote schaffen, die müssen sich alleine tummeln. Und auch sie wenden sich an die Politik. Immer dann, wenn es brennt. Und alle: Politik und Verwaltung, Presse und Nachbar*innen, Kunstliebhaber*innen und Kulturförderer wollen helfen und legen sich ins Zeug. Meist vergeblich."
Und das Land Berlin?
Macht weiter Werbung bei Unternehmen und Immobilieninvestoren mit dem sagenhaften kulturellen Flair und Angebot der Stadt. Aktuell zeichnet sich jedoch ab, dass immer mehr Künstler*innen abwandern. Die Kulturangebote in Wriezen, in Frankfurt, im Fläming, in der Prignitz werden immer ausdifferenzierter. Und die in Berlin oft teurer und zunehmend elitär.
Kultur wird von Politiker*innen im Land und in Bezirken sehr gerne als „freiwillige Leistung“ bezeichnet. In Deutschland ist Kultur Ländersache und in Berlin gibt es sowohl eine kulturelle Landesförderung als auch die große Freiheit der Bezirke, selbst zu gestalten, was sie an kulturellen Angeboten für ihre Bürger*innen schaffen. Das darf für uns Bürger*innen im Umkehrschluss nicht heißen, dass es eben (fast) nichts gibt, weil es ja keine Bestimmungen dazu gibt, was es im Bezirk geben soll (wie zum Beispiel im Fall von Musik- und Volkshochschulen).
Sowohl die Bezirke mit ihrer weitreichenden Selbstverwaltung (z. B. in Form von zu bewilligenden Bauanträgen, bezirklicher Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklung) als auch das Land müssen jetzt damit aufhören, die Zuständigkeit für Arbeitsräume für Künstler*innen im Ping-Pong-Modus zwischen sich hin und her zu spielen.
Jetzt müssen alle an einen Tisch!
Wenn wir nicht in Wohngebieten mit einer einzigen, den Investoren abgerungenen Kita und einem Riesen-Supermarkt in der Nähe enden wollen, wenn wir lebendige Kieze erhalten wollen und die massiv neu entstehenden Investitionsgebiete nicht zu seelenlosen Trabantenstädten, fein sortiert nach Einkommensgrenzen, verkommen lassen möchten, dann muss jetzt verstanden werden, welche politischen Möglichkeiten bereits bestehen und welche unsere Gesellschaft entwickeln muss, damit wir uns nicht selbst das Leben in unseren Kiezen ausknipsen.
Und die Künstler*innen?
In Treptow-Köpenick bilden sie jetzt die Speerspitze einer Initiative, die einen Plan hat, der genau hier ansetzt. Das Netzwerk Ateliergemeinschaften Tretow-Köpenick (NWAGTK), das um die 250 Künstler*innen im Bezirk vertritt, möchte das Zuständigkeits-Pingpong jetzt stoppen.
Bereits 2021 wurde vom Netzwerk Ateliergemeinschaft Treptow-Köpenick ein Workshop mit Beteiligung von Bezirkspolitker*innen, Mitarbeiter*innen aus Verwaltung, Investor*innen, dem Atelierbeauftragten des Landes Berlin und weiteren Expert*innen organisiert. Im Juni und November diesen Jahres folgten unter der Schirmherrschaft des Bezirksstadtrats Marco Brauchmann Workshops unter Beteiligung der Bezirksämter Kultur, Stadtentwicklung und Wirtschaft. Jetzt werden die verschiedenen Möglichkeiten der Einflussnahme auf Bezirksebene gemeinsam gesammelt und auch festgestellt, wo die Zuständigkeiten des Bezirkes enden und wo sie im Land Berlin liegen.
Bereits 2021 wurde vom Netzwerk Ateliergemeinschaft Treptow-Köpenick ein Workshop mit Beteiligung von Bezirkspolitker*innen, Mitarbeiter*innen aus Verwaltung, Investor*innen, dem Atelierbeauftragten des Landes Berlin und weiteren Expert*innen organisiert. Im Juni und November diesen Jahres folgten unter der Schirmherrschaft des Bezirksstadtrats Marco Brauchmann Workshops unter Beteiligung der Bezirksämter Kultur, Stadtentwicklung und Wirtschaft. Jetzt werden die verschiedenen Möglichkeiten der Einflussnahme auf Bezirksebene gemeinsam gesammelt und auch festgestellt, wo die Zuständigkeiten des Bezirkes enden und wo sie im Land Berlin liegen.
Mit anderen Ateliergemeinschaften aus dem gesamten Stadtgebiet wird im Dezember ein Folgeworkshop veranstaltet, der die Situation der einzelnen Standorte berlinweit sammelt. Marco Brauchmann ist mit Stadträt*innen anderer Bezirke im Austausch.
Bitte unterstütze unsere redaktionelle Arbeit!
Und Anfang kommenden Jahres wird die Landesebene eingeladen, sich mit der Frage danach auseinanderzusetzen, welches Format entwickelt werden kann, das langfristig daran arbeitet, für Berlin neue Wege mit den Investor*innen, für Liegenschaften, für Räume, für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung zu finden. Denn nicht nur Investor*innen fördern die Wirtschaft, die Kulturschaffenden arbeiten genauso daran mit. Sie beleben Quartiere, schaffen niederschwellige Angebote und inspirieren Menschen. Wir brauchen einen Runden Tisch der Kulturräume, der sich diesen Fragen widmet.
Dieser runde Tisch wird gebraucht, damit die Ateliergemeinschaft Treptow Ateliers in Zukunft nicht vergeblich mit dem Atelierförderprogramm des Landes Berlin um Liegenschaften ringt, weil es einfach für niemanden mehr Möglichkeiten in dieser Stadt gibt.
Ja, das hatte ich noch gar nicht erwähnt: Die Treptow Ateliers hatten Geld und Kredite, um sich selbst finanziert ein leerstehendes ehemaliges Schulgebäude in der Wilhelminenhofstraße zu kaufen. Aber die Senatskanzlei Kultur und Europa will sich das landeseigene Gebäude für das Atelierförderprogramm sichern.
Was soll man da sagen? Da freuen sich ja auch die Künstler*innen aus anderen Bezirken, die hier werden arbeiten können. Aber Ausstellungen für die Nachbarschaft, Angebote und eine nachhaltige Belebung Oberschöneweides, das dem Eiswind der Gentrifizierung gnadenlos ausgesetzt ist, die wird es mit den Künstler*innen aus fernen Wohnorten so sicher nicht geben. Dabei hätte es so einfach sein können…