Ich lungere nach mäßig erfolgreicher Schicht gegen 11 Uhr abends am Savignyplatz in Charlottenburg herum. Dieser Ort gilt mit seinem Ambiente, der gehobeneren Gastronomie, diverser aussterbender Buchhandlungen und zentral gelegen, zwischen den kulturellen Highlights des alten Westens, dem Berliner als Treff der intellektuellen Eliten der deutsch- deutschen Hauptstadt, wenn sich auch hin und wieder eine schwarzgefärbte Blondine hierher verirrt – so nur, um nach erfolgloser Suche nach dem Partner für Ìs Leben, also nach dem, der ihr das schöne Leben bezahlen soll, die letzten Kröten des Exmannes für das Taxi opfernd, den Weg ins heimatliche Wartenberg anzutreten. Auch sehr, sehr anspruchsvolle Fahrgäste, diese Edeldamen. Tja, Günter Grass, die Gruppe 47 und andere…ich ergehe mich in Wiederholungen. Sorry.
Zu dieser Zeit geht’s flott am Savigny, hohe Auftragslage, der kulinarisch und kulturell gesättigte Herr möchte doch nun schnell nach Haus mit seiner Dame. Weil in unserem Land auch die Reichen, Schönen und Schlauen nicht besoffen Auto fahren dürfen, bleibt der Benz in der Garage und die Herrschaften bemühen einen Wagen mit Fahrer, Geld spielt keine Rolle. So bin ich schnell an der Reihe. Herrschaften, dem Dialekt nach der Ostmark entstammend, nehmen im Fond meines Mini-Benz Platz und wünschen, in eine kleine Piss-Straße in Dahlem kutschiert zu werden. Es werden wie gewöhnlich die Augen verdreht und mit großen Gesten Verständnis für den ungebildeten Fahrer signalisiert. Ja, den Erlenbusch, den kennt kaum einer. Es ist so schön in Dahlem, schöner als sonst denn in Berlin, na man kann doch die Schönheit von Dahlem nicht mit der Köpenicks vergleichen, Dahlem ist doch so grün, schwärmt die Dame, Köpenick nur Tristesse am Rande von Marzahn, so vom Hörensagen. Zitat der Unterhaltung. Ich ihr natürlich ehrerbietend beipflichte, da wir ja in Köpenick nur ein bis zwei Bäume zählten. Kurz lasse ich den Wagen halten, verlasse meinen Kutschbock, um mich an einem der vielen Bäume von Dahlem zu übergeben. Bei so viel Schrott in den Ohren wird mir nun mal schlecht, was sollte ich tun.
Ist dem Leser vielleicht schon mal aufgefallen: Ich hasse Vergleiche, insbesondere jene, in denen etwas zum Maßstab von etwas anderem wird. So in etwa wie: Berlin, das Venedig des kleinen Mannes, Schöneweide, die Bronx von Berlin. Köpenick mag das Dahlem des polnischen Leihhandwerkers sein, der ostdeutschen Putzfrau, die es mit beruflicher Selbstständigkeit zu bescheidenem Wohlstand gebracht haben. Vom echten Dahlem ist es weniger als nur eine billige Kopie. Und so weiter, ihr wisst, wovon ich spreche. Der Herr der Dame hat meine Abneigung kapiert und versucht geschickt, mich verbal auszukontern und lässt verlauten, Dahlem und Köpenick lägen intellektuell Welten auseinander. Ich gewähre dem erzürnten Herrn das Recht mit seinen Äußerungen im Recht zu sein, weil ich gut erzogen bin und nur ein Taxifahrer, ungebildet, aber mit Stolz und Heimatverbundenheit und weil mir der Herr einfach scheißegal ist und hoffentlich bald raus aus meiner Karre, natürlich gebe ich einen Dreck auf Ìs Trinkgeld, wäre ich nämlich so kohlegeil, würde ich hinten im Taxi sitzen können, als diese stumpfen Leute zu kutschieren. Außerdem halte ich es für besser, dass so Typen wie der, sich gar nicht erst von Schönheit Köpenicks überzeugen. Sonst wimmelt es ja bald von solchen Blödmännern am Müggelsee. Und so weiter, ihr wisst, wovon ich spreche.
Ich hasse Vergleiche, warum, das stand hier und auch in anderen meiner Geschichtchen zu lesen. Eines möchte ich dennoch loswerden. Dahlem ist der Grunewald der Halbreichen, wo in Dahlem der Benz in der Garage rottet, da wartet im Grunewald der Fahrer im Bentley. Darum nun der vergleichsweise kurze Schluss von Claaßens Kolumne: Lieber ein schlechtes Original als eine gut gelungene Kopie.
Foto: Holger Claaßen