Inzwischen beginnt der Tag meist um kurz nach fünf und endet selten vor elf Uhr. Die Kino-und Wellnessgutscheine, die ich geschenkt bekomme, liegen in kleinen erwartungsfrohen Stapeln neben dem großen zähnefletschenden Papier-Vesuv, aus dem Steuererklärungen, Versicherungswechsel, zukunftsweisende Konzepte und Fotoalben für die Omas werden sollen....
Zu Hause entspannen während ringsherum die Pflichten laut rufen wie bei Frau Holle der Apfelbaum nach der fleißigen Marie? Das klappt bei mir nicht. Also bin ich auf eine Ostseeinsel geflüchtet. Habe mir fest vorgenommen, drei Tage lang wirklich gar nichts zu machen. Am besten so wenig wie möglich bewegen, nicht fernsehen, nicht lesen und vor allem nicht mit Leuten reden, die Stille nicht ertragen können. Stattdessen einatmen, ausatmen, aufs Meer gucken und intensiv an nichts denken.... Eine Herkulesaufgabe! Für mich jedenfalls.
Etwa 15 Minuten lang ging es ganz gut. Aber dann traten erste Unruhezustände auf. Muss an den unruhigen Wellen gelegen haben. Oder an den langen to-do-Listen in meinem Kopf. Jedenfalls gerieten die Dinge irgendwie aus dem Ruder. Aus einem klitzekleinen Spaziergang wurden fünfstündige Wanderungen. Statt die Einsamkeit zu genießen, fand ich mich eines Abends in einer Lesung und am nächsten im Kino wieder.
Nicht zu kommunizieren hat auch nicht geklappt. Nach dem Besuch von zwei Galerien und drei Cafés kenne ich jetzt die Lebensgeschichten von mindestens fünf Insulanern und drei Touristinnen – letztere alles Berliner Mütter, die mal „ganz für sich“ sein wollten, dann aber versehentlich in die Kurse „Bernsteine selber schleifen“ und „Stricken ist das neue Yoga“ (kein Witz!) geraten sind. Und last but not least: Kolumnen schreiben hatte ich mir streng verboten. Auch das ging schief. Verdammt!