Villa Kulturbunt

Dichtung und Wahrheit
Köpenick: Blühende Kultur-Oase, fruchtbarer Hain des endlosen Rudel-Frohsinns, geballte Verlustierungswut inmitten saftigster, immergrüner Landschaften; das monumental-gigantös-personifizierte Ereignismekka am Rande Berlins, dessen scharlachrote, dornenlose Party-Rosen den alltäglichen Veranstaltungskalender überwuchern – und mittendrin der nimmersatte Druchschnittsköpenicker, der es, über seine Tränensäcke stolpernd, vor lauter Angeboten gar nicht mehr zum Amt schafft! Soviel zum (nichtvorhandenen) Werbeprospekt des Tourismusvereins!

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Die Wahrheit: Die bunten Fähnchen am Eingang der 86 Imbisse, Döner-, Thai- und Pizzabuden auf der Bahnhofstraße, die Hundehaufen in unterschiedlichen Brauntönen rund ums Mecklenbruger Dorf, die Vogelscheiße auf der Mütze der Hauptmannstatue vorm Rathaus und das Rattern der Straßenbahn auf der Lange Brücke sind die absoluten kulturellen Highlights und Eventsahneschnittchen im laufenden Jahr hier am Rand. – Alles andere ist oft weder förderungs- noch nennenswert!

Aber wie kommt das? Warum ist das so? Was soll das? Ich kann es Euch verraten, und werde es tun – auch auf die Gefahr hin, dass mich die Schläger-Gendarmerie des Kulturamtes demnächst nachts in meiner Erdgeschosswohnung überfällt und mich mit ihren Füllern und Kugelschreibern traktiert, mir mit ihren Akten fiese Schnitte im Mundwinkel beibringt und mich letztlich unter den Ordnern mit Bestimmungen, Haushalts- und Budgetplanungen – und der Referenzliste mit bereits geförderten Projekten – lebendig begräbt! – Hier also zu den Fakten:

Es steht ein Haus in Adlershof. Das nennt der Eingeweihte Villa Kulturbunt. Die Hausmeisterin ist eine gewisse Frau Teepunkt. Sie wohnt ganz oben in der Villa Kulturbunt und ist die Bestimmerin. Frau Teepunkt kommt aus Bremen oder Bergisch Gladbach oder dem Sauerland, wohnt seit ungefähr 6 Jahren in der Nähe von Rahnsdorf, ist mittlerweile schon mindestens 4 mal an der Spree lang gelaufen und weiß deshalb natürlich sehr genau, was gut ist für Köpenick.

Ihrer Meinung nach herrscht ein gnadenloses Überangebot an Kultur im Bezirk und die jungen Menschen sind selber Schuld, wenn sie sich nicht für die Philosophenlesung im Ratz Fatz interessieren, zum Papier-schöpf-Workshop ins Bürgerhaus Altglienicke gehen, oder kein Interesse daran haben, sich Gips-Skulpturen anzusehen, die den inneren Kampf einer Kaulquappe auf dem Weg zum Frosch symbolisieren und seit 18 Jahren im Keller der Mediathek in der Altstadt zu bewundern sind. So sieht das die Frau Teepunkt aus der Villa Kulturbunt.

Fazit: Radio Fritz ist Punk Rock, Skateboards und BMX gehören verboten, Comedy ist schlechtes Theater ohne singen, Ska und Reggae muss man nicht kennen und Jugendkultur an sich ist eher sowas wie eine Nagelfeile für Nacktschnecken!

Ich weiß nicht, ob diese Ansicht aus der dünnen Luft in Rahnsdorf, oder aus dem Durchzug ganz oben in der Villa Kulturbunt resultiert. Da kann ich nur raten. Ich weiß nur eins: Ich finde die Hundehaufen rund ums Mecklenburger Dorf in der Tat spannender als das, was Frau Teepunkt als Kultur und förderwürdig empfindet. – Aber das würde ich ihr natürlich nie sagen! Wer bin ich denn?


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