Kiezwunder

Das Mauna Kea in Friedrichshagen
Das Krächzen des Graupapageis holt mich aus meinen erholsam sinnleeren Frühstücks-Gedanken. Alles normal. Meine Frau, die schönste Aller, und ich sitzen schweigend beim Frühstück. Klare Regeln, geredet wird nur, wenn das Kind dabei ist oder wenn wir uns streiten. Kind in der Kita und wir im Mauna Kea; romantisches Frühstück!
Doch dann geschieht es. Etwas Unfassbares, seit Jahren verschwundenes.
Ein Lächeln, eher ein Hauch eines Lächeln umspielt die wunderbaren Lippen meines Weibes. Fassungslos rücke ich die Brille gerade, schaue, ob ich richtig schaue, stelle fest, die Brille auch seit Jahren nicht mehr da, aber das Lächeln – das Lächeln wird romantisch verschmitzt. Die erotisierende Stimmung unseres Frühstücks scheint zu bersten, konzentrierte Neugier übernimmt! Folge den Blicken meiner lächelnden Schönheit. Da sitzen sie, die beiden, ca.120 Jahre alt, zusammen, gleich verteilt. Sie müssen frisch verliebt sein – sie reden. Frau offensichtlich auf der Suche nach Zucker. Der außergewöhnlich freundliche Kellner kann leider nicht helfen, da er wirklich flink zwischen den 4 Tischen wuseln muss. Mann findet für Frau genau neben sich, in einem kleinen verwirrt wirkenden Bücherregal, mehrere Zuckerdosen. Die kleinen Gefäße, eindeutig Zuckerdosen, kein Zweifel, bringen sie sofort verliebt zum Lächeln, sicher ihr erstes Date, wirken so aufgeregt und jung, fallen kaum auf zwischen den Anderen. Aber Frau wäre nicht Frau, wenn sie, trotz aller Liebe (oder wegen?) Mann nicht misstrauen würde. Ein bisschen weißes Pulver auf die Hand, schnell noch ein Blick, guckt jemand? Lecken! Bäh, Salz, Gesichtverziehen, er erschrocken, sie albern, beide lachen. Jungverliebte! Aber was ist Zucker? Die anderen Dosen, schön anzusehen, Inhalt unbekannt. Hilfloser Blick zum Kellner. Mutiger Griff zum großen Glas mit braunen Kristallen, ohne zu zögern, ab in den Kaffee. Die Klappe öffnet sich schnell und lange, ein strahlender Blick in die Augen ihres Liebsten, der Zucker füllt die Tasse etwa zur Hälfte. Kaffee süß, sehr süß. Versuche, einen neuen Kaffee zu bestellen, scheitern an dem immer noch unglaublich freundlich umherirrenden Kellner und dessen Versuchen wirklich leckere und bunte Teller sowie hoch aufgeschäumte Milch-Heißgetränke den vermuteten Tischen zuzuordnen. Winken einstellen, verliebt lächeln und den Kaffee süß wie das erste Date schlürfen.

Was für ein Frühstück!

Das Strahlen auf dem Gesicht meines Weibes hat mittlerweile die Intensität einer Sonne und die Wärme eines goldenen Suppenkessels. Was für ein Frühstück! Glücklich umherschauend muss ich feststellen, dass der Graupapagei auch kein Papagei ist, sondern ein kleiner Drops in blauem Kinderwagen. Daneben schnatternde Mutter und beste Freundin. Auf Krächz folgt Keks. Toll, Nichtraucherlokal. Zwischen alten Büchern und jungen Menschen ein romantisches Frühstück, verführt zum Reden. Das Wunder von Friedrichshagen. Wir spekulieren über Nichtraucherlokale und das Gesetz des Jahres 2008. Bewundern den Mut jener Lokale, die, ein paar Zeiteinheiten vor dem germanistischen Nichtraucherjahr, ganz von allein auf Nichtraucher umstellen. Die können später was erzählen, manmanman. Ihre Kinder werden bewundernd die Augen aufreißen. In einer Welt voller Raucher haben sie, einige mutige, schon lange vor dem Gesetzgeber richtig gehandelt! Genug geplaudert, das Kind und der nächste Streit kommen gleich aus der Kita. Schön, dass ich hier sein durfte. Den Kellner sogar dreimal am Tisch. Esse nach meinem Öko-Käse den vielleicht leckersten Kuchen von Friedrichs- Seidenspinnerei-Hauptstadt und halte mit meiner Liebsten, der wunderbarsten Aller, Händchen. Lächelnd, redend im Mauna Kea.  

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