Zwiegespräch mit Ahne: Seit 15 Jahren liest Arne Seidel, bekannt unter dem Pseudonym „Ahne“, sonntäglich bei der Reformbühne Heim und Welt im Cafe Burger seine Texte vor. Unverkennbar dabei: Sein Berliner Dialekt, die staccatoartig vorgetragenen Sätze und die ihm eigene Mimik. Auch auf Radio 1 ist der Schriftsteller regelmäßig mit seiner Reihe „Zwiegespräche mit Gott“ zu hören. Maulbeerblatt hat Ahne getroffen, um mit ihm nicht über Gott, aber über seine Arbeit, sein Leben und seine Welt zu sprechen.
MB: Kannst Du uns verraten, wie Du zum Schreiben gekommen bist? Ahne: Da lag dieser Stift und ein Block und da habe ich erst mal so angefangen zu schreiben. Aber da konnte ich noch gar keine Buchstaben, sondern habe einfach meine Phantasiebuchstaben aufgeschrieben. Und später in der Schule hab ich dann schreiben gelernt und irgendwann selbständig geschrieben.
MB: Du bist ja sehr vielseitig. Du schreibst Bücher, hältst Lesungen, machst Radio. Was davon tust Du am liebsten?
Ahne: Auftreten und Geschichten vorlesen.
MB: Autoren gelten als eine relativ scheue Spezies. Du hingegen stehst gern auf der Bühne.
Ahne: Das sind die Drogen. Man nimmt halt solche Drogen, dass man gern dann auf der Bühne steht. Ansonsten bin ich natürlich auch sehr schüchtern.
MB: Was nimmst Du denn für Drogen?
Ahne: Icke? Kaffee zum Beispiel.
MB: Wirst Du eigentlich auf der Straße erkannt?
Ahne: Klar, immer. (lacht) Nee, es ist eher so, dass die Stimme öfter erkannt wird – durch das Radio. Und wenn ich irgendwo in der Kaufhalle einkaufe, dann gibt es schon öfter mal die Frage: „Hä? Weißt Du eigentlich, dass Du genauso klingst wie dieser Eine aus dem Radio?“
MB: Und was sagst Du dann?
Ahne: „Ja, das haben mir schon öfter Leute gesagt.
MB: Wie viel von „Ahne“ in Deinen Geschichten ist real und wie viel ist ausgedacht? Ahne: Oh, das geht alles ineinander über. Ich könnte jetzt gar keine Prozentzahlen nennen. Naja, vielleicht 60 Prozent stimmen und 40 nicht.
MB: Gibt es Sachen, die Du lieber für Dich behältst?
Ahne: Ja. Eindeutig. Mein Geschlechtsleben, meinen Drogenkonsum.
MB: Wie und wo schreibst Du und brauchst Du dazu eine bestimmte Atmosphäre?
Ahne: Ja, schön ist immer, wenn man seine Ruhe hat. Wenn nicht die Kinder um einen herum balgen. Wenn man etwas gegessen hat, aber nicht gerade satt ist und wenn man weiß, man hat genug Zeit zum Schreiben. Obwohl ich auch den Druck brauche. Wenn ich jetzt wüsste, ach – ich schreibe jetzt einfach nur, damit irgendwann mal ein Text fertig ist, würde ich wahrscheinlich gar nicht erst anfangen zu schreiben. Also ich brauche diesen Druck, dieses wöchentliche Auftreten bei einer Lesebühne, damit ich überhaupt anfange zu schreiben.
MB: Was inspiriert Dich?
Ahne: Eigentlich inspiriert mich alles, alles um mich herum. Irgendwelche Spaziergänger auf der Straße bis hin zu den Nachrichten, die aus der Welt zu einem dringen. Ich bin ja auch ein sehr politischer Mensch. Aber auch Träume, Witze, verrückte Ideen.
MB: Wer sind Deine literarischen Vorbilder?
Ahne: Ein direktes Vorbild, an dem ich mich orientieren würde, habe ich nicht. Aber es gibt Sachen, die einen Einfluss auf mich haben: Joachim Ringelnatz, Boris Vian, Charles Bukowski, Tom Robbins, Heinrich Heine. Natürlich auch viele Lesebühnenleute. Gerade aus der Szene, die Kollegen, die inspirieren mich auch.
MB: Gab es schon mal einen Misserfolg beim Vorlesen?
Ahne: Nein, es gab noch nie einen Misserfolg. (lacht) Doch gab es schon, na klar. Aber letztendlich bin ich Zweckpessimist, ich rechne immer mit dem Schlimmsten. Dadurch sind alle Auftritte besser als ich sie mir gedacht hätte. Ich hab auch schon vor fünf Leuten in Wiesbaden oder sechs Leuten in München gelesen. Wenn man das dann in einem großen Theater macht, denkt man erst mal: „Ach, Du Scheiße!“. Aber das geht alles. Je weniger Leute da sind, desto mehr Mühe gibt man sich. So ist das. Bei mir jedenfalls.
MB: Welche Projekte beschäftigen Dich im Moment? Ahne: Als nächstes kommt im Herbst ein Reformbühnenbuch heraus. Da sind die Texte alle schon fertig und abgeschickt. Im Frühling mache ich dann einen Gedichtband, wo ich noch Gedichte brauche. Und die „Zwiegespräche mit Gott“, da muss ich auch ständig neue machen. Die ganzen Texte, die ich für Lesebühnen schreibe, beschäftigen mich natürlich am meisten.
MB: Was willst du unbedingt noch mal machen?
Ahne: Durch die Mongolei wandern. MB: Und beruflich? Ahne: So weitermachen wie bisher. Hab ich jetzt nicht so die großen Ambitionen. Na klar will ich auch mal den Literaturnobelpreis bekommen, aber das kommt schon mit der Zeit.
MB: Auf welche Dinge in Deinem Leben bist Du besonders stolz? Ahne: Dass ich die 2.-Mai-Demo mit einigen Kollegen eingerührt habe, die wir jedes Jahr, zum Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen, starten. Zuletzt waren wir 500 Leute. Das ist das, worauf ich im Moment am meisten stolz bin.
MB: Was ist Dir neben Deiner Arbeit wichtig? Ahne: Meine Familie. Dass man Dinge politisch verändern kann. Der BFC Dynamo, ich bin ja Fußballfan.
MB: Warum BFC und nicht Union – als ehemaliger Karlshorster? Ahne: Weil ich von Anfang an BFC-Fan war und ich nicht meinen Verein wechsle, egal was sich ergibt. Karlshorst ist außerdem nicht Köpenick.
MB: Welche Wünsche und Hoffnungen hast Du für die Zukunft? Ahne: Gesundheit, Liebe und Fortschritt.
MB: Vielen Dank für das Interview
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